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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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185

Bücherschau

186

der erste Teil des Werkes; der zweite sucht die Be-
ziehungen zwischen der Kirchensymbolik und der bildenden
Kunst klarzulegen. Es wird nachgewiesen, daß die litera-
rische Symbolik nur indirekt für die Kunstsymbolik in
Betracht kommt, daß schriftliche und künstlerische Symbolik
parallele Ausdrucksformen der Idee vom Gottesreich der
Kirche sind und daß die schriftliche Symbolik in ihrer
systemathischen Zusammenfassung nur Einfluß gehabt hat
auf die Ausgestaltung eines Teiles am Gotteshause, des
Portales. Hier findet sich gewissermaßen der ganze reiche
Inhalt dessen zusammengefaßt, was das Ganze und das
Innere darstellt. Die Behandlung der kirchlichen Gewänder,
die ursprünglich in den Rahmen der Arbeit mit auf-
genommen waren, ist wegen Raummangels einer be-
sonderen Publikation vorbehalten worden. Die Arbeit
Sauers bedeutet eine Förderung unserer Kenntnis mittel-
alterlicher Kunstanschauung, wie wir sie seit Jahrzehnten
nicht erlebt haben. Wie würde sich unser größter Kenner
des Mittelalters und seiner Kunst, Anton Springer, an
dieser Arbeit gefreut haben, die so sachlich klar und
furchtlos die schwierigsten Probleme angreift und löst!
Auch der äußere Organismus des Buches verdient un-
eingeschränktes Lob; durch ein Verzeichnis der Literatur,
durch ausführliche Personen-, Orts- und Sachregister ist
dem Leser die Benutzung desselben außerordentlich
erleichtert. Nach einer solchen Einführung darf man der
weiteren wissenschaftlichen Tätigkeit Sauers mit ge-
spannter Erwartung entgegensehen. e. st.

Josef Strzygowski, Hellenistische und koptische Kunst in
Alexandria. (Bulletin de la Societe archeologique
d'Alexandrie Nr. 5). Wien 1902. 99 S. mit 3 Tafeln
und 69 Abbildungen im Texte.

Die Leser der »Zeitschrift für bildende Kunst« haben
aus Strzygowskis eigenem Munde seine Ansichten vor-
tragen hören, die man mit mehr Recht als vieles andere
in der Kunstgeschichte neu auftauchende »Epoche machend«
nennen darf. Als er in der genannten Zeitschrift 1902 das
Grab von Kom-es-Schugafa schilderte, als er vor kurzem
an gleicher Stelle seine Ideen von dem direkten Verkehr
und Kunsteinfluß des Orients mit und auf die gallischen
Provinzen und von der Entstehung des romanischen Stils kurz
entwickelte, die jetzt auch ausführlich in seinem neuen
Buch »Kleinasien ein Neuland der Kunstgeschichte« nieder-
gelegt sind, ist sein Dogma klar und deutlich zur Erkennt-
nis gekommen: Rom hat nicht dem Christentum an antiken
Elementen das gegeben, was es in den ersten Jahrhunderten
aus einer jüdischen Bewegung zu einer Weltströmung ge-
macht hat. Es war die hellenistische, nicht die römische
Kultur, es war Alexandria und sein syrisches Wirkungs-
gebiet, nicht Rom, das dem Christentum seine dem Kultur-
kampf gewachsene Signatur gab. Die Werke der bildenden
Kunst haben Strzygowski erkennen lassen, wie die schwach
gewordene und der Orientalisierung unterlegene graeco-
romanische Kunst — Hellas in des Orients Umarmung —
die christliche hervorgebracht hat. Heute hegt man kaum
einen Zweifel mehr, daß der Grazer Kunstgelehrte das
Richtige ausgesprochen hat. Nur im einzelnen wird oft
Widerspruch erhoben und seine in Anspruchnahme des
Orients als eine viel zu weit gehende empfunden; sein
Dogma im allgemeinen hat bei klassischen und christlichen
Archäologen volle Anerkennung gefunden —

Das gegenwärtige Buch hat den gleichen Grundge-
danken wie alle in den letzten fünf Jahren entstandenen
Schriften Strzygowskis; der Orient taucht auf und verdeckt
das Hellenistische. Speziell soll auf den Gegensatz des
späthellenistischen und des Koptischen aufmerksam gemacht
werden. Im ersten Abschnitt werden »Alexandrinische

Beinschnitzereien« behandelt. 1. Zunächst sehen wir auf
einer Tafel eine Anzahl Schnitzereien aus dem Museum
von Alexandria, die als Belag auf Möbel, Kästchen u. s. w.
befestigt wurden. Nach unserer Ansicht tragen diese
Stücke noch durchaus den Stempel des früheren Hellenis-
mus, ja es ist noch sehr viel klassisches Altertum darunter,
Strzygowski möchte sie in das 4.-5. nachchristliche Jahr-
hundert setzen, aber wir glauben eher, daß sie aus einer
Zeit herrühren, in denen der Orient als Kunst- und Geistes-
faktor den Alexandrinern noch kaum etwas zu sagen hatte.

