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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0230

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443

Sammlungen - Vermischtes

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Handarbeit, viele derselben sind verkäuflich, es können
auch Bestellungen auf Stücke bestimmter Größe und Farbe
angenommen werden. — Ferner sind ausgestellt Spindel-
Guipure-Arbeitcn. Die Arbeiten beruhen auf einer eigen-
tümlichen Technik, in welcher spanische, in unseren Samm-
lungen wohlbekannte Spitzen hergestellt wurden. Diese
Spitzen bilden rosettenartige, dem Spinnennetz verwandte
Muster von großer Feinheit und Mannigfaltigkeit. Die
Technik hatte sich im 17. Jahrhundert in die spanischen
Kolonien nach Südamerika, auch nach Teneriffa, über-
tragen und ist dort als Hausgewerbe lebendig geblieben.
Der moderne Handel hat die Frauen in Brasilien und
anderen Orten für europäischen Bedarf arbeiten gelehrt;
die sehr billigen Stücke kommen jetzt vielfach zu uns.
Nun hat Frau von Renihe-Fink in Jena an Stelle eines
mit Stecknadeln hergerichteten Spitzenkissens einen ein-
fachen sehr sinnreichen Spinndelapparat konstruiert, so
daß man die Spitzen in jedem Material und in jeder Form
herstellen und zum Ausputz von Kleidungsstücken und
Möbeln verwenden kann. Die Ausstellung im Kunst-
gewerbemuseum zeigt sehr mannigfaltige Proben der
Technik und auch den einfachen Apparat im Betrieb. Es
wird mit der Ausstellung nur beabsichtigt, unsere Frauen-
welt auf das Werkzeug aufmerksam zu machen, welches
— in beschränkten Grenzen — eine große Zahl von zier-
lichen Arbeiten ermöglicht.

SAMMLUNGEN
Der Stadt Wien hat Fürst Johannes Liechtenstein wieder
ein neues wertvolles Geschenk gemacht; diesmal ein für
die Geschichte der Stadt sehr interessantes gutes Gemälde.
Dargestellt ist der Einzug einer Gesandtschaft in die Stadt
Wien, angeblich der französischen Gesandtschaft, welche
Marie Antoinette als Braut Ludwigs XVI. nach Paris ge-
leiten sollte. Eine stattliche Reihe prächtiger Rokoko-
equipagen mit Insassen in goldstrotzenden Uniformen be-
wegt sich inmitten zahlreicher Zuschauer durch die Be-
festigung des alten Ringes nach der Altstadt. Der künst-
lerische Wert des Bildes, das von der Hand irgend eines
Wiener Lokalmalers des 18. Jahrhunderts herzurühren
scheint, ist ein sehr mäßiger; der eigentliche Wert liegt
in dem historischen Moment, der darin geschildert ist, und
vor allem in der treuen Darstellung des alten Wien, in
dem jeder wichtigere Bau in der Altstadt wie in den Vor-
städten mit großer Sorgfalt abkonterfeit ist.

VERMISCHTES
Rom. Sixtinische Kapeile. Unter dem Vorsitz des
Maggiordomo S. H. Monsignor Cagiano de Azevedo trat
am 24. Mai in der Sixtinischen Kapelle die Kommission
zusammen, welche die Ausführung der Restaurationsarbeiten
an den Fresken zu überwachen hat. Zunächst erstattete
Professor Seitz Bericht über die technischen Mittel, welche
angewandt worden waren, den Bestand der Gemälde zu
sichern. Er betonte, daß an dem prinzipiellen Standpunkte
festgehalten worden sei, nichts anderes vorzunehmen, als
die Risse auszufüllen und die Verbindung des Intonaco
mit der Wölbung an bedrohlichen Stellen neu zu festigen.
Dies Verfahren wurde bereits auf die beiden Eckzwickel
über dem Eingang, den Zacharias, die Trunkenheit Noahs
und die Sündflut angewandt, ohne daß im einzelnen oder
am Gesamteindruck irgend etwas verändert worden wäre.
Wo die Risse außerdem schon früher durch eine Mischung
von Wachs und Pech ausgefüllt worden waren, ließ
man diese Füllung völlig unberührt, und suchte überdies
an besonders schadhaften Stellen weiterer Zerstörung durch
Anbringung kupferner — nicht wie früher gesagt wurde
eiserner — Klammern vorzubeugen. Mit dem Bindemittel

