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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Dülberg, Franz: Die Ausstellung der Lehr- und Versuchsateliers von Hermann Obrist und Wilhelm von Debschitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0131

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Die Ausstellung der Lehr- und Versuchsateliers von Hermann Obrist und Wilhelm von Debschitz

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stimmt sein, seitdem Peter Behrens in seinem Haus,
das Lübecks dunklen Ziegelglanz nach Darmstadts
Hügeln trug, den festlichen Raum besternter Nacht
geschaffen hat. Hier sahen wir in starkblauem Dekor
auf violettgrauem Grund an der Decke einen Kranz
von Fischgräten, von Rosenkugeln unterbrochen, an
der Wand ein tropfsteinartiges Muster, bogig ausge-
zackt, wieder von strahlenden Rosenkugeln abgelöst.
Das Ganze doch etwas zusammendrückend; den Raum,
wo dem gefräßigen und vielfach schillernden Tier,
Musik genannt, geopfert wird, würde ich doch heller
und neutraler wünschen; Überempfindliche würden
vielleicht meinen, unter diesem schwerfließenden Blau
nur den letzten Beethoven und allenfalls Chopin hören
zu können und würden dann frischweg für Mozart
und Haydn etwa weiß mit gold, für Gluck hellrosa,
für Brahms hellbraun, für Wagner strahlendes Rot und
für Richard Strauß orange verlangen: eine ganze Musik-
etage für die gutbürgerliche Wohnung! Bedeutsamer
erscheinen mir einige bescheidenere Entwürfe zu Wand-
friesen. So von R. F. Schmitz einer, der rote Bänder
auf grün von Guirlandenwerk in orange auf hellviolett
durchziehen läßt; aus Bogenlaibungen hangen Dornen-
kronen und Fäden; ein anderer, wo auf stumpfbraunem
Grunde braune Rippenbogen sich wölben, in deren
Spannung sich zu Balken verdickende braune Fäden
herabhangen, darunter grünliche, landkartenartige
Flächen. Ein chaotisch starkes Farbengefühl verrät
sich in einem Ornament von Schmitz: auf stumpf-
grünem Grund eine grüne Sonne mit violettem Kern,
von grünen fliegenden Kometen umsaust; eine Schar
schäfig geduldiger, mit braunvioletten Härchen ver-
sehenen orangefarbener Sterne trabt umher. — Ziem-
lich mathematisch wirkt ein Wandpapier von D. Polster:
einfaches fließendes vertikales Muster in Braun-Blau
und balkig auseinandergerissenem Grün und Rot; sehr
reich und wellig aber ein Fries von A. Dähne, einer
Künstlerin, deren ausgestellte Proben bisweilen wirk-
lich sprudelnde Kraft kundgeben: auf hellgrauem
Grund in stumpfgrau und violett verknorrte Weiden,
die ihre Arme recken; braune und gelbe Büsche an
den Wurzeln.

Bis zu körperlicher Berührung rückt als Möbel
der Kunstgegenstand dem Menschen im eigentlichsten
Sinne auf den Leib. Die von M. v. Kranz ent-
worfenen Stücke dieser Art dürften auf die mit ihnen
lebenden Personen zunächst eine kühlende, etwas er-
nüchternde Wirkung ausüben: eine Schlafzimmerein-
richtung in hellem naturfarbenem Holz in sehr ein-
fachen geometrischen Linien, die gern nach unten
zu schräg zusammengehen; Stühle mit weit und sanft-
bogig greifenden Lehnen. Ein Büffet, olivengrau, in
halbem Achteck vorspringend, mit hellgelben Intarsien,
die, alle acht voneinander verschieden und wohl
unter dem Eindruck zerfaserter Baumblätter entstanden,
doch leicht die schreckende Vorstellung fliegender
Pfeile und geschwungener Tomahawks erwecken.

