Asgewandte
Kunft
Heimatpflege
lichen „nun?" scheint er mir vor
dem hartbedrängten Nikodemus zu
stehen, — etwas salbungsvoll: wie
ein Pastor, der zuwenig Herz hat,
reckt er nach der Auferweckung des
Lazarns vor dem in Liebe vergehen-
den Kinde die drei Finger zu Gott
empor, — etwas trocken: ehe er
die Heilung am Sabbat vornimmt,
steht er am Lische wie ein scharf
sprechender Dozent. Mit diesem
Christus bezahlt Gebhardt einen
noch gröszeren Tribut an die Wirk-
lichkeit christlichen Charakters, wie
er aus der täglichen Erfahrung be°
kannt ist. Man braucht kaum hin-
zuzufügen, daß eine solche Entwick-
lungslinie — wenn überhaupt rich-
tig gesehen — vielfach unterbrochen
ist. Der Künstler greift später ge-
legeutlich zum „alten" Thp zurück,
so gut wie der „neue" sich schon
recht früh ausagen mag. Insbe-
sondere scheint gerade bei der Berg-
predigt auf den früheren zurückge-
griffen zu sein, woraus sich durch
die Kunst der gereiften Periode diese
wirkungsvollste unter seinen Ver-
sinnlichungen des höchsten religiösen
Prinzipes ergab. Auch scheint mir
endlich in einer kleinen Gruppe von
Gestaltungen, unter denen die Studie
zur Verklärung die bekannteste sein
wird, der neue Thpus wieder eine
Gewalt und Schönheit erreicht zu
haben, daß er neben dem ältercn be-
stehen kann. Man möchte der deut-
schen Kunst eine Weiterentwicklung
auf dieser Linie voraussagen dürfen.
Paul Gottschaldt
Bayrische Markenkunsl
lso die bahrischen Iubiläums-
marken und -Postkarten sind da.
Sie haben's leicht, denn man ver-
gleicht sie natürlich mit den reichs-
deutschen graphischen Postkleinodien.
Die Kaulbachschen Briefmarken
geben ein anständiges kleines Bild-
nis, ein anständiges, kein beträcht-
liches, und am wenigsten, was hier
gut und bei dem Kopfe des Prinz-
regenten auch leicht gewesen wäre:
ein schlagend charakteristisches, ver-
einfachtes, in gewissem Sinn monn-
mentales. Wenigstens stilgemäß
würde das gebotene Porträt viel-
leicht bei einer Reproduktion in
Originalgröße wirken, in dieser Ver-
kleinerung tut es auch das nicht.
Hier liegt ein Nätsel: warum
wandte man sich in Münchsn
nicht an die dortigen Graphi-
ker, warnm an einen „Gemälde-
maler"? Ferner: Der Neproduktion
als solcher fehlt jeder technische Neiz,
wie ihn sogar die exotischen Brief-
marken in Stich immer noch haben.
Man hat sich die Herstellung zu
billig gemacht. Gut sind dagegen
die Farbeu; wir haben hier, seit das
Reich besteht, die ersten anständig
gefärbten Briefmarken.
Die Iubiläumspostkarten sind von
Diez. Eine von Diez, warum nicht?
Zwei von Diez, warum? Aud
wenn man überhaupt einmal meh-
rere Karten herausgab, weshalb
dann nicht gleich ein Dutzend, bei
dem man die bestzeichnenden
Münchner zu Ehren des alten
Herrn ihr Gutes zeigeu lassen
kounte? Die beiden Diezschen Kar-
ten sind als Kompositionen, milde
gesagt, mäßig. Viel „mäßiger" als
eine Menge andrer Sachen von
Diez. Als Reproduktionen sind sie
wieder vor allem andern billig.
Bunt, versteht sich, und in suseligem
Dreifarbendruck auf Kreidepapier.
Kurz: Um Münchens Aberge-
wicht zu empfiuden, wird man doch
gut tun, Reichspostliches danebeu-
zuhalten. Aus eigener Kraft über-
wältigt Isar-Athen diesmal nicht.