von Kalk und Puzzolanerde erklärte sich Professor Boni
nach mehrfachen, in Venedig angestellten Experimenten
ausdrücklich einverstanden, und ihm schlössen sich die
übrigen Mitglieder der Kommission an. Im weiteren Ver-
lauf der Verhandlungen tauschten dann die Mitglieder der
Kommission ihre Beobachtungen aus, welche sie an Ort
und Stelle auf dem Gerüst an den Fresken gemacht hatten.
Besonders beachtenswert ist der dünne, wahrscheinlich aus
Eiweis hergestellte Firnis, der fast alle Figuren der Decke
gleichmäßig überzieht, aber oft mit seltsamer Flüchtigkeit
und Freilassen größerer und kleinerer Flächen aufgetragen
ist. Blickt man oben an dem Deckengewölbe entlang, so
erhält man von sämtlichen Figuren den Eindruck wie von
dunklen Schatten, welche über die ganz weiß gebliebene,
nur von architektonischem Rahmenwerk gegliederte Fläche
dahinhuschen. Obgleich dieser Firnis im Laufe der Jahr-
hunderte stark nachgedunkelt ist, so stört er aber den Ge-
samteindruck durchaus nicht; im Gegenteil, wenn man
sieht wie viel schlechter z. B. beim Sündenfall die unbe-
rührten Stellen erhalten sind, so möchte man sagen, daß
eben dieser Firnis das Zersetzen der Farben verhütet hat,
die er zugleich vor dem Eindringen des Staubes schützte.
Weiter ist am Opfer Noahs eine größere, sehr alte und
sehr geschickt ausgeführte Restauration zu verzeichnen, die
bis heute unerkannt geblieben ist. Diese Restauration
umfaßt beinahe vollständig die beiden Figuren links über
dem Feuerbläser, also die lorbeergekrönte Frau, welche
die Eingeweide in Empfang nimmt, und den Jüngling da-
neben, welcher den Widder herbeizerrt. Völlig erneuert
wurden hier die Oberkörper beider Figuren, vom Lorbeer-
kranz oben bis unter den Hals des Widders einerseits,
von der Schulter des Jünglings andererseits bis zu einer
Linie, welche seinen Oberschenkel und den Arm der hin-
teren Figur in der Mitte durchschneidet. Nicht weniger
als acht große und mehrere kleine Nägel wurden einge-
schlagen, um den neuen, sehr viel höher liegenden Intonaco
zu festigen, der auch eine rauhere Oberfläche hat als der
alte. In der Nähe gibt sich die fremde Hand auch durch
die geringere Technik zu erkennen, vor allem durch die
mangelhafte Modellierung und die groben, niemals aus-
gemalten Umrißlinien.

Die Kommission bat dann weiter den Vorsitzenden,
dem Papst den einstimmigen Wunsch zu übermitteln, daß
bis auf weiteres von allen Funktionen in der Sixtina ab-
gesehen werde, damit der Fortgang der schwierigen und
verantwortungsvollen Arbeit nicht gestört werde. Professor
Seitz glaubte versichern zu können, daß die Ausführung
der ganzen Arbeit die Dauer eines Jahres von jetzt ab
kaum übersteigen werde. Schon in nächster Zeit kann
das Gerüst aus dem Laienraume ins Presbyterium über-
führt werden. Weiter wurde der Wert eines möglichst
eingehend zu führenden Diariums über jedes Tagewerk
betont, wie es in der Tat bereits von Anfang an geführt
worden ist. Alle Beobachtungen künstlerischer oder kunst-
historischer Natur, soweit sie die Mitglieder der Kommis-
sion und die ausführenden Techniker im Laufe der Ar-
beiten machen würden, sollten in dem Diarium nieder-
gelegt werden. Endlich wurde die weitere Instandhaltung
der Kapelle und ihrer Gemälde erörtert und konstatiert,
daß es durchaus geboten sei, in dieser Hinsicht mehr zu
tun, als bisher getan worden sei. Es wurde darauf hin-
gewiesen, daß Paul III. den berühmten Diener Michel-
angelos mit einem besonderen Gehalt als Wächter und
Reiniger der Gemälde seines Meisters angestellt habe. Es
wurde beschlossen, einen modernen Reinigungsapparat
auf seinen Wert hin zu prüfen, und gegebenen Falles bei
einer Generalreinigung, vor allem der Wandgemälde, zu
verwenden. Das nächste Zusamentreten der Kommission
 
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