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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Schmidt, Karl Eugen: St. Louiser Ausstellungsbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0256

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St. Louiser, Ausstellungsbrief

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Abteilung mit allem Unverstand eingerichtet wurde,
womit man je ein Land regiert hat.

Der Mann, der das für Frankreich zu besorgen
hatte, versteht entweder nicht das mindeste von Kunst,
oder er hat sich aus persönlichen Gründen zur Auf-
nahme einer Unmenge schlechter und mittelmäßiger
Sachen verstanden. Und beim Einrichten der Räume
wie beim Hängen der Bilder ist es dann ganz greu-
lich zugegangen. Doch darüber werde ich später
noch etwas eingehender berichten. Hier sei nur er-
wähnt, daß in dem großen Garten des französischen
Hauses dreizehn Skulpturen von ebensovielen Bild-
hauern stehen. Für jeden, der auch nur die oberfläch-
lichste Kenntnis von der gegenwärtigen französischen
Plastik hat, wird die Namenliste der hier vertretenen
Künstler genügen, um eine Idee von der Art zu erhalten,
wie die Franzosen ihre Kunstausstellung arrangiert
haben. Vertreten sind hier außer dem bekannten
Tierbildner Gardet und dem ebenfalls geschätzten
Hippolyt Lefebvre die Herren Perron, Varenne, Mühlen-
beck, Laoust, Mathet, Mengue, Bareau und die Damen
Brach, Debienne, Moris und Demagnez, außer Bareau,
der den Viktor Hugo für die Stadt Paris geschaffen
hat, lauter unbekannte Leute, die ihre Unbekanntheit
verdienen.

Die Engländer haben in ihrem Nationalhause
eine Reihe Zimmer mit neuen Kopien alter Möbel
eingerichtet. Irgend ein moderner frischer Zug ist
hier nicht zu spüren, sowenig wie im deutschen
Hause. Die Belgier haben zwei oder drei alte und
ebensoviele moderne Zimmer eingerichtet, ohne daß
dabei irgend etwas Bemerkenswertes herausgekommen
wäre. Die Japaner, die in Paris eine so herrliche
Ausstellung gemacht hatten, beschränken sich hier
wie die Chinesen auf das Vorführen von billiger
Marktware, und die Italiener haben in ihrem National-
hause eine Art Ruhmeshalle eingerichtet, die den
ganzen Bau einnimmt und in ihrer gänzlichen Leere
sehr an das römische Pantheon erinnert. Von den
Holländern, deren kleines Häuschen eine alte hollän-
dische Stube mit wirklich altem Hausrat an ge-
schnitzten Möbeln, Delfter Geschirr u. s. w. enthält,
ist als Merkwürdigkeit zu berichten, daß sie sich
schon sehr amerikanisiert haben, um die ebenfalls in
ihrem Hause gezeigte Kopie der Rembrandtschen
Nachtwache rühmend »als das größte Bild in der
Weltausstellung« anzuzeigen.

Von allen Nationalhäusern ist das österreichische
bei weitem das interessanteste, außen wie innen.
Die Fassade ähnelt etwas dem Hause der Wiener
Sezession, denn obgleich die Sezession als solche
überhaupt nicht ausstellt, ist ihr Einfluß hier doch
allenthalben zu spüren, und sowohl der Architekt
Baumann wie die raumschmückenden Künstler, denen
die Einrichtung im Innern und die Bemalung der
Außenwände zu danken ist, sind Sezessionisten im
besten Sinne des Wortes, also moderne Künstler,
welche die Ergebnisse älterer Kunstrichtungen modern
auszubauen und anzuwenden verstehen. Österreich
hat seine bildende Kunst im Nationalhause unter-
gebracht, und selbstverständlich überließ man den

Künstlern die Gestaltung ihrer Räume. Außer drei
Empfangssälen, die man zuerst betritt und die von
dem Wiener Hoflieferanten Sandor Jaray sehr ge-
schmackvoll eingerichtet sind, und drei weiteren
Sälen, die dem Eisenbahnministerium übergeben sind,
enthält der Bau sieben Räume für Kunstgewerbe
und Kunst.

In den Empfangsräumen sind allerlei kostbare
Hölzer, Onyx, irisierendes Glas mit dem Fußboden-
belag in reiche Harmonie gebracht. Der größte
Raum, den man nach dem Durchschreiten der Kanal-
und Eisenbahnausstellung betritt, enthält die Aus-
stellung sämtlicher österreichischen Fachschulen und
wird durch einen mächtigen Kamin mit weit vor-
springenden Armen aus graugrün gebeiztem Eichen-
holz gegliedert. Alle Schränke, Tische und Sitze
sind aus dem nämlichen Holze, mit dem ein loden-
farbiger Teppich sehr gut zusammengeht. Links
gelangt man aus diesem Räume zu den Polen, weiter-
hin zu den Tschechen. Der polnische Saal ist der
am wenigsten vornehm und distinguiert eingerichtete.
Die vier großen Entwürfe zu Kirchenfenstern von
Mehoffer, welche die Ecken ausfüllen, geben ihm
etwas Buntes, das von den olivengrünen Wänden
und dem blaugrauen Teppich nicht herabgestimmt
wird. Mehoffers schon in Paris gesehene Tänzerin
und einige bekannte Arbeiten von Falat sind die
bemerkenswertesten Gemälde, die hier gezeigt werden.
Bei den Tschechen gibt das schwarze Ebenholz der
Türrahmen und Wandleisten, denen hier und da Or-
namente von weißem Ahorn eingelegt sind, den Ton
an. Die Wände sind mausgrau, die Möbel aus
Ebenholz, der Tür gegenüber wird die Mitte der
Wand durch einen Brunnen aus schwarzem Marmor
eingenommen. Das Ganze ist überaus würdig, ruhig
und vornehm. Der Bauernmaler Uprka, der selbst
als Bauer unter seinen Modellen lebt, der in Paris
wohnende Kupka, dessen phantastische Ideen dem
größeren Publikum aus der Assiette au Beurre be-
kannt sind, der an Richter und Schwind erinnernde
Märchenillustrator Alesch, Swabinsky, Preisler und
Simon vertreten hier die tschechische Kunst sehr gut
und würdig.

Im rechten Flügel sind die Wiener. Der Saal
des Hagenbundes ist wie der tschechische außer-
ordentlich schön eingerichtet. Im Ganzen waltet eine
Harmonie von stahlblau und kupferrot vor. Zu den
Möbeln und dem Holzwerk an den Wänden ist
wieder schwarzes Ebenholz verwandt, die Türpfosten
sind mit schönen getriebenen Kupferreliefs von Stunol
verziert. Hampel, Konopa, Germela sind die am
besten vertretenen Künstler. Bei der älteren Genossen-
schaft geht das zu den Sockeln u. s. w. benutzte graue
Eschenholz sehr hübsch mit dem meergrünen Wand-
behang zusammen, und hier wie in allen diesen
Räumen macht sich das sezessionistische Bestreben
nach geschmackvoller Ausgestaltung des Raumes sehr
angenehm bemerklich.

Endlich sind zwei kleine Räume hinter dem Fach-
schulensaale den Kunstgewerbeschulen von Wien und
Prag übergeben worden, und aus dem einen dieser
 
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