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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Schmidt, Karl Eugen: Die Pariser Salons
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0218

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Die Pariser Salons

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Besnard hat zwei Bildnisse ausgestellt, die beide
wohl schon vor Jahren gemalt sind. Das eine, die
kürzlich verstorbene Prinzessin Mathilde, ist ein echter
Besnard, rauschend und prächtig in der Farbe, die
vom tiefsten brausendsten Rot in leuchtender Ab-
stufung zum schneeigsten Weiß übergeht; das Porträt
eines im Boot sitzenden englischen Admirals dagegen
ist unglaublich nüchtern und gewöhnlich für Besnard
und könnte fast von Gervex gemalt sein. La Gandara
hat ein sehr gutes Porträt des Schriftstellers Jean Lorrain,
dessen süffisante Impertinenz vorzüglich wiedergegeben
ist, ausgestellt. Die beiden männlichen Bildnisse von
Lucien Simon sind weniger gut als sein bretonischer
Gottesdienst mit den von charakteristischen Bauern-
gestalten gefüllten Kirchenbänken. Gut ist das Porträt
des selbstbewußten und arroganten Politikers und
Schriftstellers Maurice Barres von Blanche, der außer-
dem einige sehr hübsche, früher schon bei Georges
Petit ausgestellte Studien zeigt. Aman-Jean ist un-
gleich besser durch seine dekorative Parklandschaft
mit den beiden jungen Frauen, deren eine stehend
der vor ihr auf der Gartenbank sitzenden ein Ge-
heimnis zuflüstert, vertreten als durch die beiden Bild-
nisse, und der Belgier Wagemans, der im vorigen
Jahre mit seinem an die Hofnarren und Zwerge von
Velasquez erinnernden »alten Radar« einen verdienten
Erfolg erzielte, kopiert sich in diesem Jahre selber,
so daß von seinen vier Porträts nichts Neues zu
sagen ist.

Bleiben noch vier große Porträtisten, deren drei
Ausländer sind und deren einer bereits nicht mehr
unter uns weilt. Aus dem Nachlasse Whistlers sind
ein großes unvollendetes Porträt und drei kleinere
Arbeiten gesandt worden, alle vier von jenem überaus
vornehmen, zurückhaltenden und doch warmen Farben-
reize, dessen Geheimnis Whistler mit ins Grab ge-
nommen hat. Sein Landsmann Sargent hat das vor-
zügliche Bildnis des Lord Ribblesdale ausgestellt: glän-
zend schwarze Reitstiefel, schwarzer Mantel, schwarze
Halsbinde, schwarzer hoher Hut, graugrüngelber An-
zug und ebensolcher Hintergrund, ein überaus kräf-
tiger und aristokratischer Zusammenklang. Der Ir-
länder Lavery erreicht an zartem Reiz und frischer
Anmut das Höchste in dem jungen Mädchen in Weiß,
ein blaßblaues Band am Hute, einen Busch'* blühen-
den Weißdorns auf dem Arme, das der Künstler sehr
passend einfach den »Frühling« selber nennt. Caro-
Delvaille endlich zeigt sich als Meister in dem Gruppen-
bilde seiner jungen, ein Kind säugenden Frau und
ihrer vier Schwestern, eine duftige, kühle Harmonie
von Schwarz und Weiß mit wenig blassem Grün
und Rosa. Die Berater der staatlichen Ankäufe, welche
dieses Werk für den »Luxembourg« erworben haben,
können sich zu diesem Ankaufe gratulieren. Sie
zeigen sich nicht immer so verständig und glücklich.

Wahrscheinlich um den Besuchern, die da glauben
sollten, der Salon der Artistes frangais habe das Monopol
der »großen Maschinen«, zu zeigen, daß sie auch das
können, hat die Societe nationale das wohl fünfund-
zwanzig Meter lange und fünf Meter hohe Bild von
Hippolyt Berteaux ausgestellt, worauf man das Meer,

die Berge und einen guten Teil der Einwohner der
Bretagne in Lebensgröße erblickt. Das Gemälde ist
für das Treppenhaus eines neuerbauten Museums in
Nantes bestimmt, und obgleich es dem Gebäude wohl
nicht zur großen Zierde gereichen wird, kann man
den Leuten von Nantes doch gratulieren, ein so
großes neues Museum zu besitzen. Den Parisern
geht es nicht so gut, und während Amiens, Rouen,
Marseille, Nantes und andere Provinzstädte würdige
Museumsbauten haben, muß sich in der Hauptstadt
die moderne Kunst mit der elenden Lokalität eines
ehemaligen Gewächshauses behelfen, ohne daß die
leitenden Stellen zu merken scheinen, wie schimpflich
ein solcher Zustand für die Patrie des arts und die
Ville lumiere ist.

Von den übrigen dekorativen Arbeiten verdienen
Erwähnung: ein Plafond von Viktor Prouve für die
Nanziger Präfektur, die Vereinigung Lothringens mit
Frankreich in hellen Farbenharmonien von Lila und
Mattgrün mit kräftigen roten Flecken allegorisierend;
ein matter Abklatsch Puvisscher Kunst von Auburtin,
von dem man bessere und eigenartigere Arbeiten er-
warten dürfte; ein etwas erdiges, schweres Rundbild
von Viktor Koos, wo in schmutzig trüben Tönen eine
paradiesische Familie dargestellt ist; eine in der Har-
monie ihrer rosigen und blauen Töne sehr angenehm,
in der beabsichtigten Unbeholfenheit ihrer Zeichnung
desto kindischer wirkende dekorative Darstellung des
Meeresstrandes mit badenden Frauen und Kindern von
Maurice Denis; das vom französischen Staate ange-
kaufte sehr hübsche Bild von dem Australier Bunny,
welches einen ähnlichen Gegenstand wie die Arbeit
von Denis in ungleich künstlerischerer, vornehmerer
und vollendeter Art behandelt und in dem Zusammen-
klang des blauen Meeres, der weißen Kleider und
einiger ziegelroten Töne äußerst sympathisch ist. Den
hübschen Park von Aman-Jean habe ich schon er-
wähnt. In seine Nachbarschaft gehört das anmutige
»Murmeln der Quelle« von La Touche, ein junges
Mädchen in Weiß im grünen Wald esschatten, ein
Schwan ist herangeschwommen, goldige Lichter ver-
brämen das Grün und Weiß des Waldes, Grases,
Kleides und Gefieders. Endlich nenne ich noch den
Engländer Conder, der zwar nur ganz kleine Bilder
ausstellt, sich aber in diesen überaus zarten, duftigen
und in den feinsten Farbenreizen schwelgenden, an
Watteau erinnernden Parklandschaften als ein außer-
ordentlich begabter dekorativer Künstler dartut, dem
nichts als der große Auftrag zur Ausweisung seines
auffallenden Talentes fehlen dürfte.

Der Ordnung halber seien noch Cottet und Raf-
faelli genannt, die beide neue Erfolge anstreben.
Cottet hat außer einigen melancholischen bretonischen
Landschaften in seiner bekannten Art ein großes sonne-
beleuchtetes Gruppenbild bretonischer Bäuerinnen im
Sonntagsstaat geschickt, worin er wohl durch kräftige
Farbenkontraste wirken wollte. Dies gelingt ihm
allerdings, aber die erzielte Wirkung ist keineswegs
erfreulich: blau, grün, violett, rot, alles steht schreiend
und grell nebeneinander als augenzerreißende Farben-
dissonanz. Auch Raffaelli versucht, farbig zu kommen.
 
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