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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,2.1912

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1912)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Friedrich: zum 24. Januar 1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.9026#0108
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diert, er hat nur in die Künste hineingeredet, die seinen Bedürfnissen
dienen wollten, die architektonischen und dekorativen. So ist durchaus
nicht undenkbar, daß er mit deutsch gebildetem Geschmack den freien
deutschen Geistesarbeitern nützlich gewesen wäre. Er hätte ihnen in
Preußen von Anfang an eine andre soziale Geltung verschaffen können,
hätte dadurch seinerfeits sie selbst gesellschaftlich gehoben und in Wech-
selwirkung damit vielleicht den preußischen Adel derartigen Kultur-
werten zugänglicher gemacht. Aber das hätte schwerlich viel bedeutet
im Vergleich zu der inneren Kräftigung aus fich selber heraus, welche
die deuksche Kultur gerade durch die Härte ihres Kampfes ums Dasein
errang. Im Außerlichen zur Bescheidung gezwungen, war sie im
Innerlichen vollkommen frei <rls unbehinderter Ausdruck der aufstre-
benden Kulturschichten. Wenn man die klassische Literatur eines Volkes
als das betrachtet, was sie trotz allen unberechtigten oder berechtig-
ten Widerständen doch auf lange Zeit bleibt: als die wichtigste Grund-
lage der nationalen Bildung — wieviel bedeutet diese ganz ungehemmte
innere Freiheit dann! Irgendeinen Linfluß muß ja durch Begünstigen
oder Zurückstellen jeder persönliche Mäzen ausüben, auch der duld-
samste und bescheidenste. Aud auch hierüber sah der gealterte Fried-
rich zum Bewundern klar. „Welchen größern Dienst hätte ich der
deutschen Literatur denn leisten können, als daß ich mich nicht um
sie kümmerte?", sagte er zu Mirabeau. Wie sehr wir den Förderern
einzelner danken müssen, das Ganze braucht nicht einen allerhöchsten
Mäzen, sondern es braucht Einrichtungen, die das Durchdringen
der starken Begabungen und der starken Leistungen ermöglichen.

Friedrich hat auch der deutschen Geisteskultur das Größte geschenkt,
was einer Zeit irgendwer schenken kann: die Gegenwart herrlich gestei-
gerten nationalen Lebens. Aber derselbe Mensch, der das Ringen im
Schrifttum seines Vaterlandes kaum sah, ist zudem noch der Prophet
seiner Zukunst und in manchem ganz ohne Zweifel auch der Helfer
seiner Kämpfe gewesen. Er, der Absolutist, hat den großen Ideen
der französischen Aufklärung den Boden pflügen helfen, Ideen, die
wir so sicherlich auch brauchten, wie es außer den nationalen noch
internationale Geisteswerte gibt. Es bedarf keiner Künstelei, um
Friedrich in manchem geradezu als eine Ergänzung unsres Klassiker-
geistes zu empfinden. Und wenn wir so stolz auf Wagners Wort
sind: „deutsch sein heißt eine Sache um ihrer selbst willen tun",
so wollen wir nicht vergessen, daß schon Friedrich ein ganz ähnliches
gesprochen hat. Der Pflichternst Friedrichs, der ihn bis zum letzten
Atemzug in seinen Diensten hielt, ist ein so erhabenes Vorbild auch
für alle bewußte Kulturarbeit als solche, daß dieses Ich über die Iahr-
hunderte hinaus leben wird, auch wenn ihre Meinungen und Einrich-
tungen den seinigen gerade entgegengesetzt sein sollten. Oder es
müßte wirklich dahin kommen, daß die Augen der Menschen blöd genug
würden, um nur noch bei Gesinnungsgenossen das Große sehn, ehren
und lieben zu können. Vor welcher Versklavung des Geistes uns Gott
wie vor der Pest bewahre! A

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