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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,2.1909

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Heft 12 (2. Märzheft 1909)
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8815#0440
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Unsre Bilder und Noten

Bild von P h. O. Runge, das diesem Hefte vorgesetzt ist (wie
/in klcinerer Ausführung auch dem Dürerbundbuche „Am Lebens--
quell"), ist ein Ausschnitt aus dem größeren Bilde „Der Morgen',
und bei weitem scin schönster, eigentlich auch ganz selbständiger Teil. Der
Worte braucht es nicht. Nur selten einmal gelingt der Bildnerkunst
mit uaturalistischen Formcn ein so überzeugendes Aussprechen eines
vom Gefühl durchwärmten Gedankcns, einer Idee.

Rudolf Siecks schönes Frühlingsbild läuft der Zeit voraus, aber
das tut unsre Sehnsucht nach diesem schier „ewigen" Winter ja mit
besonderem Drängen auch. So haben wir die rechte Stimmung, uns
in all das Bchagen da „einzufühlen" — mir ist's, als könnt ich mich
jetzt selbst in die Gockel versetzen, welche dort die vier roten Pünktchen
der Kontrastfarbe gefällig durchs Bild tragcn. Ein einfaches Mittel,
aber allein würd es auch nicht genügen, um all das Grün zu beleben.
Ls gab eine Zeit, da hielt man's für „nralcrisch unmöglich", so viel
„Spinat" zu malen und goß deshalb eine asphaltige Sauce drauf. Ietzt
hat sich unsre Kunst und hat sich unser Sehen geändert. Bctrachtet man
sich Siecks Bild näher, so erkcnnt man aber, aus welcher Mannig--
faltigkeit von Tönen und (man bcachte den Blütenvordergrund)
auch von Linzelheiten dieses reiche summende Lebcn hervorgeht, das trotz
des Vorherrschens der einen Maifarbe kein Gefühl von Eintönigkeit
aufkommen läßt.

llnd nun trcten wir in den Tempel ein zu Klingers Brahmsdenkmal!
Ich unterlasse mit voller Absicht, ein Bild des ganzen Werkes zu
geben, denn alle Photographien, die bis jetzt vorliegen, vermitteln davon
nur einen Eindruck, der mehr stört als fördert. Ich bitte dcn Beitrag
in dcr Rundschau nachzulescn. Die erste Gestalt, die wir zeigen, die
mit dem zurückgebogenen Haupt, ist jene, um deren tzüfte die noch halb
schlafeirde Mannesgestalt am Boden den Arm geschlungen hat, ist das
Weib, ich möchte sagen: die Weibesseele mit den tiefen Träumcn cines
Leids, das jetzt vom Tönen der Welt emporgehoben wird. Die andre
ist jene bewunderte Mädchcngestalt, die man als das Volkslied be°
zeichnen könnte, wenn nicht allcs begrifsliche Festlegen hier vom Abel
wäre. —

Unsre beiden Illustrationsbeilagcn, die, welche „Ta f cl si l b e r", und

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