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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Kesser, Hermann: Zu Hans Sandreuters Gedächtnis
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Ostini, Fritz von: Rudolf Maison
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0147

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277

Rudolf

Maison f

278

Man muß wissen, mit welchem leidenschaftlichen
Sehnen, mit welcher rührenden Unermüdlichkeit der
stille, fast wortkarge Mann nach Vollendung rang,
nach Licht und auch nach Anerkennung, wie jeder
andere — und wie er dabei keinen Weg ging, als
den geraden, kein Mittel für erlaubt hielt, als das,
sein Bestmöglichstes zu leisten. Er war als Künstler
selfmade-man bis ins Kleinste, nie hat ihn ein anderer
etwas gelehrt als die unumgänglichsten Handgriffe,
das Äußerlichste der Kunst. Seine Meisterin war die
Natur; aber nicht nur in dem Sinne, in dem sie jeden
Künstlers Meisterin ist. Er hat wirklich sein ganzes
handwerkliches Können im unmittelbaren Verkehr mit
ihr aus sich selber herausgewonnen — und dies
Können war einzig in deutschen Landen! So erklärt
sich der gewisse herbe, bedingungslose Realismus
seiner ersten Epoche, der nach der einen Seite so
viel Bewunderung, nach der andern so viel Wider-
spruch fand. Der Künstler stand eben im strengen
Banne seiner Meisterin Natur. Von anderen nahm
seine stolze Art nichts an, auch nicht von den
Alten. War das ein Fehler? So war es wahrhaftig
ein ehrenvoller! Er hatte nun aber bei seinem bei-
spiellosen Fleiß in der unmittelbaren Naturtreue einen
Punkt erreicht, von dem es in gleicher Linie »nicht
weiter ging«. Da fing er an seinen Stil zu suchen.
In seinen Arbeiten für den deutschen Reichstagsbau
sehen wir die ersten bedeutsamen Etappen dieses
Strebens. Erst die beiden geharnischten Reiter. Dann
sein Otto der Große, vielleicht Maisons wuchtigstes
Werk. Im Bremer Brunnen noch ein heißes Ringen
zwischen des Küntlers herbernster moderner Natur-
anschauung und einer im Grunde barocken Idee.
Volles Gelingen, manchen voreiligen Tadlerstimmen
zum Trotz im Reiterdenkmal Kaiser Friedrichs für
Berlin! Erst seine lebensgroße Ausführung in Bronze
wird zeigen, was es ist, wie monumental bei allem
Realismus, wie groß, trotz der Fülle von Details,
welche es ungewohnten Augen kleinlich erscheinen
lassen konnten. Maison sah nun einmal unglaublich
scharf und hielt es für Unrecht, Wesentliches, was er
sah, für sich zu behalten. Als er starb, waren zwei
Kolossalfiguren, ein St. Michael und ein St. Georg,
die ein reicher Bremenser, Herr Harries, auf Ver-
anlassung'des Kaisers für die Stadt Bremen schaffen
ließ, eben fertig geworden. Vor der Monumentalität
dieser in ihrer grenzenlosen Schlichtheit so originellen
Figuren wird wohl auch der letzte Zweifel an Maisons
Stil verstummen. Er hatte die große, reine Linie ge-
funden. Daß der Weg hierzu seine Weile brauchte,
wird keinen wundernehmen, der ihm nahe stand,
ihn verstand. Andre machens billiger. Die »lernen«
heute nach berühmten Mustern, bei Adolf Hildebrand
etwa, oder direkt bei den Alten den Stil und hinter-
oder nebenher bei der Natur ein wenig die Form
— wenn die Zeit dazu reicht! Sonst geht's ja schließ-
lich auch so!

