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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Bode, Wilhelm von: Mantegna und sein neuester Biograph
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Hevesi, Ludwig: Eine Klimt-Ausstellung: (Wiener Sezession)
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0076

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135

Eine Klimt-Ausstellung

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Genugtuung eines chauvinistischen Ergusses gegen eine
ernste deutsche Arbeit und einer schmeichelhaften Äuße-
rung einer afternoontea-Freundin gegenüber wahrlich nicht
stören, wenn nicht hinter der Miß oder Mistres ein anderer
stände. Wer den schöntönenden Namen Mary Logan aus
der Kunstliteratur kennt, weiß daß er eng verbunden
ist mit einem anderen vielgenannten Namen in der
englischen Kunstforschung, Bernhard Berenson. Wenn
trotzdem der Gatte der Gattin Bücher bespricht und
umgekehrt, wenn sie gegenseitig coram publico über-
fließen von Lob, so ist das mindestens geschmacklos.
Jedenfalls ist Herr Berenson voll verantwortlich für das,
was Mary Logan sagt, auch wenn die sehr unweibliche,
unhöfliche Ausdrucksweise nicht schon überzeugend auf
ihn hinwiese. Ihre Kritiken wären als Kompaniegeschäft
zu behandeln, aber schon aus Höflichkeit wird man sie
nur dem männlichen Inhaber dieser Firma auf Rechnung
schreiben, der die Verantwortung gewiß voll übernehmen
wird; denn an herausforderndem Selbstbewußtsein fehlt
es ihm wahrlich nicht. Es ist gewiß anerkennenswert und
ein Zeichen von Energie und Fleiß, wenn ein Bilderhändler,
wie Berenson, neben seinem Metier noch als Kunstkritiker
sich betätigt; diese pflegen sonst zu verstummen, wenn
sie zum Handel übergehen. Die praktische Beschäftigung
mit den Bildern kann ja gerade für die Kritik von Nutzen
sein. Aber dann dürfen die Manieren des Kunsthandels
nicht auch in die Kritik übertragen werden! Wenn Berenson
trotzdem sein Wesen nicht nur auf dem Bildermarkte,
sondern auch in der Bilderkritik bisher ungestört ge-
trieben hat, so liegt das wohl daran, daß er mit groben
Schmeicheleien die zu gewinnen sucht, die er brauchen zu
können glaubt (so unter den Deutschen Professor Wölfflin),
während die Mißhandelten, eines alten Sprichwortes einge-
denk, lieber schweigen. Auf das Risiko, hinfort gleichfalls auf
den Index des Herrn Berenson gesetzt zu werden, wage ich es
offen aussprechen, daß dieseArt der Kritik, die schließlich nur
in Anschuldigungen und Ablehnungen besteht, in der Wissen-
schaft eine unwürdige ist. Wenn wir Deutschen besonders
von ihr betroffen werden, so liegt das wohl an dem Um-
stände, daß Herr Berenson von russisch-deutscher Herkunft
ist und dies seinen jetzigen anglo-amerikanischen Lands-
leuten gegenüber verleugnen zu müssen glaubt. Echte
Kritik enthält sich der persönlichen Angriffe, sie hat zu
beweisen und nicht bloß zu höhnen und beleidigen, wie es
Logan-Berenson gegenüber Kristeller tun, wie es Berenson
gegen Friedrich Knapp gelegentlich seines tüchtigen, sorg-
fältigen Buches über Piero di Cosimo tut, das von ihm
einfach als »worthless« abgefertigt wird, oder wie er gar
gegen den verstorbenen Dr. Ulmann verfährt, den er bloß-
zustellen sucht, wo und wie er kann. Sogar wenn er ein-
fach seinen Spuren folgt, wie bei der Besprechung der Werke
des Bartolommeo di Giovanni, erwähnt er Ulmann nur, um
ihm eins anzuhängen. Daß dieser den damals unbekannten
Meister, auf den er zuerst aufmerksam gemacht hatte,
vermutungsweise als Davide Ghirlandajo bezeichnete, war
wahrlich verzeihlicher als die eitle Geschmacklosigkeit, daß
Herr Berenson ihn Alunno di Domenico nennt, nachdem
sein Name seit ein paar Jahren bereits bekannt ist! Wer
so gewagte Hypothesen aufstellt wie Berenson, wer sie mit
solchen Scheingründen und apodiktischen, selbstherrlichen
Behauptungen stützt, wie er es seit seiner Aluise Vivarini-
Theorie bis zu dem neuesten, von falscher Gelehrsamkeit
strotzenden »Florentiner Handzeichnungenwerk« vielfach
getan hat, sollte vor den Ansichten anderer, namentlich
wenn sie so vorsichtig ausgesprochen und sorgfältig be-
gründet sind, wie bei Kristeller, Ulmann und Knapp, doch
etwas mehr Achtung haben, oder er sollte Dritte überhaupt
aus dem Spiele lassen. w. Bode.

