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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Denkmalpflege — Sammlungen

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ständigen Kreisen seine allen Interessenten zugängliche
Bibliothek und Abbildungssammlung in letzter Zeit be-
trächtlich hat vermehren können. Teilgenommen haben
der frühere Botschafter Freiherr von Stumm als Vor-
sitzender, Professor Heinrich Brockhaus als Direktor, sowie
die Herren Geheimrat Bode aus Berlin, Dr. von Fabriczy
aus Stuttgart, Reichsrat Freiherr von Hertling aus München,
Prinz Franz von und zu Liechtenstein aus Wien, Oeheimrat
von Reber aus München, Professor Schmarsow aus Leipzig
und Oeheimrat Thode aus Heidelberg. Das Interesse der
Versammlung wandte sich diesmal vor allem den Ver-
öffentlichungen zu, mit welchen das Institut demnächst
hervortreten wird.

DENKMALPFLEGE

Rom. Sixtinische Kapelle. Nachdem Papst Pius X.
die von Leo XIII. eingesetzte Kommission zur Über-
wachung der Restaurationsarbeiten in der Sixtinischen
Kapelle bestätigt hat, sind die durch das Konklave unter-
brochenen Arbeiten an der Decke wieder aufgenommen
worden. Man ist zunächst nach einer sorgfältigen Unter-
suchung sämtlicher Gemälde im Einverständnis mit Sach-
verständigen, vor allem in Venedig und Mailand, zu der
Überzeugung gelangt, daß von irgend einer Restauration
der Fresken abgesehen werden muß. Es soll daher mit
Farben irgend welcher Art an der Decke überhaupt nicht
operiert werden. Selbst von einer Waschung der Gemälde
mußte Abstand genommen werden, da dieselbe die Ge-
samtintonation stören könnte. Es hat sich nämlich bei
genauester Untersuchung durch Fachmänner herausgestellt,
daß die Decke — wenigstens so weit wie man bis jetzt
sehen konnte — von eigentlicher Übermalung vollständig
frei geblieben ist. Nur an sehr vielen Stellen hat
man die Fresken mit einem dünnen farblosen, wahr-
scheinlich aus Eiweiß, Wasser und Essig zusammen-
gesetzten Stoff überzogen, um sie zu festigen und die
Farben vor dem Eindringen von Staub zu schützen.
Diese Art von Firnis aber könnte bei einer Waschung
schwerlich Widerstand leisten. Man wird sich deshalb,
was Reinigung anlangt, begnügen, die Gemälde abzu-
stäuben. Die Ausführung der Arbeit liegt in den
Händen eines Römers Principi und eines Marchigianers
Cingolani unter der ständigen Aufsicht des Professors
Seitz, der vor Jahren schon die weit schwierigere Restau-
ration des Appartamento Borgia mit Erfolg ausgeführt hat.
Sie beschränkt sich im wesentlichen auf die Ausfüllung
neuer Risse, Festigung der alten durch feine eiserne Klam-
mern und Neubefestigung des Freskobewurfes, wo dieser
abzufallen droht. Für die letztere Operation ist nach mehr-
fachen Experimenten Puzzolanerde mit Kalk als das beste
Bindemittel gewählt worden. In nächster Nähe macht
man überdies die erfreuliche Beobachtung, daß die größeren
Risse und Beschädigungen fast alle außerhalb der Gemälde
liegen, die durch die wunderbare Technik Michelangelos
der zerstörenden Zeit größte Widerstandsfähigkeit entgegen-
setzen konnten. Häufig folgen die Risse auch dem Rande
im Mauerbewurf, der jedes Tagewerk Michelangelos um-
gibt. Diese aber, indem sie die Körperformen wie eine
Umrißzeichnung umgeben, fallen natürlich wenig auf und
haben auch wenig zu bedeuten. Hände und Gesichter wer-
den daher völlig unberührt bleiben können; nur bei der
Schöpfung Adams droht aus dem Bart Gottvaters ein
großes Mauerstück herauszufallen, und da er lose im In-
tonaco sitzt, wird er herausgenommen und an das alte
Gemäuer mit Puzzolan und Kalk befestigt werden müssen.
Die starken Risse in den beiden Eckzwickeln, Judith und
David, und ebenso die ganze Umgebung des Zaccharias

