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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0107

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1 g7 Bücherschau ig8

Epoche sehr wichtig: Vergleiche den Markus, bei dem Ver-
fasser mit Unrecht den antiken Einfluß bestreitet (S. 16),
während die Statue doch entschieden gerade dieses Ein-
flusses wegen wichtig ist. Den durch Schmarsow berühmt
gewordenen gekrollten Rand des Gewebes hat Donatello
natürlich nicht »von seinem Vater, dem Tuchspanner, frisch-
weg vom Rahmen ins Atelier genommen«, sondern er
kommt von den »Gotikern«. Anderseits ist der antike
Einfluß im Zusammenhang mit der (angeblich zweiten)
Romreise zu hoch veranschlagt; die Entwickelung läuft
hier so konsequent, daß man von »Klassizismus« im Sinne
eines Zeitabschnittes (S. 63 ff.) nicht sprechen kann. Ein
sehr intensives Studium der Antike muß dagegen für die
zwanziger Jahre angenommen werden, und erst in diese
Zeit auch ist der Übergang zu einer statuarischen Gestal-
tung im höheren Sinne zu verlegen. Ich meine sogar, daß
jene extrem naturalistischen Köpfe der Campanilestatuen
u. s. w. von der Antike angeregt und beeinflußt sind: und
zwar von einer bestimmten Gruppe höchst unklassisch
wirkender römischer Porträtköpfe des ersten bis Anfang
dritten Jahrhunderts, z.B. in Florenz, Rom, Dresden, Ny-
Carlsberg. Man könnte hier an ein oft zitiertes Wort
Diderots erinnern. (Vergleiche hierzu übrigens eine Be-
merkung Bodes bei Anlaß des Louvrereliefs aus Slg.Timbal.)
— Für diesen Zeitraum bringt Verfasser einige von der
herrschenden Ansicht abweichende Datierungen. So wird
der Marmorjohannes des Bargello, der in der Regel als
eigentliches Frühwerk betrachtet wird, in die Zeit der
späteren Campanilestatuen gesetzt; etwa in die gleiche
Zeit und jedenfalls vor den römischen Aufenthalt auch das
Relief mit der Schlüsselverleihung in London, das schon
des Gegenstandes wegen meist als römische Arbeit des
Künstlers angesehen wurde. Dagegen werden andere Ar-
beiten die mit den Sieneser Bronzen vom Taufbecken zu-
sammengestellt wurden, in die Zeit nach 1432 verlegt; so
die Pietä des South Kensingtonmuseums, das Salomerelief in
Lille und, wie es dem Zusammenhange nach scheint, in
noch spätere Zeit der sog. Amor und der Bronzedavid des
Bargello. Ersterer wird — sehr interessant — mit dem
antiken ballschlagenden Eros der Uffizien konfrontiert, bei
letzterem hätte das Relief am Goliathelm des ikonographischen
Interesses wegen nicht allgemein als Puttenszene, sondern
als eine der frühesten Darstellungen eines Trionfo cha-
rakterisiert werden können. Als knappes Resultat ein-
gehender Studien bringt Verfasser bei Gelegenheit des
Gattamelata den Nachweis, daß das Riesenholzpferd im
Salone zu Padua kein Modell Donatellos zum Bronzepferd
des Gattamelata sein kann, sondern daß es als Schaustück
für einen Festzug im Jahre 1466 nach dem Vorbild des
Gattamelatapferdes gearbeitet wurde. Dagegen weist Ver-
fasser dem Donatello hypothetisch zu den für antik geltenden
bronzenen Pferdekopf des Neapler Museums, den er mit
dem Reiterdenkmal Alfons I. in Zusammenhang setzen
möchte. Doch läßt sich hiergegen manches einwenden.

G. Swarzenski.

Adolf Dauer, von Dr. Otto Wiegand. Straßburg,
J. H. Ed. Heitz, 1903. Ladenpreis 6 M.

Wiegand hat in der vorliegenden Arbeit ein wichtiges
Gebietder deutschen Kunstentwickelung herausgegriffen und,
wie gleich gesagt sein soll, mit großem Fleiß und glück-
lichem Erfolge durchgeführt. An was ich in erster Linie
Anstoß nehme, ist die Schreibung des Namens Dauer.
Das »h« in dem urkundlichen »Dawher« bedeutet m. E.,
wie meist im oberschwäbischen und bayrischen Dialekt,
einen aspirierten Laut; ich ziehe es deshalb vor, die Schreib-
weise »Daucher« beizubehalten. In der Einleitung schildert
Wiegand sehr gut den Übergang der künstlerischen Führer-
stelle in Schwaben von Ulm an Augsburg zu Beginn des

