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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Schmidt, Karl Eugen: Die amerikanische Kunst auf der St. Louiser Ausstellung
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Wolff-Beckh, Bruno: Paul Thumann
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0292

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Paul Thumann

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dann bald das zitternde Silberlicht des Mondes, bald
den kalten Schein des Mittags, bald den rosigen Glanz
des Morgens oder die goldene Glut des Abends, und
immer ist er so wahr und groß, so fein und schön,
wie man es nur bei jenen großen Meistern findet,
in deren Seele die stillen Zauber der Natur verwandte
Saiten zum Klingen und Singen anschlagen.

Ich nenne noch Frank de Häven mit einer Nacht-
landschaft, ein blaugrünschwarzer Himmel mit hellen
Sternen, davor die dunklen Baummassen eines Waldes;
Georg Bogert, der in seinem am Abend im See baden-
den Mädchen wie in seinem Meeresstrande silber und
grün hell und freundlich zusammenklingen läßt; W.
Granville Smith mit einem sehr hübschen, an Boudin
erinnernden Strandbilde; Hermann Murphy mit einem
stimmungsvollen kleinen Stilleben; Morgan Mc. Ilhenny
mit ausgezeichnet gemalten weidenden Rindern, und
Belle Hävens mit einem einsamen Feldweg, an dem
eben ein Bauernkarren herabfährt.

Damit habe ich nur den kleinsten Teil der in der
amerikanischen Abteilung ausgestellten guten Arbeiten
erwähnt. Der allergrößte Teil der bemerkenswerten
Kunstwerke ist eben in Europa bekannter als hier,
und es hieße wirklich Eulen nach Athen tragen, wenn
ich davon eingehend berichten wollte. Von der Skulp-
tur ist, streng genommen, überhaupt nichts zu sagen.
So gut die Amerikaner in der Malerei abschneiden,
so mittelmäßig ist der Stand, den sie in der Plastik
behaupten. Ihre besten Bildhauer wandern gehorsam
in den ausgetretenen Pfaden der akademischen Kunst,
und von selbständigem Auftreten kann nur die Rede
sein bei einigen Künstlern, welche den Indianer, den
Büffel, den Cowboy und andere amerikanische Tiere
und Menschen für ihre Kunst heranziehen. Indessen
ist es hier vorläufig nur der Gegenstand, der neu
und eigenartig wäre. Sonst ist an diesen Arbeiten,
deren viele die Anlagen der Ausstellung schmücken,
nicht mehr bemerkenswertes als an den überaus ba-
nalen und mittelmäßigen allegorischen Frauengestalten,
die ihnen da Gesellschaft leisten.

Die Leiter der Kunstabteilung hatten den löblichen
Vorsatz, nach dem Pariser Beispiele eine retrospektive
Abteilung einzurichten. Leider scheiterte die Aus-
führung an den Schwierigkeiten, wirklich gute ältere
amerikanische Arbeiten zusammenzubringen. Schlechte
und unwichtige Sachen waren in Hülle und Fülle für
diese Abteilung angeboten, aber die künstlerisch be-
deutenden Arbeiten, worauf es der Leitung gerade
ankam, waren nicht zu erlangen. Und so zog man
vor, das Unternehmen lieber gar nicht als schlecht aus-
zuführen. Wir haben also hier keine Gelegenheit,
den Werdegang der amerikanischen Kunst zu verfolgen,
was immerhin zu bedauern ist, obschon wir wahr-
scheinlich keine neuen Aufschlüsse erhalten hätten.
Wenigstens die gegenwärtige amerikanische Kunst ist
nicht auf amerikanischem Boden entstanden, und ich
glaube nicht, daß man auf amerikanischem Boden
wichtige Aufschlüsse über ihre Entwickelung finden
kann. Diese Aufschlüsse scheinen im Gegenteil ganz
in Europa zu stecken, zum Teil in London, München
und Rom, in der maßgebenden Hauptsache aber in

Paris, und hier erfährt man mehr von der amerika-
nischen Kunst als in irgend einer amerikanischen Stadt,
New-York, den Mittelpunkt der amerikanischen Kunst-
bestrebungen, kaum ausgenommen.