sind zuerst befestigt worden. Eben wurde der Erhaltungs-
zustand der beiden ersten »Ignudi« untersucht. Auch hier
genügte es, einige Mauerstücke der Architektur zu festigen
und einige Klammern anzubringen. Die Delphica ist dank
der Maltechnik Michelangelos völlig intakt, nur der
Kopf erscheint durch den oben erwähnten firnisartigen
Überzug leicht verschleiert. In nächster Zeit wird die
Arbeit an einer besonders gefährlichen Stelle, nämlich dort
beginnen, wo die Pulverexplosion des Jahres 1798 einen
der Ignudi fast zerstörte und die Historie der Trunkenheit
Noahs aufs schwerste beschädigte. Hier wurden damals
die beschädigten Stellen in rohester Weise ausgebessert,
und die brüchigen Mauerstücke mit Klammern und breit-
köpfigen Nägeln plump befestigt. — Wie sehr auch Pius X.
wünschen mag, die Palastkapelle dem Kultus zurückgegeben
zu sehen — es werden viele Monate, ja vielleicht Jahre
vergehen, ehe die mühevolle Arbeit ganz vollendet sein
kann; aber man hofft doch schon das riesige Gerüst im
Laufe des Sommers aus dem Laienraum in das Presbyte-
rium zu übertragen. e. St.

SAMMLUNGEN

Rom. Villa Borghese. Der Gemäldebestand der Ga-
lerie ist durch eine besonders erfreuliche Neuerwerbung
vermehrt worden. Professor Piancastelli kaufte in Neapel
ein entzückendes, wohl erhaltenes Madonnenbildchen des
Simone Martini für einen verhältnismäßig geringen Preis.
Binnen kurzem wird das Gemälde, an dem man zurzeit
noch den Rahmen restauriert, öffentlich ausgestellt werden.

e. St.

Mailand. Galerie Crespi. Eine selten schöne Er-
werbung hat vor kurzem Benigno Crespi, der bekannte
Besitzer der schönsten Privatgalerie Mailands gemacht.
Es ist das Brustbild einer Madonna mit dem Kinde in
Überlebensgröße. Maria hält das Kind fest an ihre Brust
gedrückt, und die Köpfe der beiden berühren sich so nah,
daß der Kopfschleier der Mutter auch über den Kleinen
herabfällt. Weder Maria noch das Kind tragen einen
Nimbus. Besonders packend aber ist der Kontrast zwischen
der träumerischen Melancholie derMutter und der lächelnden
Fröhlichkeit des kräftigen, wunderbar plastisch modellierten
Knaben. Es gibt vielleicht in der ganzen Kunst der
italienischen Renaissance kein so harmlos glückliches Jesus-
kind wie dieses hier. Das Gemälde ist höchstwahrschein-
lich in Florenz im ersten Jahrzehnt des Cinquecento ge-
malt worden. Das klassische Profil der Madonna erinnert
an Donatello. Von besonderer Schönheit sind auch die
Hände Marias, die in der starken Betonung der Knöchel
auf Michelangelo weisen. Bei dem hohen ethischen und
künstlerischen Wert dieses Gemäldes ist zu hoffen, daß
die Feststellung des Meisters bald gelingen wird. Soweit
ich aus der Photographie sehe, die mir Herr Commendatore
Crespi gütigst zur Verfügung stellte, läßt die Erhaltung
des Bildes mancherlei zu wünschen übrig. e. St.

Reichenberg, Galerie Liebig. Unter den Gemälden,
die der Stadt durch das Legat des Barons H. von Liebieg
zufallen, dürften die wertvollsten sein: Meissonier, Wache;
Diaz, Gewitterlandschaft; Leibi, Mädchenkopf; Knaus,
Nacktes Baby; Klaus Meyer, Lesender Knabe; Alb. Keller,
Wyk auf Föhr und Mädchen, einen Wildschweinskopf
tragend; Defregger, Mädchenkopf; Gabr. Max, Verblüht
und Mädchen am Spinett; ferner zahlreiche Gemälde von
Ed. Charlemont, Pettenkofen und gegen vierzig Aquarelle,
Gouachen, Pastelle und Zeichnungen von Jettel, L'Hermitte,
Rudolf und Jakob Alt, Rumpier und anderen. Sonstige
wertvolle Gemälde der ursprünglichen Sammlung wie Die
zwei Freunde und ferner Die Dame in Schwarz von Leibi,
 
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