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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,2.1910

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Heft 12 (2. Märzheft 1910)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9023#0483
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Mittel zrr einem höheren poetischen
Zweck sein, nicht Sinn und Inhalt
des Dramas selbst. Dagegen spre--
chen sowohl die Gebärden des Tief-
sinns, in denen sich Hirschfeld ge°
fällt, wie auch die Prämissen, deren
genug für eine weltumspannende
Tragödie da sind. Aus all den
tieftragischen Motiven, die ange-
schlagen werden, kommt kaum ein
einziges zur Durchführung, weder
die Ohnmacht menschlicher Liebe,
durch die Kraft ihres Willens eine
eigne Welt zu erschaffen, noch die
Vermessenheit des göttlichen Dran-
ges im Menschen, das Schicksal
meistern zu wollen. Nichts kommt
heraus als einige orakelhaft dunkle
Worte, die am tragischen Kern
vorbeireflekticren, und etliche weiche,
von einem müden Pathos zu feier-
licher Grandezza versteifte Lhris-
men, die auf der Bühne wir-
kungslos verpuffen, während das
Grauenvolle des Stofflichen sich
zu quälenden Foltereffekten ver-
gröbert und das Seelische im
nassen Iammer einer schwächlichen
Empfindsamkeit ertrinkt. Hirschfeld
will nach den Erfahrungen der
Wiener Aufführung sein mißglück-
tes Werk für das Lessingtheater
umarbeiten. Ich fürchte, in Berlin
wird ihm kein zweites Leben er-
blühen. Denn es ist im Burg-
theater nicht an technischen MLngeln
gescheitert, sondern am dichte-
rischen Unvermögen.

Th. Antropp

jungen Hamburgers drohen, ge°
sprochen. Daher kann ich mich heute,
enger als es sonst möglich wäre,
an das Stück halten, das gleich-
falls auf unsrer besten Volksbühne,
dem Neuen Theater, zum ersten
Male vom Rampenlicht bestrahlt
wurde: an den „Wiben Peter".
Diese „fünf Akte aus Dithmarschens
Vergangenheit" — mit dieser Be°
nennung gesteht der Dichter von
vornherein sein Unvermögen, das
Stück bis zur vorgestellten Form zu
erheben —, liegen der Entstehung
nach vor dem einaktigen „mythischen
Spiel". Sie sind der erste Ver-
such eines spezifischen Lyrikers, sich
das wesensfremde Gebiet des
Dramas zu erobern. Ein — aufs
Ganze gesehen — mißlungener Ver-
such. Die Grüude für dies Miß-
lingen liegen zum Teile in der
Natur des Stoffes. Die Tragödie
des starrköpfigen Dithmarschen, dem
das Recht Anfang und Ende seines
Lebens ist, der über die Verwei-
gerung seines Rechtes zum Landcs-
feind unü Landesflüchtling wird,
der seinem Rechte alle Lebens-
wünsche opfert und darüber äußer-
lich und innerlich zugrunde gcht
— denn es ist in ihm mit der
Starrheit viel Sehnen, mit der
Heftigkeit viel Weichheit, mit der
Selbstgewißheit viel Fragen und
Iweifeln gepaart —: dieser Abstieg
eines Glückgesegneten ins düstere
Leidenstal ist nur durch eine weit-
ausgreifende epische Formung zu
bemeistern. Liliencron, der den
Stoff zu einer Ballade verkürzte,
ist dieserFormung näher gekommen
als Nobert Walter (Freyr); näher,
aber auch nicht nahe. Die Behin-
derung durch den Stoff trug immer-
hin am Mißlingen nur einen Teil
der Schuld. Die stärksten Hem-
mungen lagen in der Begabung des
Autors selbst. Wie alle ausgesproch-
nen Lyriker umgeht Robert Walter

Hamburger Theater

/"Lrst kürzlich, anläßlich der Ar°
^aufführung des Einakters „Die
Brautnacht des Sankt Sebald", habe
ich über Robert Walters
(Freyrs) Entwicklungsgang und
über seine künstlerische Art unter
Betonung der Gefahren, dic der
unanzweifelbaren Begabung dieses

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