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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0053

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8q

Nekrologe

90

Die Mischung raffaelischer Elemente mit einem durch
Fra Bartolommeo und Leonardo beeinflußten Stil läßt den
Autor in einem Angehörigen der Schule von Siena, Andrea
del Brescianino, vermuten.

Aufsatz IV. Die Zeichnungen Andrea Mantegnas: im
ganzen elf werden als echte Arbeiten anerkannt und
Mantegnas Stil an ihnen studiert.

Aufsatz VI. Einige unerkannte Werke Masolinos.
Verfasser schreibt diesem ein Bild bei Lord Wemyss,
Fresken im Palazzo Castiglione, Madonnenbilder in Bremen
und München und anderes zu, ferner zwei Fresken in
Empoli. Fast alle diese Werke sind von anderer Seite für
Masaccio in Anspruch genommen worden. Man wird sich
in dieser Frage rangieren müssen, je nachdem man das
Tabitha-Fresko der Brancaccikapelle dem einen oder dem
anderen Meister zuschreibt. Daß in einer so fundamentalen
Frage nach wie vor die größte Meinungsverschiedenheit
möglich ist, spricht entweder gegen die kunstgeschichtliche
Methode oder gegen die Geschicklichkeit, mit der sie viel-
fach angewendet wird.

Aufsatz VII. Ein unveröffentlichtes Meisterwerk von
Filippino Lippi: Tondo der Madonna mit Heiligen in der
Sammlung Warren zu Boston.

Aufsatz VIII. Ein Altarbild von Oirolamo da Cremona:
ein eigentümlich herbes Bild, Christus mit vier Heiligen,
im Dome von Viterbo, einst Mantegna, dann Lorenzo da
Viterbo zugeschrieben, wird hier einem Künstler gegeben,
den man sonst nur als Miniaturmaler kannte und dem
nur ein kleines Bild, die »Anbetung« (in Amerika), zu-
geschrieben worden ist.

Soweit diese Aufsätze. Es ist schwer ein Compte-
rendu von ihnen zu geben, da sie rasch in das Wesent-
liche eines Werkes führen, von da aus das Charakteristische
eines Künstlers erläutern und auf anderes verwandtes hin-
weisend, zu einer Reihe von Beobachtungen veranlassen,
die man mittun muß, soll die Lektüre irgend welchen
Wert haben. Diese Methode verbindet die Aufsätze und
gibt ihnen das Recht zur Weiterexistenz in Buchform.

Allgemeiner gehalten ist Aufsatz V. »Ein Wort für
Renaissancekirchen«, gegen gewisse in England gehegte
Vorurteile gerichtet, daß italienische Kirchen keine religiösen
Empfindungen aufkommen lassen.

Endlich der letzte Aufsatz, ein Fragment, zum ersten-
mal hier veröffentlicht »Orundzüge der Kennerschaft«.
Verfasser unterscheidet scharf drei Gruppen, von denen
I und II richtiger als Unterabteilungen derselben Gruppe
zu behandeln sind: Dokumente, Tradition und die Kunst-
werke selbst. Er führt an Beispielen, die sich leicht
vervielfältigen lassen, aus, wie häufig das Kunstwerk
selbst in Widerspruch zu dem scheinbar unwiderleglichen
Dokument steht, und wie dann das, was der Augen-
schein lehrt, über alle Dokumente hinweg den Ausschlag
geben muß. Tradition, das heißt die Überlieferung in
den Schriftquellen, ist immer der Prüfung durch historische
Kritik zu unterwerfen. Die Kunstwerke selbst sind und
bleiben das Hauptmaterial des Kunstforschers. Dokument
und Tradition bereiten nur auf das Studium derselben vor.
Nur ein sorgfältiges Eingehen, Unbekanntes mit Bekannten
vergleichend, kann über den Urheber eines Werkes uns
aufklären: gerade das, worin ein Künstler sich am leichtesten
von der Naturkopie entfernt und schematisch wird, das
heißt beim menschlichen Körper diejenigen Teile, die
weniger der Aufmerksamkeit unterliegen, sind daher von
dem Kenner aufs sorgfältigste zu studieren. Faltengebung,
Landschaft geben oft überraschenden Aufschluß. Aber
all diese einzelnen Hilfsmittel dienen nur zur sicheren Er-
kenntnis der Künstler minderen Geistes; das unübertragbare,

in Worte kaum faßbare Gefühl für Qualität gibt den
grossen Kunstwerken gegenüber die Entscheidung. Hier
hört die Wissenschaft auf und die Kunst der Kennerschaft
beginnt.

