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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,2.1910

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Heft 8 (2. Januarheft 1910)
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Berg, ...: Groß-Berlin: Gesichtspunkte für die Beurteilung des Wettbewerbs Groß-Berlin und seine Bedeutung für die Entwicklung des modernen Städtebaus überhaupt
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https://doi.org/10.11588/diglit.9023#0105
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Südosten: Köpenick und Grünau. Diese drei Richtungeu geben die
Zielpunkte der nächsten Entwicklung an. Dazwischen schieben sich
drei große landwirtschaftliche Zungen, deren Mittellinien gebildet wer-
den im Westen durch die Bahnlinie Stendal, im Nordosten durch die
Wriezener und im Süden durch die Zossener Linie. Es liegt nun nahe,
die große im Westen gelegene landwirtschaftliche Zunge mit dem
Döberitzer Truppenübungsplatz zu dessen Erweiterung von der
Bebauung freizuhalten, und man wird auch zweckmäßig den größten
Teil der Berliner Garnison nach Spandau verlegen. Dadurch, daß
man dann ferner auch die nordöstliche und südliche landwirtfchaft--
liche Zunge für gärtnerische und landwirtschaftliche Benutzung frei--
hält, und durch geschickte Anlage von Schnellbahnen die Bebauung
nach den drei Bebauungszungen Potsdam, Spandau, Köpenick hin--
zieht, erreicht man eine Gestaltung Groß-Berlins, die einer Durch?-
lüftung von allen Seiten günstig ist und zugleich zukünftiger städte-
baulicher Entwicklung Raum gibt.

Verkehrsfragen

Zweifellos ist eine großzügige Lösung des Verkehrsproblems der
Großstadt nur durch Scherls neues Schnellbahnsystem mög-
lich, da es das einzige ist, das — ohne Rücksicht auf vorhandene Straßen
urü> Bebauung nehmen zu müssen — die Verkehrsfragen lediglich
vom Standpunkt der Zweckmäßigkeit und Schnelligkeit behandelt. Auch
die Wirtschaftlichkeit wird nicht mehr umstritten werden, wenn man
die Anlage auf der gerechtfertigten Auffassung gründet, daß der Bahn-
anlage in durchaus billiger Weise auch ein Teil des durch sie ent-
standenen Grund- und Bodenwertes zugute zu kommen hat. Ferner:
wenn man mit dem Grundsatz bricht, „erst die Bebauung, dann der
Verkehr", sondern vielmehr die Anlagen der Schnellbahnen der Aus-
bildung eines systematischen Städtebaues zugrunde legt. Die Strahlen-
bahnen des Scherlschen Systems werden das Rückgrat der weiteren
Bebauung bilden. Die tzaltestellen dieser Strahlenbahnen bilden
wieder die Zielpunkte von Verkehrslinien zweiter Ordnung (Eür-
schnittbahnen, Straßenbahnen und dergleichen). Die Bebauung von
Berlin wird nicht mehr konzentrisch sich zusammenpressend, sondern
strahlenförmig sich auseinanderziehend vor sich gehen, in Richtung
und parallel zu den großen Schnellbahnstrahlen, durchdrungen und
umfaßt von Wäldern und Feldern. Der bereits ungeregelt vorhandene
Ansatz der strahlenförmigen baulichen Entwicklung hat der Keim der
systematischen Weiterbildung zu werden. Die Strahlenbahnen
Scherls sind in dem Plan mit der Umänderung eingetragen, daß
eine durch die drei Bebauungszungen laufende Schleife angenommen
ist, die einen fortlaufenden paternosterartigen Verkehr ohne Anwen-
dung von Weichen ermöglicht.

Die Arbeitsstadt

Citybildung

Mit dem Anwachsen von Groß-Berlin wächst im Innern der City
sowohl der Verkehr, wie auch der Umfang der Lity selbst, der Ge-
schäftsstadt. Gewiß werden innerhalb der Wohnviertel kleinere Ge-
schäftszentren anzuordnen sein, die nicht nur Geschäftszwecken, son-

2. Ianuarheft 1910 75
 
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