Rudolf Maison stammt, wie der Name verrät, aus
einer verarmten französischen Emigrantenfamilie. Sein
Vater, der ihm nur einige Tage im Tode voranging,
war Schreiner in Regensburg, ein wackerer Meister

in seinem Fache, der die feinste Arbeit verstand und
in seinen alten Tagen an den Modellen des Sohnes
fleißig mitzimmerte. Mit tüchtiger Realschulbildung
kam Rudolf Maison an das Münchener Polytechnikum,
um sich, seinem inneren Beruf entsprechend, zum
Architekten auszubilden. Maison war, wie alle Archi-
tekturteile seiner Entwürfe beweisen, auch nach dieser
Richtung hin ein starkes Talent. Leider gebrachen
ihm bald die Mittel zum Studium. Er mußte sich
sein Brot durch Zeichnen und Modellieren für in-
dustrielle Zwecke verdienen. Die nötigste Technik
hatte er sich in den Zeichnen- und Modelliersälen des
Polytechnikums angeeignet. Von da ab ging's von
selber weiter mit wachsendem Können. Bald konnte
er für den plastischen Schmuck der Bauten König
Ludwigs II arbeiten. Die Pegasusfontäne in Herren-
chiemsee ist ganz seine Arbeit — ein respektables
Stück Arbeit für einen Anfänger und Autodidakten.
1885 kam er mit seinem ersten selbständigen Werk
vor die Öffentlichkeit, einer stark bewegten, realisti-
schen Kreuzaufrichtung, die überdies polychromiert
war. Das Werk erregte Aufsehen und lebhafte Dispute
»für und wider«. Maison war sich damals über die
Grenzen seiner Kunst wenig klar, aber er holte sich
seine Belehrung aus der Arbeit selbst, er versuchte
selber, was er wissen wollte. Zwei Entwürfe aus
jener Zeit, ein »Arbeiterstreik« und ein »Tod Cäsars«
zeigen, wie er sich über das zulässige Maß von Be-
wegung experimentell unterrichtete. Gelegentlich eines
Wettbewerbes schuf er sein imposantes Modell für
den »Fürther Brunnen«. Nürnberg hatte die Kon-
kurrenz ausgeschrieben und Maisons genialer Entwurf
— »die durch den Menschen gebändigte Naturkraft« —
wurde als der beste erklärt, die Ausführung aber
einem anderen übertragen. Da ließ die Stadt Fürth
den Entwurf für sich ausführen. Das Werk ist von
genialem Wurf, von kühnstem Temperament — in den
Formen aber doch runder, weniger persönlich, barocker,
wenn man so sagen darf, als Maisons reife Art. In
einer Reihe von Denkmalskonkurrenzen, an denen
er sich grundsätzlich mit nie ermüdendem Fleiße
beteiligte, gewann Maison den Preis — nicht aber die
Ausführung. Wer das Wesen uuserer deutschen
Denkmalskonkurrenzen kennt, wird sich weiter nicht
wundern. Sein preisgekrönter wunderschöner Ent-
wurf für das Kaiser Wilhelm-Denkmal in Aachen z. B.
zeigt einen Siegfried mit den Rheintöchtern, welche
die Kaiserkrone aus den Fluten emporhalten. Die
Ausführung scheiterte an der Unmöglichkeit, die drei
Rheinnixen — zu bekleiden!

Schon in seiner Anfängerzeit hatte Maison eine
Reihe trefflicher Kleinplastiken gefertigt, so ein halbes
Dutzend Münchener Typen, einen Schusterjungen, eine
Zeitungsfrau, Kellnerin, einen Hofbräuhäusler, einen
Kunstjünger. Anfangs der neunziger Jahre entstand
seine bekannte Serie polychromierter Statuetten, der
Eselreiter, der stehende Neger, der Neger von einem
Leoparden überfallen, der Philosoph, das Faunmäd-
chen, der Augur u. s. w. Maison, ein unerreichter
Meister der Technik in allem, hatte sich ein Verfahren
der Polychromie zurecht gemacht, das bis zu nie
 
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