Rahmeude Motive in der
Natur
ir finden in dcr Natur aller-
lei Rahmungselemente, die
52
Kunstwart XXIV, jS
Kunft
Heimatpflege
lichen „nun?" scheint er mir vor
dem hartbedrängten Nikodemus zu
stehen, — etwas salbungsvoll: wie
ein Pastor, der zuwenig Herz hat,
reckt er nach der Auferweckung des
Lazarns vor dem in Liebe vergehen-
den Kinde die drei Finger zu Gott
empor, — etwas trocken: ehe er
die Heilung am Sabbat vornimmt,
steht er am Lische wie ein scharf
sprechender Dozent. Mit diesem
Christus bezahlt Gebhardt einen
noch gröszeren Tribut an die Wirk-
lichkeit christlichen Charakters, wie
er aus der täglichen Erfahrung be°
kannt ist. Man braucht kaum hin-
zuzufügen, daß eine solche Entwick-
lungslinie — wenn überhaupt rich-
tig gesehen — vielfach unterbrochen
ist. Der Künstler greift später ge-
legeutlich zum „alten" Thp zurück,
so gut wie der „neue" sich schon
recht früh ausagen mag. Insbe-
sondere scheint gerade bei der Berg-
predigt auf den früheren zurückge-
griffen zu sein, woraus sich durch
die Kunst der gereiften Periode diese
wirkungsvollste unter seinen Ver-
sinnlichungen des höchsten religiösen
Prinzipes ergab. Auch scheint mir
endlich in einer kleinen Gruppe von
Gestaltungen, unter denen die Studie
zur Verklärung die bekannteste sein
wird, der neue Thpus wieder eine
Gewalt und Schönheit erreicht zu
haben, daß er neben dem ältercn be-
stehen kann. Man möchte der deut-
schen Kunst eine Weiterentwicklung
auf dieser Linie voraussagen dürfen.
Paul Gottschaldt
Bayrische Markenkunsl
lso die bahrischen Iubiläums-
marken und -Postkarten sind da.
Sie haben's leicht, denn man ver-
gleicht sie natürlich mit den reichs-
deutschen graphischen Postkleinodien.
Die Kaulbachschen Briefmarken
geben ein anständiges kleines Bild-
nis, ein anständiges, kein beträcht-
liches, und am wenigsten, was hier
gut und bei dem Kopfe des Prinz-
regenten auch leicht gewesen wäre:
ein schlagend charakteristisches, ver-
einfachtes, in gewissem Sinn monn-
mentales. Wenigstens stilgemäß
würde das gebotene Porträt viel-
leicht bei einer Reproduktion in
Originalgröße wirken, in dieser Ver-
kleinerung tut es auch das nicht.
Hier liegt ein Nätsel: warum
wandte man sich in Münchsn
nicht an die dortigen Graphi-
ker, warnm an einen „Gemälde-
maler"? Ferner: Der Neproduktion
als solcher fehlt jeder technische Neiz,
wie ihn sogar die exotischen Brief-
marken in Stich immer noch haben.
Man hat sich die Herstellung zu
billig gemacht. Gut sind dagegen
die Farbeu; wir haben hier, seit das
Reich besteht, die ersten anständig
gefärbten Briefmarken.
Die Iubiläumspostkarten sind von
Diez. Eine von Diez, warum nicht?
Zwei von Diez, warum? Aud
wenn man überhaupt einmal meh-
rere Karten herausgab, weshalb
dann nicht gleich ein Dutzend, bei
dem man die bestzeichnenden
Münchner zu Ehren des alten
Herrn ihr Gutes zeigeu lassen
kounte? Die beiden Diezschen Kar-
ten sind als Kompositionen, milde
gesagt, mäßig. Viel „mäßiger" als
eine Menge andrer Sachen von
Diez. Als Reproduktionen sind sie
wieder vor allem andern billig.
Bunt, versteht sich, und in suseligem
Dreifarbendruck auf Kreidepapier.
Kurz: Um Münchens Aberge-
wicht zu empfiuden, wird man doch
gut tun, Reichspostliches danebeu-
zuhalten. Aus eigener Kraft über-
wältigt Isar-Athen diesmal nicht.
Rahmeude Motive in der
Natur
ir finden in dcr Natur aller-
lei Rahmungselemente, die
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Kunstwart XXIV, jS