Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,2.1910

DOI issue:
Heft 11 (1. Märzheft 1910)
DOI article:
Lose Blätter
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.9023#0382
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Da standen die Schergen vor Furcht zitternd auf und ergriffen ihre
Stricke und Ketten. Aber die Metzger, Ulenspiegel und Lamm stecktcn
ihre Hirschfänger wieder in die Scheiden, standen auf, packten ihre Stühle,
schwangen sie gleich Knütteln, liefen behend durch das Gemach, schlugen
nach rechts und nach links, nur der Dirnen schonend, und zerbrachen alles
übrige, Hausrat, Scheiben, Truhen, Geschirr, Schoppen, Näpfe, Gläser
und Flaschen. Sie schlugen die Büttel ohn Erbarmen und sangen immer--
fort im Takt der Tapezierer, die Polster klopfen: „Es ist Zeit mit dem
Klinger zu klirren." Derweilen hatte Ulenspiegel der Stevenhne einen
Faustschlag aufs Maul gegeben, ihr die Schlüssel aus der Tasche ge--
nommen und zwang sie, ihre Lichte zu essen.

Die schöne Gilline kratzte mit ihren NLgeln an den Türen, Läden,
Fensterglas und Rahmen nnd schien sich durch alles durchdrängen zu
wollen wie eine furchtsame Katze. Dann kauerte sie sich leichenblaß in
einen Winkel, mit verstörten Augen, bläkte die ZLHne und hielt ihre
Laute, als wollte sie sie beschützen.

Die Sieben und Lamm sprachen zu den Dirnen: „Wir werden euch
kein Leids antun", und mit ihrer Hilfe banden sie die Büttel, die in
ihren Hosen zitterten, mit Ketten und Stricken. Sie wagten nicht Wider-
stand zu leisten, maßen sie fühlten, daß die Metzger, die der Bienenwirt
unter den Stärksten auserlesen, sie mit ihren Messern in Stücke gehackt
hätten.

Bei jedem Licht, das die Stevenync essen mußte, sprach Ulenspiegel:
„Dies ist fürs Henken, dies fürs Stäupen; dies andcre fürs Brand-
marken; dies vierte für meine durchbohrte Zunge. Hier sind zwei treff-
liche und gar fette für des Königs Schiffe und das Vierteilen durch vier
Gchleeren; dies da für deine Spionenhöhle, dies für dein Weibsbild im
Brokatkleid, und alle andern für mein Ergötzen."

Und die Mädchen lachten, da sie sahen, wie die Stevenhne sich vor
Grimm wand und ihre Kerzen ausspeien wollte. Aber vergebens, denn
sie hatte den Mund zu voll davon.

Ulenspiegel, Lamm und die Sieben ließen nicht ab, im Takt zu singen:
„Es ist Zeit mit dem Klinger zu klirren."

Dann ließ Ulenspiegel ab und winkte ihnen, den Reim leise zu mur-
meln. Solches taten sie, derweil er den Dirnen und Häschern diese
Rede hielt: „So einer unter euch um Hilfe schreit, wird er auf der
Stelle getötet."

„Getötet", sagten die Metzger.

„Wir werden schweigen," sprachen die Mädchen, „tu uns kein Leids
an, Ulenspiegel."

Aber die Gilline, so mit herausgetretenen Augen und vorstehenden
ZLHnen in ihrem Winkel kauerte, war keines Wortes fähig und preßte
ihre Laute an sich.

Und die Sieben murmelten immer im Takt: „Es ist Zeit mit dem
Klinger zu klirren."

Die Stevenyne wies auf die Kerzen, so sie im Munde hatte, und
machte ein Zeichen, daß sie gleichermaßen schweigen würde. Dic Häscher
gelobten wie sie.

Ulenspiegcl redete weiter: „Ihr seid hier in unserer Gewalt. Die
dunkle Nacht ist gekommen, wir sind nah bei der Leye, in der ihr leicht

f. Märzheft lM
 
Annotationen