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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,2.1910

DOI Heft:
Heft 11 (1. Märzheft 1910)
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Rath, Willy: Paul Heyse: zu seinem achtzigsten Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.9023#0371
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Paul Heyse

Zu seinem achtzigsten Geburtstag*

^»^as erstc Iahrzehnt des zwanzigsten Iahrhunderts, in Paul
v^^HHeyses Leben das achte, hat dem Lebenswerk des unermüd-
^»^lichen Dichters noch eine Anzahl neuer Arbeiten angereiht;
dcm Charakterbild seines Schaffens konnte es jedoch, begreiflicher-
weise, neue Züge nicht einfügen. Trotzdem darf die Würdigung
Heyses heute von anderm Gesichtspunkt ausgehen, als vor zehn
Iahren. Er selbst brauchte sich nicht zu ändern; die Zeitstimmung
tat es. Im einzelnen hat noch alles seine Geltung, was eine un-
parteiische Betrachtung seiner Werke zur Zeit seines ersten Alters-
Gedenktages in ihnen fand. Nur wird der andere Ausgangspunkt
wenn nicht zu einem wesentlich andern Endpunkt, doch zu einer
helleren Schlußbeleuchtung führen.

Mit siebenzig Iahren stand Paul Heyse noch mitten zwischen
doppelter Verkennung. Der älteren Generation galt er noch viel-
fach als ein Dichter größten Stils, als eine Art Goethenachfolger,
von etwas kleinerer Statur zwar, doch immerhin als eine nah
verwandte Natur. Den Iüngsten aber war er, der ja seinerseits
auch kräftig gegen Iüngstdeutschland gefochten hatte, eine allbereits
vollkommen überwundene Größe, bestenfalls noch ein Gegenstand
grimmigen Literatenspottes. Wer unbefangen urteilte, sür den er-
gab sich aus beidem die Pflicht, der beiderseitigen Äbertreibung zu
wehren.

Heut, vor Heyses Achtzigstem, ist der Kampf der Meinungen längst
vorüber. Die „Moderne" ist schon fast genau so tot wie die Epi-
gonendichtung. Des greisen Dichters Persönlichkeit trat ganz in
den Hintergrund, uud zwar nur zum Teil durch den Kursrückgang
seiner Arbeiten bci dcr deutschen Bücherbörse, zum andern Teil
durch die außerordsntliche Zurückhaltung, deren er seit Iahren per-
sönlich sich befleißigt. Die meiste Zeit wohnt er an seinem ge°
licbten Gardasee. And wenu nicht gerade einmal ein Plagiat an
ihm verübt wird oder verübt scheint oder ein alter Anhänger
ihu, wie es jüngst geschah, für den Nobelpreis vorschlägt, so wird
die Offentlichkeit kaum mehr an ihn erinnert. Dabei fühlt er sich
offenbar so wohl, wie das hohe Alter irgend erlaubt, und manchmal,
beispielsweise wenn die Kunde von hysterischen Büchern „der Saison"
zu ihm dringt, ist er vielleicht ganz zufrieden, daß in diesen Zeit-
läuften seine Werke nicht sehr L la nroäs sind.

Da die alte schädlichs Äberschätzung, die schließlich vor zehn Iahren
doch verhältnismäßig am nachdrücklichsten abzulehnen war, nun nicht
mehr im Schwang ist, werden die Vorzüge dieser Kunst nach der
nötigen Eingrenzung jetzt wieder eher hervortreten.

Elementares darf man bei Paul Heyse nicht sucheu: dies bleibt

* Wir habcn Hcysc schon zwcimal die „Losen Blätter" eines Kunstwart-
hcftes gewidmet (XI, ö und XIII, >,!,). Nnr aus dicsem Grunde unterlassen
wir das dicsmal. — Alle Bücher Hchses sind jctzt im Lottaschen Verlage
vereinigt.

300 Kunstwart XXIII, j(
 
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