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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,2.1909

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Heft 8 (2. Januarheft 1909)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8815#0098
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entsetzet sich mächtiglich, und macht es wie alle anderen, klappet die
Pferde an, so fast scheu worden, und fnr Angst den Mist gelassen und
beginnet mit großem Rumor über den Knüppeldamm zu jagen. Hier--
zwischen bemerkt aber der Iunker beim Mondenschein, daß der Spök
eincn Pfcrdeapfel, über welchen er rennet, breit tritt, und nimmt sogleich
bei sich ab, daß solches kein Gespcnst sei. Rufet dannenhero den Fuhr-
mann, er sölle halten, und da dieser nit anf ihn höret, springet er von
dem Wagen, zeucht seinen Stoßdegen, und eilt dem Spök auf den Leib.
Als der Spök solches gewahr wird, will er umbkehren, aber dcr Iunker
schlägt ihne mit der Faust in das Genicke, daß er gleich zur Erden stürzet
und ein laut Gejünse* erhebt. Summa: nachdem der Iun?er seinen
Fuhrknecht gerufen, bringt er den Spök bald darauf wieder in die
Stadt geschleppt und ergab es sich, daß selbiger ein Schuster war, Namens
Schwelm. (Dicsem Schelm hat dcr Teufel recht das W eingeflicket! —)
So bin ich auch bei dem großen Auflauf mit mehren hinzugctreten, und
habe den Kerl gesehen. Er zitterte, wie das Blatt einer Espen, und als
man ihm hart zurcdete: er sölle freiwillig bekennen, maßen er dann
vielleicht scin Leben retten könne, so es sich anders fände, daß er niemand
nit erwürget, bekannte er auch: daß er sich habe durch sein Weib ein
arm Sündcrkleid nähcn lassen, solches angethan und sich zur Nacht und
insonderheit, wann er in Erfahrung gebracht, daß ein Wagen in der
Stadt sei, so nacher Wolgast wölle, vor dem Kerl auf das Nad gesetzet,
wo cs dann in der Tunkelheit und der Ferne nit zu sehen gewest, daß
sie selbander dorten gesessen. Wäre nun ein Wagen angekommen, und
er herabgesprungen und hinten nach geloffen, hätte sich alles sogleich
entsetzct und sein Augenmerk nit mehr auf den Galgen, sondern blos
auf ihn gehabt, forts die Pferde angeschlagen und mit großem Numor
und Gepolter über den Knüppeldamm gekutschiret. Solches hättcn aber
seine Gesellen in Strellin und Dammbecke gehöret, (zwo Dörfer, so fast
drei Piertel Wegs entfernt seind) und sich fertig erhalten, den Reisenden,
wenn sie nachgehends bis dahin gelanget, die Pferde abzuspannen und
selbige zu plündern. Als man nachgehends den Kerl begraben, hätte cr
seinen Spök noch leichter gehabt ckc. Dieses alles wäre die reine Wahr--
heit, und hätte er selbsten in seinem Leben niemand etwas abgcnommcn,
noch ihn erwürget, dahcro man ihm verzeihen wölle, dieweil er ganz
unschuldig sei, und alles was an Raub und Mord fürgefallen, seine
Gesellen allein verübet hätten. Ei du feiner Schelm, aber dcr Teufel
hat dir das W nit umbsonst eingeflicket! Denn wie ich nachmals er--
fahren, ist er sammt seinen Gesellen, wie billig, wieder aufs Rad gestoßen.

IZ

fEs folgt das Kapitel, in dem dcr Verdacht gegen des Pastors Töchter--
lein, ungcachtct ihrer hohen Ehrung durch den anlangenden schwedischen
König, sich im Dorfc verdichtct, indem ihre Guttaten ins Gegenteil aus--
gclcgt werden. Dcr Hcxenwahn, von dem lüsternen Amtshauptmann
mit Hilfe dcr alten Lise Kolken kunstvoll genährt, geht um wie eine
anstcckende Krankheit.^

unmehro aber nahm meine Noth von Tage zu Tage zu, angesehen
dcr Teufel bald so lustig wurde, wie er nie nicht gewesen. Gläubete

N

* Gcwimmer

2. Ianuarhcft (AOA

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