Dieser letzte Aufsatz beansprucht darum besonderes
Interesse, weil es noch an einer Methodologie der Kunst-
wissenschaft fehlt, obwohl ja die einschlägigen Fragen
gelegentlich gestreift worden sind. Die praktische An-
wendung seiner theoretischen Erörterungen hat Verfasser
selbst in den zwei Bänden seiner Studien gegeben.
Möchten sie aufmerksam und unvoreingenommen durch-
gearbeitet werden.

Die äußere Ausstattung, Format, Druck, Illustrationen
braucht man bei einer Firma wie George Bell kaum noch
erst lobend hervorzuheben. q. ar.

NEKROLOGE

Die Berliner Künstlerschaft hat eine ihrer liebens-
würdigsten Persönlichkeiten verloren: Ludwig Passini
ist am 6. November in Venedig, seiner zweiten Heimat,
im Alter von 71 Jahren gestorben. Um Passinis nationale
Zugehörigkeit kann sich Berlin und Wien streiten, denn
in Wien ist er geboren (am 9. Juli 1832 als Sohn des
Kupferstechers Johann Passini) und gebildet worden, in
Berlin war er aber die letzten 20 Jahre seines Lebens
ansässig; doch seine eigentliche künstlerische Heimat war
weder Wien noch Berlin, sondern Venedig. Seine vene-
zianischen Aquarelle, die Marktszenen aus Chioggia, seine
Markuskirchen, seine Vorleser und wie alle die von ihm
unzählige Male wiederholten Ausschnitte aus dem vene-
zianischen Leben betitelt sind, haften in aller Erinnerung
und werden noch lange von dem delikaten Farbensinn
und dem eleganten Pinsel ihres Urhebers zeugen. Passini
gehörte in Berlin dem Senat der Akademie an und spielte
in dem gesellschaftlichen Kunstleben der Reichshauptstadt
eine höchst angesehene Rolle.

Werner Dahl f. Ganz plötzlich starb am 7. No-
vember, umringt von seinen mit Liebe und Verständnis
erworbenen Bildern, zu Düsseldorf a. Rh. der von allen
Kennern und Freunden alt-holländischer Kunst hochver-
ehrte Sammler Werner Dahl. Deutschland verliert in ihm
einen der besten Kenner der holländischen Malerei des
17. Jahrhunderts. Nachdem er sich aus seinen Geschäften
zurückgezogen hatte, legte er sich ganz auf das Studium
der holländischen Malerei, und brachte eine gewählte
Sammlung vorzugsweise von holländischen Landschaftern
und Genremalern zusammen. In seiner schönen Wohnung
in der Rosenstraße war ein gern gesehener, herzlich
empfangener Gast, wer sich, wie der Gastherr, für Kunst
interessierte, und mancher zog heim mit reicher Belehrung.
Bis zuletzt hat Dahl seine Sammlung noch bereichert und
verbessert; bis zuletzt noch trachtete er durch größere
Reisen seine Kenntnisse zu vermehren. Manchen Aus-
stellungen lieh er wertvolle Bilder mit großer Freigebig-
keit; die Porträtausstellung im Haag, die van Goyen-Aus-
stellung in Amsterdam lieferten noch kürzlich dafür den
Beweis. Es war immer wieder ein Genuß, mit Dahl in
seinem hübschen Oberlichtsaal vor seinen Bildern zu reden;
man freute sich stets wieder über seine großen Kennt-
nisse, über seine warme Liebe für die schönen Kunstwerke
der Blütezeit der holländischen Malerei. Aber auch für
die moderne Kunst, namentlich die deutsche, hatte er ein
großes Interesse, und seine Salons zeugten von dem feinen
Geschmack des Besitzers, der nur das Beste des Besten
vornehmlich der Düsseldorfer Schule auswählte.

Seinen Freunden war er ein aufrichtiger, treuer Freund,
denen sein Hinscheiden eine bleibende Lücke, ein uner-
setzlicher Verlust bedeutet. a. Bredius.
 
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