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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,2.1912

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Heft 12 (2. Märzheft 1912)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9026#0498
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Allgemeineres

Rundschau

Menschen und Einrich-
tungen

Vom Alten Fritzen-Vierteljahr
möchten wir nicht ohne ein paar
Worte scheiden. Daß wir noch
immer nicht reif für eine Volks-
feier ihm zu Ehren sind, das hat
die letzte Zeit bewiesen. Eben dies
aber muß jedem bitter sein, der
außer dem Modernen auch das
Konservative in sich als eine leben-
dige Macht spürt, die alte Ldel-
heiten ins Neue hinüberbergen
möchte.

Wie weit abgerückt scheinen wir
von Friedrichs Geist! Eine einzige
kleine Gegenüberstellung. Damals:
als der Alte in Sanssouci wohnte,
ließ er sich so wenig bewachen, daß
wohl ein Fremder im Park bis
vor seine Tür kam und den König
am Schreibtisch arbeiten sah. Heut:
das Denkmal Amter den Linden war
am Friedrichstage mit Blumen um-
geben, zwischen denen standen vier
Posten, aber weit noch über diesen
Raum hinaus war das Publikum
durch einen großen Schutzmanns-
kordon an Friedrichs Ehrentag so-
gar von seinem Denkmale weg-
gesperrt.

Bei allen «mtlichen Veranstaltun-
gen dieses Ehrentags war es aus-
schließlich der Kriegsherr und der
sorgende Monarch, dessen man ge-
dachte. Das versteht sich so lange
von selbst, wie es sür selbstverständ-
lich gilt, daß amtliche Veranstaltun-
gen ausschließlich die Anschauungen
desHofes zu wahren haben. Erstaun-
lich scheint mir aber, daß man auch
von liberaler Seite Friedrich nur
lau gefeiert hat. In der Presse, wie
ja gar nicht anders sein kann, be-
wundernd und mit ästhetischer
Freude, aber sehr selten mit jener

Liebe, die ihn mit uns noch zu-
sammenhängend fühlt, als Leben
von unserm Leben. Das Selt-
samste: kein Mensch empfand, daß
es eine alte Schuld gegen Friedrich
zu tilgen gilt, so lange er statt auf
Sanssouci im Gewölbe der Pots-
damer Kirche ruht. „Ihm ist das
jetzt gleich" — ja, sicherlich. Den
Toten aber sind auch die Monu-
mente „gleich", die wir ihnen er-
richten, unsres Kulturgewissens we-
gen bauen wir sie. And unser Kul-
turgewissen sollte nicht ertragen, daß
eines großen Friedrichs viermal nie-
dergelegter Wille, auf dessen Aus-
führung auch er selber unbedingt
vertraut hat, für alle Zeit in den
Wind geschlagen bleibt, weil der-
selbe anstandskundige hohe Herr,
der seine Mätressen in den Wohn-
räumen Friedrichs unterbrachte, die
Garnisonkirche sür „anständiger"
hielt als Sanssouci. Die Wieder-
herstellung dieses von der Ge-
schichte geheiligten Königsitzes, wie
er war, mit Friedrichs Grab, wo
er's wollte, das hätte eine wür-
dige Gedenkfeier für ihn ergeben.
And obendrein, da sie vor allem ein
Ausräumen verlangt hätte, an
Geldwert eine „billige", während
wir doch für Theatereien wie die
Hohkönigsburg-Restauration Mil-
lionen haben. Weder auf der Rech-
ten noch auf der Linken ist solche Tat
der Pietät sür Luropas größtem
König auch nur angeregt worden.

Wem die Gedenktage dazu verhol-
fen haben, daß er sich vor all den
alten und neuen Büchern Friedrich
lebendig gemacht hat, der ist dabei
mit einer Seele und mit einem Geist
vertraut geworden, die den Wunsch,
ihnen nahezusein, fast schmerzend
stark machen konnten. Stundcn
kamen, in denen der Traum, man

^ 382 Kunstwart XXV, s2
 
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