EINE KLIMT-AUSSTELLUNG

(Wiener Sezession)

Die Wiener Sezession hat ihren neuen Jahrgang mit
einer Gesamtausstellung von Bildern und Zeichnungen
Gustav KUmts eröffnet. Der vielangegriffene Künstler
steht hier mit 48 Bildern und mehreren Kabinetten voll
Zeichnungen und Studien sehr ansehnlich vor aller Augen.
Es herrscht gar kein Zweifel, daß er doch seit Hans Makart
der eigentümlichste und fruchtbarste malerische Charakter
Wiens ist. Auch das publikere Publikum hat sich nach-
gerade so weit an ihn gewöhnt, daß in zwei Tagen zwanzig
Bilder verkauft waren. Es gibt heute in der Tat kaum
ein verkäufliches Bild von Klimt. Alles ist in festen Lieb-
haberhänden. Selbst das schauerliche Novum »Aus dem
Reich des Todes«, für das er diesen Sommer rastlos die
anatomischen Vorlesungen des Professors Zuckerkandl
besucht hat, ist verkauft, und zwar an denselben Klimt-
freund, der ein gar nicht in die Öffentlichkeit gelangtes
Meisterwerk Klimts: »Die Hoffnung«, das in weiten Kreisen
für unausstellbar gilt, schon zwei Jahre vor seiner Voll-
endung erworben hat. Dieses Bild, das ich aus seiner
Werkstatt kenne, stellt einen weiblichen Akt im ... so und
sovielten Monat vor. Die Frau, mit einem entzückenden,
etwas an Botticellis Frühling gemahnenden rotblonden
Kopf, einen Ausdruck von naiver Zuversicht im Antlitz,
schreitet an unheimlichen Spukgestalten vorbei — auch
am knöchernen Tode — und hat nichts als ihre Hoffnung,
das Vertrauen auf die Zukunft in ihrem Schöße. Dieses
Kapitel ist natürlich sehr weitläufig und es wäre schade
das Thema hier übers Knie zu brechen. Sicher liegt dem
Künstler, wie ich ja sein Fühlen kenne, alle Spekulation auf
das Anstößige meilenfern. Sein Kunstverstand ist aber mit
einer so elementaren Naivität verquickt und diese hat im
Kampf mit der umgebenden Prüderie eine so trotzige Gebärde
angenommen, daß er überhaupt keine Rücksicht auf die
»Leute« nimmt. Steinigt mich, kauft mich — ich bin, wie
ich bin. Das neue Hauptbild dieser Ausstellung ist die
»Jurisprudenz«, das dritte Deckengemälde für die Aula
der Universität. Es hängt nun mit der »Philosophie« und
der »Medizin« zusammen. Nach einer grünen und einer
roten Symphonie eine in Schwarz, Gold und Rot. Es ist
das monumentalste neben jenen ausschließlichen Stimmungs-
flecken. Die Hauptgruppe unten besteht aus einem alten
nackten Sünder, in meisterhaft studierter Profilstellung, die
Hände auf den Rücken gebunden, der von einem schauer-
lichen Riesenpolypen (dem bösen Gewissen) umklammert
und von drei unheimlichen Rachegöttinnen umlagert
das Gericht erwartet. Über dieser großen phantastisch-
realistischen Gruppe, die von einem weiten schwarzen
Schleier umzogen ist, so recht dem »Fluchnetz« (mega
diktyon At.es) der griechischen Tragiker, steht vor dem
Gemäuer des Gerichtsgebäudes die Gerechtigkeit zwischen
Gesetz und Wahrheit, erhaben in Gold und Purpur und
von Richtern umgeben, deren kleiner gehaltene Charakter-
köpfe da und dort auftauchen. Das Bild ist nicht in allen
Teilen fertig, gewährt aber doch den vollen sachlichen
und farbigen Eindruck. Es ist übrigens sehr wahrschein-
lich, daß die viel angefeindeten Bilder gar nicht an die
Decke der Aula gelangen werden, wohin sie ganz und
gar nicht passen würden. Das ist der Fluch des langen
Bauens. Wenn ein Bau zwanzig Jahre fertig ist und die
ganze Kunst mittlerweile sich um ihre Achse gedreht hat
und das dort und damals Geltende längst nicht mehr wahr
ist (Schulhochrenaissance!), dann soll ein nachgeborener
Neumaler die Bilder für die gleichgültige Schablonen-
decke eines bereits veralteten Saales malen, der übrigens
das Schwächste an Ferstels teilweise großartigem Bau ist.
 
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