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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,2.1912

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Heft 8 (2. Januarheft 1912)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9026#0152
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es ihm erfüllte! Ob man nicht viel-
mehr einen Antrag auf endliche
Vollstreckung von Friedrichs Willen
heute noch als ein Argernis ab-
weisen würde!

Wie weit sind wir noch zwei-
hundert Iahre nach Friedrichs Ge-
burt von dem Geiste der Duldsam-
keit entfernt, deu er vor den Toren
wähnte! A

G

Man hat sich wiederholt bemüht,
abzuleugnen oder doch zu verdun-
keln, daß man Friedrich gegen seinen
klar ausgesprochenen Willen in der
Garnisonkirche statt auf der Terrasse
von Sanssouci beigesetzt hat. Wir
stellen deshalb im folgenden die Tat-
sachen zusammen.

Die Angabe des Berliner Ober-
konsistorialrats Büschung in seinem
l?88 erschienenen Charakterbilde
Friedrichs, „des Königs Majestät
haben dem Königlichen Hause
für anständiger gehalten", den
großen König dort zu beerdigen, ist
richtig. Offiziös ließ Friedrich Wil-
helm II. verbreiten, daß es nicht
mit Sicherheit festzustellen gewesen
wäre, ob der von Friedrich geäußerte
Wunsch, wenn er überhaupt ge-
äußert sei, ernsthaft gemeint ge-
wesen sei. In der umständlichen
1786 vom Feldpropst Kletschke, der
bei der Leichenfeier amtierte, her-
ausgegebenen Beschreibung der Be-
erdigung heißt es: „Weil nichts Ge-
wisses darüber vorhanden war, so
befahlen Seine Majestät der König,
er sollte neben seinem Hochseligen
Vater . . . seine Ruhestätte haben."
Dies war frommer Betrug. Fried-
rich hatte bereits in seinem Testa-
ment vom ls. Ianuar l?52 seine Be-
erdigung in Sanssouci angeordnet,
dann wieder in einem kurz vor
der Schlacht bei Leuthen ausge-
setzten Testament, das an den
Minister Grafeu Finckenstein aus-
! gehändigt wurde, zum dritten-

mal in einem unmittelbar vor der
Schlacht bei Zorndorf an seine Ge-
nerale erlassenen Befehle und zum
vierten Male in dem entscheiden-
den Testament vom 8. Ianuar 1769.
Dieses Testament ist am s8. August
1786, also am Tage nach Friedrichs
Tode, von dem Minister von Hertz-
berg in Gegenwart König Friedrich
Wilhelms II. und der Brüder
Friedrichs, nämlich der Prin-
zen Heinrich und Ferdinand,
sowie des Ministers Finckenstein,
demselben, dem auch das Testament
von 1757 eingehändigt wurde, er-
öffnet und zweimal verlesen wor-
den. Nach Verlesung hat Friedrich
Wilhelm II., wie Hertzberg bezeugt,
die llrkunde an sich genommen und
sorgfältigst sekretiert. Sie wurde
zum erstenmal bald nach Hertzbergs
Verabschiedung, die im Iuli 1791 er-
folgte, in Schlözers Staatsanzeigen
(Oktober 1791), zu Hertzbergs größ-
ter, anscheinend peinlicher Äber-
raschung, gedruckt.

Die Idee war geradezu ein Lieb-
lingsgedanke Friedrichs. Als er im
Iuni 1765 nach Kleve kam, ließ er
sich dort das Grab des Prinzen
Iohann Moritz von Nassau (tz1679)
im schönen Park von Kleve zeigen.
Daher die Beziehung auf jenes Grab
in dem am 18. VIII. 1786 eröffneten
Testamente vom 8. Ianuar 1769.
Dieses Testament verbot auch fest-
liches Gepränge bei der Beerdigung.
Auch daran hat man sich nicht ge-
kehrt. Dagegen entsprach man dem
Wunsche Friedrichs, seine Leiche
nicht zu sezieren („nicht zu man-
schen", lautete Friedrichs mündlich
gebrauchter Ausdruck dafür, wie der
erwähnte, bei der Beerdigung amtie-
rende Feldpropst Kletschke mit-
teilte), und ebenso der anderen Be-
stimmung des Testaments, ihn nicht
einzubalsamieren.

j l20 Kunstwart XXV, 8
 
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