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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Kesser, Hermann: Zu Hans Sandreuters Gedächtnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0145

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstr. 13

Neue Folge. XV. Jahrgang 1903/1904 Nr. 17. 4. März

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum >Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Ver-
lagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haas enstein 81 Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

ZU HANS SANDREUTERS GEDÄCHTNIS

Böcklin hat wenig Schule gemacht. Es gibt wohl
in der Schweiz und in Deutschland ein paar Künstler,
die sich seine Requisiten zu eigen machen. Zu An-
sehen sind sie nicht gekommen, sie gehören zu den
Künstlern, die wir mit dem Ausdrucke »Verkaufs-
maler« zusammenfassen. Und jene Schar von kunst-
freudigen Jüngern, die der Meister einmal in Florenz
um sich versammelt hatte, ist keiner von ihnen zu
künstlerischen Ehren gekommen? Nein, keiner auf
Böcklins Wegen. Denn wenn ich jetzt Hans Sand-
reuter nenne, Böcklins Lieblingsschüler, der sich so
wacker durchgerungen, dann muß ich gleich hinzu-
setzen, daß er erst dann ein ganzer, selbständiger
Künstler wurde, als er sich von Böcklin losgemacht
hatte. Der Böcklinschüler Sandreuter, der Nachahmer.
Böcklins, wollte nie gefallen, erst als sich der deko-
rative Künstler, der feinsinnige Landschafter Sand-
reuter zeigte, da hörte man mit Befriedigung davon,
daß er sich ein Stück seines Könnens vom großen
Böcklin geholt hatte. Ich möchte nicht selbst er-
zählen, wie das kam. Der Züricher Kunstschriftsteller
Dr. Hans Trog, ein Schüler seines Landsmannes Jakob
Burkhardt, hat vor wenigen Wochen im Rahmen
der Neujahrsblätter, die alljährlich von der Züricher
Kunstgesellschaft herausgegeben wurden, eine mono-
graphische Abhandlung1) erscheinen lassen, die mit
Hans Sandreuter« überschrieben ist. Trog ist ein
Berufener, um uns Sandreuter zu schildern, denn er
ist gleich dem Verstorbenen ein Kind der Rheinstadt
Basel, er sah den Künstler werden und wachsen.
Das reich mit Anschauungsmaterial versehene Büch-
lein gibt darum die bis heute erschöpfendste und
lesenswerteste Darstellung. Besonders auf das Ver-
hältnis Sandreuters zu Böcklin ist Trog sehr ein-
gehend zu sprechen gekommen, seine Entwickelung
»durch Böcklin hindurch« ist hier am klarsten ge-
geben.

Sollte man glauben, daß der Knabe Sandreuter
von seinem Baseler Zeichenlehrer eine Züchtigung
erhielt, weil er es wagte, den Schöpfer des »Jagd-
zuges der Diana« — er hatte das Bild an einem freien

1) Hans Trog, Hans Sandreuter. Kommissionsverlag
von Fäsi & Beer, Zürich.

Sonntag im Baseler Museum gesehen — anno domini
1863 für den größten Maler zu erklären? Es klingt un-
wahrscheinlich, und wenn die Kunde nicht von einem
sicheren Gewährsmann käme, möchte ich sie lieber
für einen kunsthistorischen Treppenwitz halten. Trog
nimmt die Gelegenheit wahr, uns nach dieser Anek-
dote eine Schilderung der Baseler Jugendzeit von
Hans Sandreuter zu entwerfen, »dem jungen Mann,
der Maler werden wollte«, und erst nach jahrelangen
Probearbeiten als Lithograph und Zeichner an seine
künstlerische Ausbildung auf der Münchener Akademie
denken konnte. Dort in München lernte er Böcklin
kennen. Sandreuter wandte sich an seinen engeren
Landsmann, um seine Vermittelung für die Zulassung
in die Münchener Akademie zu erbitten. Böcklin
begleitete ihn zu Wilhelm Kaulbach und stellte
diesem seinen Schutzbefohlenen mit den Worten
vor: »Da bringe ich ihnen einen jungen Mann, der
auch das Unglück hat, Maler werden zu wollen.«
Auf München folgte ein Aufenthalt mit Böcklin in
Florenz. »Liest man nur einige der Titel von Sand-
reuters Bildern aus jener Zeit des ersten engen Zu-
sammenseins mit Böcklin, so ersieht man schon
daraus, wie übermächtig der Einfluß Böcklins . . .
in bezug auf die Wahl der Stoffe war, ganz abge-
sehen von ihrer malerischen Durchführung. Damals
malte Sandreuter einen Gang zum Tempel, eine
Frühlingslandschaft mit trinkendem Pan, die Tempera-
skizze eines fischenden Pan, eine badende Nymphe
und eine griechische Idylle.«

Bis 1877 blieb Sandreuter in Florenz, dann folgte
ein Aufenthalt von drei Jahren in Paris, hierauf ging
es nochmals nach Italien, nach Florenz, Rom und
Neapel. »Das waren vielfach schwere Zeiten für den
Künstler, Zeiten der fehlenden Anerkennung und der
Entbehrung. Aus Rom hat er einmal 1882 ge-
schrieben, er beneide seine Landsleute, die wohl-
genährten päpstlichen Schweizergarden.« Doch diese
Periode eines echten Künstlermartyriums war im
Jahre 1884 zu Ende. Von da an ging es, »wenn
auch langsam, so doch entschieden vorwärts und auf-
wärts in seiner Laufbahn« und als »Sieger hat Sand-
reuter sterben dürfen«.

Um gleich vom Wichtigsten zu sprechen: »Das
entscheidende Ereignis im Künstlerleben Hans Sand-
reuters hieß Arnold Böcklin«, ein Name, der sich
 
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