Keramik und Metallkunst sind nicht allzureichlich
vertreten. Gefäßentwürfe von Wilh. Preißler, fast
ornamentlos, mit wenigen Hebungen und Senkungen
der Fläche und einigen Buckelungen geformt. Gut

aus dem Material empfunden ein blanker Zinnleuchter
Friedrich Adlers, zweiarmig, mit einfachster Buckel-
und Bogenzier. Von demselben Künstler und auch
von D. Polster Tintenfässer in dunkler Bronze, nur
durch Einbuchtungen und Bogen modelliert. Wie
ein eisern behelmtes Haupt hebt sich das Tintengefäß
über der breit ausladenden Federschale: das ganze
Gerät starr, urweltlich feierlich — ein Mensch der
Tertiärzeit könnte sich solchen Werkzeuges beim Nieder-
schreiben seiner Herzensergießungen bedienen. Viel
frischer wirkt ein Bronzeteller von A. Dähne: in der
Mitte schießen aus gezackter Buckelung Strahlen wie
die rotierenden Garben eines Feuerrades. Ansprechend
ist auch ein Petschaft von A. Sprengel: ein finster
und zusammengekniffen blickender Menschenkopf als
Herme.

Reich und schimmernd tritt die Stickerei in dieser
frauenhaften Ausstellung auf: gründete doch Hermann
Obrist seinen Ruf bei den Vielen durch die Linien-
und Farbenspiele in Seide und Atlas, die er vor
Jahren im Berliner Kunstgewerbemuseum zeigte. An
das ruhig tanzende Licht des Labradorits erinnert eine
Tischdecke von Bertha Froriep, deren orangefarbene
Seide in Stickerei und aufgenähter blauer Seide ein Kreuz
trägt, dessen Kern aus violetten Spiralen sich heraus-
entwickelt und dessen Zweige in grünen Seidenfäden
sich zu mächtig tragenden Bäumen auswachsen. Matter,
in vornehmer Blässe erscheint eine langherabhängende
Decke von P. v. Kienle: auf grauem Seidengrund ver-
flochtenes Astwerk in violett mit hellgelben Staub-
blüten. Nach unten zu werden die Zweige hängender
und gießen zuletzt den Staub in breiter Masse hinab.
Verwandt in der Empfindung ein Storesentwurf in
weiß und grau von S. Demuth, senkrechtes Muster
mit quadratischen Verknüpfungen. Stärker, pochender
die Arbeiten von M. Funke. Eine Decke in gelber
aufgenähter Stickerei auf grauem Grund: Äste, die
einander sich entgegenstrecken mit wenigen grünen
Strahlen. Besonders eindrucksvoll aber ein Wandteppich
auf blaugrauem Wollstoffgrund. Verlangend streckt
sich von oben rechts baumästiges Gewirr aufgenäht
und gestickt in stumpfem Aschbraun herein. Hinter
dem Astwerk rotviolette Sterne auf blauer Seide. Ge-
stickte gelbe Halbmonde fallen, nach unten spärlicher
werdend, über die ganze Fläche hinab. Eine eigene
metallische Kraft erscheint in drei Füllungen von
E. Imhof. Die mittlere ein stahlblauer Baum, von
dessen Zweigen keulenartig geformte braune, rostbraune,
gelbe und weißliche Blüten niederregnen. Weniger
glücklich und weniger unabhängig kommen mir die
Arbeiten von S. Pasch vor. Eine Decke mit grauem
Grund; aus verschlungener Wurzel wachsen drei
blühende Dolden empor, die mittlere ganz hell, die
seitlichen in braun und weiß. Das Ganze ist sehr
klar aufgebaut, die Linien der Wurzel aber erinnern
bedenklich an die vornehme Zier der Einbände, die
Grolier einst seinen geliebten Aldinen umlegen ließ.
Die rechte Vornehmheit der Farbenwirkung scheint
einem groß angelegten, freilich nur im bemalten Ent-
wurf vorhandenenen Theatervorhang versagt. Auf
kraßbraunem Grund blaues herabhängendes spitz-
 
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