KARL EUGEN SCHMIDT.

PAUL THUMANN

In den ersten Tagen des nächsten Monats begeht
Paul Thumann seinen siebzigsten Geburtstag. Geboren in
Groß-Tzschacksdorf in der Lausitz am 5. Oktober 1834, als
Sohn des damaligen Lehrers der dortigen Dorfschule, ver-
lebte er seine Kindheit vom fünften Jahre ab in dem Städt-
chen Pforten, wo sein Vater die Kantor- und Organisten-
stelle erhalten hatte. Schon frühzeitig machte sich seine
Begabung zum Zeichnen bemerklich und wurde von dem
Vater, der selber viel Geschick für Porträts in Pastell besaß,
gefördert und entwickelt. Von jeher wollte der Knabe
Maler werden und griff jede künstlerische Anregung, die
sich ihm bot, begierig auf; namentlich begeisterten ihn die
Werke Ludwig Richters, von denen er gute Kopien in
Pforten zu sehen bekam.

Nach der Beendigung der Schulzeit und dem Genuß
privaten Gymnasialunterrichts trat er im fünfzehnten Lebens-
jahre als Lehrling in das berühmte kartographische Institut
von Karl Flemming in Glogau ein, um ein sicheres Brot
zu erlangen. Als geschickter Lithograph und Topograph
erübrigte er in vier Jahren einen kleinen Betrag, mit dem
er die Berliner Akademie beziehen und als Studierender
bei Holbein eintreten konnte. Seinen Lebensunterhalt er-
warb er sich daneben durch fleißiges Lithographieren und
Illustrieren, wie auch Adolf von Menzel vor ihm und
Anton von Werner bald nach ihm es getan haben. Von
Berlin ging er nach Dresden und wurde Schüler Julius
Hübners. Jedoch verdankte er mehr Belehrung den Kunst-
sammlungen und dem eigenen Studium des Großstadt-
lebens als seinen Lehrern, die mehr nur allgemein künst-
lerisch auf ihn einwirkten, ihm aber im einzelnen das nicht
zu geben vermochten, dessen er bedurfte. In Dresden
fand Thumann neben dem fördernden Verkehr mit seinem
übrigens hochgebildeten Lehrer Julius Hübner besonders
reiche Anregung durch den dort wirkenden Pauwels, den
er sich zum Freunde gewann, nnd auch durch persönliche
Berührung mit Ludwig Richter.

Thumanns erstes Bild, eine hl. Hedwig für die Kirche
in Liegnitz, entstand schon 1855 in Dresden. Jedoch stützte
er sich auch in den fünf Jahren, die er in Elbflorenz ver-
lebte, noch auf den Ertrag aus lithographischen Arbeiten.
Im Jahre 1859 ging er sogar noch einmal auf einige Wochen
zu Karl Flemming nach Glogau und entwarf dort in an-
gestrengter Arbeit von morgens 4 Uhr bis zu Sonnen-
untergang die Bergzeichnung für eine Karte von Mittel-
deutschland.

Bald darauf, im Jahre 1860, vermählte er sich mit einer
jungen Engländerin von altem Adel, in deren Familie die
Liebe zur Kunst eine schöne Überlieferung ist und von
jeher als Ehrenpflicht gilt. Da Thumann bei Ernst Keil
eine feste Anstellung als Zeichner für die »Gartenlaube«
fand, so siedelte das junge Paar nach Leipzig über. In
der Illustration von Berthold Auerbachs Kalender bot sich
dem Künstler dort die erste große selbständige Aufgabe
auf dem Gebiete, auf welchem er bald der Liebling des
gesamten kunstverständigen Deutschlands werden sollte.
Einige Ausflüge, die in der Hauptsache Vergnügungs-
zwecken gewidmet waren, führten ihn gelegentlich nach
Ungarn und Siebenbürgen. Sein Familienglück erhielt
bald eine noch weitere Befestigung durch die Geburt
einer Tochter, die heute als Frau ein von wahrer Lebens-
 
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