16. Jahrhunderts. Ich habe früher schon, z. B. in meinem
Habilitationsvortrag, diesen Gedanken ausgesprochen, je-
doch nie veröffentlicht. Es freut mich deshalb sehr, ihn
hier endlich festgelegt zu sehen. Weiter wird nun Dauchers
Vater nachgewiesen; etwas kühn ist dessen Identifizierung
mit dem angeblichen Thorer zu Ulm. Das Kapitel »Ulmer
Archivalien« kenne ich aus Erfahrung. Forschungen im
Archive selbst sind unmöglich, und die gedruckten Quellen,
vor allem über die angebliche »Lukasconfraternität«, sind
vor hundert Jahren gemacht, meist verstümmelte und un-
verständliche Excerpte, die man am besten ganz beiseite
läßt. Richtig dagegen, nur nicht entschieden genug aus-
gesprochen, ist das Schulverhältnis Dauchers zu Sürlin.
1491 wird Daucher Meister; soweit wir genaueres über
schwäbische Künstler wissen, geschah dies meist gegen
das 30. Lebensjahr. Ich möchte hierauf mehr Wert legen
als auf den von Wiegand so scharf betonten Ausdruck
»Kind», der nicht einmal ganz sicher auf Adolf zu beziehen
ist, und das Geburtsjahr weiter in die sechziger Jahre
hinaufrücken. Das paßt besser zum Charakter seiner Kunst.

Ich übergehe die sehr fleißige Zusammenstellung der ver-
lorenen Werke und komme zum ersten erhaltenen, der Fugger-
kapelle. Es finden sich da zwei Feststellungen: Einmal
sind die vier schönen Renaissancereliefs nicht von Daucher;
dann verteilen sich die in Berlin erhaltenen Büsten zwischen
Adolf und seinen bisher unbekannten ältesten Sohn Hans
Adolf, der sich auf einer zeichnete. Beides ist neu und
sehr wichtig. Wiegand kennzeichnet die Arbeiten Adolfs
treffend als altertümlich. Hier hätte er einsetzen sollen,
um die Lehrerschaft Sürlins zu beweisen. Die Typen, die
sehr harte Muskulatur, die scharfe, vielfach kantige Schnitt-
führung stimmen völlig mit Sürlin überein. Hans Adolf
arbeitet ganz anders!

Der letzte Abschnitt gilt dem Annaberger Altar. Sehr
dankenswert ist die klare Beweisführung für Dauchers Autor-
schaft. Dagegen leidet dieser Teil etwas unter der Über-
schätzung des Werkes. Trotz der — sehr äußerlichen —
Renaissanceformen und trotz der gut hervorgehobenen
Abänderung der Typik ist auch dies Werk altertümlich.
Das Rankenwerk mit Halbfiguren in Blumen, namentlich
die letzteren selbst sind durchaus gotisch. Bald nach Voll-
endung dieses Altars starb Adolf Daucher, was urkundlich
bewiesen wird, — 54jährig, wie Wiegand annimmt, über
60 jährig, wie mir wahrscheinlich ist.

Die Zusammenfassung ist durch das Urteil über den
Annaberger Altar beeinflußt; allein die Tatsachen verbessern
sie von selbst. Daucher ist nicht der Bahnbrecher, für den
man ihn bisher nahm; er ist — genau wie der ältere Hol-
bein, mit dem er zusammen arbeitete — ein Kind des
15. Jahrhunderts, das sich erst spät, gleichsam widerwillig
und durch die Verhältnisse gezwungen, und auch dann
nur äußerlich zum Renaissancestil bekehrte. Der Bahn-
brecher, gewissermaßen der Burgkmair der Plastik, ist ein
anderer: Gregor Erhart? oder Hans Adolf, der Sohn?
Hoffentlich bringt die Aufklärung der zweite Teil, der uns
am Anfang versprochen ist und auf den wir gespannt sein
dürfen. Immerhin ist auch so das Buch hochwillkommen,
und eine Bereicherung unseres Wissens.

Dr. S. Gf. Pückler-Limpurg.

Berthold Daun, Veit Stoß und seine Schule in Deutsch-
land, Polen und Ungarn. Leipzig, Hiersemann, 1903.
Das Buch, das den Übertitel: »Beiträge zur Stoß-
Forschung« trägt, gibt sich nicht als Biographie, sondern
als eine Art Katalog des Stoßwerkes, mit Einschluß der
Schule und sonst verwandter Arbeiten; das Leben des
Künstlers ist nur flüchtig berührt. Der Verfasser bringt
ein großes Material, offenbar das Ergebnis mehrerer Studien-
jahre und weiter Reisen. Das Buch ist in fünf Abschnitte
 
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