2. Eine Nike, ein Medaillon emporhaltend, aus der Samm-
lung Const. Sinadino in Alexandrien, findet sich in einer
späteren Replik auf einer Elfenbeintafel der Münchener
Staatsbibliothek: hier kann man wohl das Wenigerkönnen,
den anderen Geist, die Steifheit des Orients erkennen.

3. Das Opfer Abrahams auf einem geschnitzten Knochen
(jetzt im Berliner Kaiser Friedrich Museum) ist ein Typus
der Darstellung, der durch die Berliner und eine Bologneser
Pyxis bekannt ist. Trotz des biblischen Gegenstandes ist
die Berliner Pyxis noch im Glänze der hellenistischen Kunst,
vielleicht in Antiochia, entstanden; das alexandrinische
Stück zeigt geringere Ausführung und geringere Kunst-
übung. 4. Die Beinritzungen zeigen unter hellenistischen
Figurentypen altägyptische und syrische Züge in Pflanzen-
und Tiermotiven. —

Der zweite Abschnitt handelt von den »Elfenbeinreliefs
der Domkanzel in Aachen und ihrem Kreis«. Strzygowski
nimmt an, daß wir hier eine von vorherein zusammenge-
hörige Serie vor uns haben und nicht zwei Dreivereine
verschiedener Provenienz, und daß aus der ganzen Relief-
reihe ein Geist spricht, dessen Verkörperung schwerlich
jemand an der von Heinrich dem Heiligen gestifteten
Kanzel des Domes zu Aachen gesucht hätte — der Geist
der ägyptischen Gnosis. Über den Einfluß der Gnosis
auf die älteste Kunst hat gleichzeitig J. E. Weis-Liebers-
dorf in seinen »Christus- und Apostelbildern« wertvolle
Resultate gebracht. — Im einzelnen werden der Reiter,
der stehende Krieger, die Nereiden, Isis und die beiden
Bakchosgestalten auf ihre Herkunft geprüft; und uns ist
durch Nebeneinanderstellen von Originalaufnahmen und
von solchen nach Gipsabgüssen die Möglichkeit gegeben,
Strzygowskis Deduktionen zu folgen. Der Reiterheilige
wird als der in Christus siegende Konstantin gedeutet
(vergl. jetzt auch »Cavalier et anguipede sur un monu-
ment de Meaux«, Revue des etudes anciennes 1902,
p. 287 ff. und Paul Perdrizet über das Siegel Salomonis
Rev. d. et. grecques 1903, p. 42 ff.; ich glaube, daß der
letztere Aufsatz noch für Strzygowski brauchbares Material
enthält); ägyptische Analogien sind vorhanden, ob aber ge-
rade die Gnosis sie hervorgerufen hat, ist eine andere Sache.
Auch der »stehende Krieger« ist ein koptischer Heiliger.
Für die Nereiden als aus Ägypten herrührend spricht die
Häufigkeit obszöner Darstellungen im Orient; dieses ge-
wisse handgreifliche Schwelgen in der Nudität bei dem
Nereidenrelief, das Derbsinnliche, ähnlich wie auf höchst
interessanten ägyptischen Ledareliefs aus Kalkstein, weist
auf die Nilheimat. Daß die »Isis« für Strzygowski spricht,
ist selbstverständlich; aber auch die Backchosgestalten haben
ein Analogon, das alle ihre charakteristischen Merkmale
vereinigt und zweifellos ägyptischen Ursprungs ist: es ist
ein im Museum in Gizeh befindliches Stück Elfenbein von
derselben Grundform wie die Aachener und ähnliche Stücke
im Musee Cluny und in Berlin, das heißt die ursprüngliche
Rundung des Elefantenzahns ist festgehalten, eine, wie es
scheint, ägyptische Eigentümlichkeit. Der letzte Abschnitt
»Hellenistische und koptische Kunst in Alexandria« faßt
zusammen: »Das eigentliche Ägypten war und blieb orien-
talisches Land, es ist niemals vollständig weder von Hellas
 
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