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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Schleinitz, Otto von: Die Weltausstellung in der "Royal Academy" in London
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0165

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313

Die Winterausstellung in der

»Royal Academy« in London

'314

Porträts gestochen, so namentlich: »Gräfin Gower
(später Herzogin von Sutherland) mit Kind«, »Lady
Acland mit Kind«, »Lady Mary Lennox«, »Georgina,
Countess Bathurst« und die bekannte Schauspielerin
»Miss Farren«, spätere Gräfin Derby. Der Herzog
von Abercorn sandte gute Bildnisse seiner Vorfahren,
aber in geradezu fürchterlichen, das heißt wie Sonnen-
strahlen geformten Rahmen. Reynolds erklärte seiner
Zeit, daß englische Bilder des 18. Jahrhunderts nur
in sogenannten »Carlo Maratti-Rahmen« zu sehen
seien. Von sonstigen Porträts des Künstlers möchte
ich wenigstens nicht unerwähnt lassen »Lady Hamil-
ton«, die Geliebte Nelsons, »Mrs. Angerstein«, deren
Gatten die später den Grundstock für die »National-
Gallery« bildende Gemäldesammlung gehörte und
endlich ein 1812 gemaltes und bisher in London
nicht gesehenes Werk »Gräfin Leitrim und Tochter«.
Es ist eine Tatsache, daß Reynolds dem Maler
Lawrence einen durchaus anderen Rat wie vielen
sonstigen jungen Künstlern erteilte. Diesen riet er
die alten Meister, jenem die Natur zu studieren! Er
hat Recht gehabt, allein der Schüler befolgte leider
zu wenig die Ratschläge seines großen Lehrmeisters.
Schließlich darf nicht vergessen werden, daß Lawrence
in seinem 23. Jahre, also 1792, ziemlich allgemein
als der erste Maler Europas bezeichnet wurde.

Von den alten Meistern sind die Italiener am zahl-
reichsten vertreten, das heißt wir finden etwa dreißig
Werke von Belang und unter diesen wiederum vier
besonders hervorragende zur Stelle. Die letzteren
können außerdem als bisher sehr wenig bekannt an-
gesehen werden und ich glaube, daß in England
kein besseres Bild von Piero di Cosimo, wie das
von Mr. Street ausgestellte, anzutreffen ist. Dasselbe
trägt im Katalog die Nummer 33 und stellt in Lebens-
größe die kniende Jungfrau in einer felsigen, etwas
konventionell aufgebauten Landschaft dar. Sie liest
in einem Buche, vor ihr das schlafende Jesuskind, im
Hintergrunde Joseph, Gebäude, ein See und Tier-
staffage. Das Werk ist ein Rundbild auf Holz. Ein
im Katalog (32) Giorgione zugeschriebenes Porträt,
ein junger Mann die Hand auf einen Schädel legend,
aus dem Besitz des Marquis von Northampton, scheint
mir mit mehr Recht dem Bernardino Licinio zuge-
wiesen werden zu müssen. Lord Methuens Filippo
Lippi, »Die Verkündigung«, mit den Figuren der
Jungfrau, des Engels Gabriel und des knienden Stifters
des Gemäldes, in einer mit schöner Architektur aus-
gestatteten Landschaft (25), ist ein Prachtwerk! Das
vierte Bild endlich, »Die heilige Familie mit St. Mar-
garete« (Nummer 13) von Filippino Lippi, Mr. Warren
gehörig, war bisher in London nicht gesehen worden.
Unter den übrigen alten Meistern nimmt jedenfalls
Dürers Porträt seines Vaters (Nummer 10), geliehen
von Lord Northampton, die erste Stelle ein. Wir
haben unbedingt ein Originalwerk des großen Meisters
vor uns, so außerordentlich gelungen, so sicher in
der Behandlung und doch so zart ist die Modellierung
der Augen, der Lippen und des Haars. Früher be-
fand sich dies Bild im Besitz von Lady Louisa
Ashburton. Wie bekannt, bewahrt München und |

Frankfurt ein ähnliches Bild, und trägt ersteres eine
Inschrift, aus der hervorgeht, daß es 1497 gemalt
worden war, im 70. Jahre des Porträtierten. Die
Münchener Galerie beansprucht nicht, das bezügliche
Original zu besitzen, vielmehr besagt der Katalog,
daß dies in englischem Privatbesitz sei. Die gemeinte
Sammlung ist die des Herzogs von Northumberland
in Sion-House. Das letzterwähnte Bild trägt auch
eine Inschrift und kann im Besitzstammbaum bis zu
dem berühmten Grafen von Arundel zurückgeführt
werden. In jenem auf der Ausstellung befindlichen
Werke des Marquis von Northampton haben wir es
also mit einer zweiten Version zu tun.

Wie es in einer so umfangreichen Ausstellung
nicht anders sein kann, sind die Bilder ungleich im
Wert. Zu den erwähnenswerten gehört unter anderen
auch eine von Sir H. Thompson geliehene Pietä, die
Memling zugeschrieben wird (Nr. 1). Das Bild ist
zwar ein ausgezeichnetes an sich, indessen die Ur-
heberschaft des Meisters von Brügge wurde keines-
falls überzeugend nachgewiesen. Als ein bisher ver-
loren geglaubtes Porträt galt das des Federigo Gonzago,
als Knabe dargestellt (Nr. 12) von der Hand Francias,
aus der Sammlung von Mr. Leatham. In ihrem
Buche »Life of Isabella d'Este«, das eine interessante
Epoche aus der Renaissancezeit schildert, berichtet
Mrs. Ady ausführlich über den Auftrag der Mutter
an Francia, um ihren Sohn, den späteren ersten Herzog
von Mantua, damals 10 Jahre alt, zu malen.

Von den van Dycks können nur zwei unbedingten
Anspruch auf Echtheit erheben: »Lord John und
Lord Bernard Stuart«, Brüder des Herzogs von Lenox,
die in den Kämpfen Karls I. ums Leben kamen, und
ferner »Gaston d'Orleans«, 1634 vom Künstler an-
gefertigt. Das erstgenannte Werk, Lord Darnley ge-
hörig, wurde kürzlich von Laguillermie, dem be-
wundernswerten Übersetzer van Dycks, in schwarz
und weiß übertragen.

Endlich möchte ich noch eine dem Grafen Radnor
gehörige Landschaft erwähnen, mit der es insofern
eine eigene Bewandnis hat, als Rubens die Skizze
zu derselben entwarf, der Antwerpener Maler v. d. Hülst
sie eigentlich ausführte, zuletzt jedoch, als König
Karl I. von der Arbeit hörte und sie zu besitzen
wünschte, dieselbe noch einmal übermalte. Das Sujet
stellt die Gegend dar von Escurial mit dem Berge
S. Juan en Malagon (Nr. 66). Rubens sandte das
Bild als Geschenk an den König mit einem Schreiben,
in welchem es heißt: »Es ist nicht wert, unter den
Wundern in Ew. Majestät Kabinett aufgenommen zu
werden.« Das Pietro Paulo Rubens unterzeichnete
und in französischer Sprache abgefaßte Schreiben
enthält im Eingange folgende Stelle: »Plaise k Dieu
que 1'extravagance du sujet puisse donner quelque
recreation ä sa Majeste.«

Die vorliegenden, ungemein reichen und schönen
Bronzesammlungen entstammen in der Hauptsache
dem Besitze von Mr. Alfred Beit, Julius Wernher,
Pierpont Morgan und Salting. Alles, was an erst-
klassigen Werken nicht für Museen angekauft wurde,
befindet sich in ihren Händen. Für die beiden
 
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