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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,2.1910

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Heft 11 (1. Märzheft 1910)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9023#0401
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neuen Gebilde im Ganzen ein. Für

wenige verstanden. So war guten-


unsMenschenbedeutetedas:wirwür-

teils der Unternehmer Bier-


den sterbend Zeugen des gewaltigsten

baum, der praktisch und mobil für


Lreignisses, das in all den Iahr-

junge Ideen immer wieder Zah-


millionen, seit unser Erdball der

lende auftrieb und sehr geschickt


Sonne entrollte, ihn je betroffen

anstellte — man denke nur an


hat. Wir wären begnadet, in

„Pan" und „Insel". Und so größ-


unsern letzten Tagen noch das Er-

tenteils war auch der Poet Bier-


habenste, das sich für die Erde über-

baum. Liliencron, Hartleben oder


haupt ausdenken läßt, zn erleben.

wer sonst gerade „dran" war, im


Während wir's mit nichts weiter

persönlichen und literarischen Ver-


bezahlten, als mit demselben Tribut,

kehr, für den gab's ein Schwär-


den noch ein jedes der Quinquilliar-

men, und aus dem Schwärmen


den Lebewesen seit Erkeimen des

ward ein Mit-Pfeifen in seinem


organischen Lebens bezahlt hat.

Ton. Daneben wurden in den Ge-

,

Könnte man das teuer nennen? A

büschen des Aaturalismus die aller-



hand Vierfüßler, in den Wäldern

Literatur

Zu Bierbaums Tode

der Romantik die singenden grauen


^^ein, zwiespältig und unharmo-

und prangenden bunten Vögel be-


-^^nisch kann nmn wohl kein ein-

lauscht, bis ein gedämpfteres Brül-


ziges seiner Bücher nennen. Und

len der Bestien und ein noch zwit-


wenn es einen gab, dessen lite-

schigeres Zwitschern der Vögelein


rarische und persönliche Erscheinnng

in die eigenen Verse überging.


stilisiertes Behagen war, so war

Bieroaum war auch in seinen lieb-


das ja Otto Iulius Bierbaum. Im

lichen Sachen talentvoller und er


üblichen Mortsinn „zwei Seelen

hatte mehr Geist als die Sing-


in der Brust" hatte er schwerlich. Und

sangsänger dcr Baumbach-Ebers-


doch glaube ich, daß die Literatur-

Wolff-Zeit, aber dem Wesen nach


geschichte sozusagen zwei Bierbäume

kam das Archaisieren und Ver-


wird unterscheiden müssen, wenn

zierlichen doch diesen Vielverspot-


sich auch nicht nur ihre Äste uud

teten recht nahe. Nur an der feinen


Zweige zusammenschlingen, sondern

Rhythmik, mit der man die Pirou-


sogar ihre Stämme bis zum Am-

etten tänzelte, und an der saubern


wachsen eng aneinanderlegen.

Sprachschneiderarbeit all der Tän-


Der eine war der Mann, der zu

delkostümchen konnte man das Bier-


allem, was neu war und ihm ge-

baumsche Atelier erkennen. Abri-


fiel, voll Feuer und Flamme sagte:

gens gab er sich ja gelegentlich auch


„Machen wir!" und es dann wirk-

ernst und innig, denn bis zum


lich bis zum Flackeru und Rauchen

ehrlichen Elaudius reichten die,


„machte". Kein Fundamentierer,

denen er seine Lyrik nachempfand.



aber einer, dessen schnelles Zu-

Es gab aber noch einen andern


greifen, frisches Drauflosgehn und

Bierbaum. In seinem „Pankrazius


gefälliges Arrangieren das Angc-

Graunzer" regte er sich, im „Stilpe"


wohnte ansehnlich „aufmachte" und

und in noch einigen so oder anders


in Umgang setzte. So war guten

genannten „Sonderbaren Gcschich-


Teils der K u n st s ch r i f t st e l l e r

ten". Der war kräftig genug, sich mit


Bierbaum; er hat kaum je neue

gemütlicher Handbewegung das Vor-


Werte als ein erster crkannt, ist

gemachte aus den Augen zu wischen.


aber mit höchstem Eifer für Grö-

Dann sah er sich gesund ernüchtert


ßen ins Zeug gegangen, die erst

um, steckte sich eine Zigarre an,

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