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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Schmidt, Karl Eugen: Die amerikanische Kunst auf der St. Louiser Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0290

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Die amerikanische Kunst auf der St. Louiser Ausstellung

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Zwecke der Gemäldegalerie verloren. Die amerika-
nischen Architekten haben also dieses Museum sehr
zweckmäßig eingerichtet. Innen ist der Bau dreifach
gegliedert, und diese Gliederung ist außen durch das
höhere Giebeldach des Mittelbaues angezeigt. In dem
mittleren hohen Räume sind die Skulpturen unterge-
bracht, rechts und links davon liegen die Bildersäle,
und zwar je ein großer Saal in der Mitte, umgeben
von kleineren Räumen. Vier Türen führen in den
Bau: das Hauptportal ist der Festhalle und dem Ab-
hänge zugewandt, bringt den Eintretenden in die
Skulpturenhalle und beim geraden Durchschreiten der-
selben an die hintere Tür, die sich auf die dem Park
zugekehrten Gärten öffnet. An jeder der beiden anderen
Fassaden des Rechtecks führt eine Tür zunächst in
eine Vorhalle und dann in einen der beiden erwähnten
großen Bildersäle, während man nach rechts und links
in die kleineren Räume gelangt.

Die gegenwärtige Ausstattung der Räume ist zwar
nicht so festlich und schön wie die der deutschen,
schwedischen und holländischen Abteilungen, sondern
ähnelt eher der französischen Einrichtung, aber man
hat sich doch nicht auf die Ochsenblutfarbe der Wände
beschränkt, sondern in den verschiedenen Sälen die Far-
ben abwechseln lassen, wodurch sich bessere Gelegen-
heit ergab, die Bilder in wirksame und günstige Um-
gebung zu hängen. Außerdem hatten die Amerikaner
weit mehr Platz als die Franzosen und konnten des-
halb ihre Bilder in einer Reihe hängen, nur hier und
da bei kleineren Sachen eine obere Reihe anbringend,
die dann freilich nur schlecht gesehen wird. Die
Amerikaner haben rund dreitausend Nummern ausge-
stellt, etwa doppelt so viel wie die Franzosen, sie
haben aber den vierfachen Raum zur Verfügung, und
so konnten sie ihre Säle einigermaßen anständig her-
richten und alle ihre Arbeiten zur günstigen Geltung
bringen. Die Auswahl ist hier mit mehr Sorgfalt ge-
troffen als in Frankreich und es macht sich angenehm
bemerklich, daß Amerika es auch in der Beziehung
besser hat als Europa, das alte, insofern nämlich als
es hier keine alten Kunstschulen und somit auch keine
akademisch versteinerte Kunst gibt. Alle Leute, die
hier etwas können, sind frisch und modern, die anderen
sind einfach Nichtskönner. Tüchtige Leute aber, die
in die Museumskunst verrannt sind und lieber mit
den Augen der Alten als mit ihren eigenen sehen,
wie man das in allen europäischen Ländern findet,
gibt es nicht in Amerika. Infolgedessen machen die
amerikanischen Säle einen jugendlich frischen, selb-
ständigen, gesunden und modernen Eindruck.

Wenn man die Pariser Salons regelmäßig besucht,
erhält man bald eine Ahnung von der Tatsache, daß
ein großer Teil der amerikanischen Kunst in Paris ge-
macht wird. Ich für mein Teil habe vier Jahre lang
in St. Louis gelebt, und obgleich hier eine alljährliche
Kunstausstellung stattfindet, sind mir doch nie auch
nur die Namen der großen amerikanischen Maler be-
gegnet, die in Paris regelmäßig ausstellen. In New-
York, ferner auch in Philadelphia und in Boston hat
man schon eher Gelegenheit, die amerikanischen
Künstler zu studieren, aber die allerbeste Gelegenheit

wird uns in Paris geboten. Das zeigt dem Kenner
der-Pariser Ausstellungen der erste Blick, den er in
die amerikanische Abteilung auf der St. Louiser Worlds
Fair tut. Alle irgendwie aus ihrer Umgebung heraus-
fallenden Bilder hat er schon in Paris gesehen, und
er muß sehr aufmerksam suchen, wenn er etwas Neues
finden will, das des Findens wert wäre. Alles, was
hier von Sargent, Gari Melchers, Alexander, Cecilia
Beaux, von Henry Bisbing, Max Böhm, Dannat, Maurer,
Dufner, Du Mond, Frieseke, Fromuth, von fünfzig
anderen gezeigt wird, habe ich schon in Paris gesehen,
und der Europäer bemerkt sogar Lücken, die dem
Amerikaner gar nicht auffallen: Walter Gay, Alexander
Harrison, Hitchcock, Karl Marr und andere in Europa
wohlbekannte amerikanische Maler fehlen hier. Für
Whistler hätte man auch mehr tun müssen, als man
getan hat. Im Katalog steht er überhaupt nicht, aber
man hat doch nachträglich ein sehr gutes weibliches
Bildnis, das sich in Privatbesitz in Rhode Island be-
findet, zur Ausstellung erhalten, und dann haben sich
noch einige kleine Skizzen eingefunden, die in einem
kleinen Räume zusammen mit Pastellen des vortreff-
lichen Landschafters Tryon und des weniger hervor-
ragenden Dewing hängen. Ein eigener Saal für Whistler
wäre das mindeste gewesen, was Amerika bei dieser
Gelegenheit für seinen jüngst verstorbenen größten
Maler hätte tun müssen. Sargent ist mit einem seiner
besten Bildnisse erschienen, den vor zwei oder drei
Jahren in Paris gezeigten drei Schwestern Hunter.
Zwei andere männliche Bildnisse von ihm sind nicht
so charakteristisch für seine feine und starke Kunst
wie dieses große Gemälde. Von Gari Melchers sind
drei ausgezeichnete Sachen da: der junge Mann mit
dem Handschuh, die beiden kleinen holländischen
Schwestern und die Heilige Gudula. Alexander ist
mit sechs oder acht seiner feinen, mysteriösen Frauen-
gestalten erschienen. Aber es hat keinen Zweck, auf
alle diese Arbeiten, die in Europa bekannter sind
als in Amerika, des näheren einzugehen. Dann hätte
ich ebensogut auch die deutschen und französischen
Abteilungen eingehend besprechen können.

Es handelte sich für mich darum, solche ameri-
kanische Künstler ausfindig zu machen, die man in
Europa nicht kennt. Und ich fürchte, daß meine
Ausbeute da nur gering ist. In Wirklichkeit fußen
alle amerikanischen Künstler, die etwas können, in
Europa. Alle ohne Ausnahme haben drüben gelernt,
die meisten in Paris, einigein London oder in München.
Das trifft selbst bei den Leuten zu, die wir drüben
nicht kennen und die amerikanische Themen behan-
deln, die also in Amerika leben. Sehr viele, ja die
meisten amerikanischen Künstler begnügen sich ja nicht
mit dem ein- oder mehrjährigen Aufenthalte an euro-
päischen Kunstschulen, sondern sie bleiben dauernd in
Europa und denken nur mit Schrecken an eine spätere
Rückkehr in das künstlerischem Streben so wenig
zusagende Land ihrer Geburt. Unter den Leuten, die
nach Amerika zurückkehren und die wir drüben aus
den Augen verlieren, weil sie natürlich nicht mehr
in Europa ausstellen, sind doch einige, die des Kennen-
lernens sehr wert sind. Das sind einige Porträtisten
 
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