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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1912)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0189

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erschien als Leitaufsatz der erste
Veitrag Karl Spittelers im
Kunstwart. Mittlerweile ist es
wenigstens den Gebildeten der Zeit
so nach und nach bewußt gewor--
den, wer eigentlich abseit all dem
aufgeregten Literatengetriebe am
Vierwaldstätter See arbeitet, meh-
rere und mehrere glauben in ihm
den größten lebenden Dichter nicht
nur der Schweiz, sondern der deut-
schen Gesamtkultur zu erkennen,
und der und jener behauptet so-
gar, er sei der größte seit Goethes
Lode. Wir werten heut nicht, wir
dauken einfach Spitteler dasür, daß
er dem Kunstwart so lange un-
wandelbar die Lreue gehalten hat
und noch hält. Rnd es beglückt
uns, daß er durch seine neue Dich-
tung in diesem Hefte zeigt, wie ein
Vierteljahrhundert auf seine KrasL
nur dadurch gewirkt hat, daß es
sie reifte.

Kleine Berichtigungen
und Ergänzungen

n der Bemerkung über die
„Losen Blätter" im vori-
gen Heft, auf S. 77, ist mir in der
Eile einer nachträglichen Einsügung
ein ärgerlicher „Lapsus" geschehn.
Hätte ich von diesen Zeilen Korrek-
tur lesen können, so hätte ich natür-
lich selber gemerkt, wie Falsches das
aussagt: „der Inhalt der »Losen
Blätter« ist diesmal mit Absicht
leicht gehalten". Es hätte heißen
sollen: kurz gehalten und da-
durch leichter aufzunehmen. Dem
Gehalt nach ist auch Harlans No-
velle gewichtiger als sie zunächst er-
scheint und erst recht nicht „leicht"
in irgendwelchem übeln Sinne sind
Lissauers Verse. A

Kunstfron und Kunst-
genutz

s ist eine bemühende Beobach-
tung, sehen zu müssen, wie

Schulweisheit und Kathedergelehrt-
heit es dahin bringen, selbst die
süßesten Früchte mittelst philolo-
gischer Bakterien ungenießbar zu
machen und Geschenke, die dazu er-
sehen sind, uns zu beglücken, in
Buß und Strafe umzusetzen. Die
Kunst ist großherzig und menschen-
sreundlich, wie die Schönheit, aus
welcher sie sich aufbaut. Sie ist der
Trost der Menschen auf Erden und
macht keine andern Ansprüchs als
innig zu erfreuen und zu beseligen.
Sie verlangt auch keine Studien und
Vorbildungen, da sie sich unmittel-
bar durch die Sinne an das Gemüt
und die Phantasie wendet, so daß
zu allen Zeiten die einfache jugend-
liche Empfänglichkeit sich in ihrem
Gebiete der Kunst urteilsfähiger er-
wiesen hat, als die eingehsndste und
gehäufteste Gelshrsamkeit. So we-
nig man Blumen und Sonnenschein
verstehen lernen muß, so wenig es
Vorstudien braucht, um eine Aus-
sicht herrlich und ein Fräulein schön
zu finden, so wenig ist es nötig,
die Kunst zu studieren. Freilich
bringt nicht jeder gleichmäßige Emp-
fänglichkeit nach allen Seiten hin
mit, denn die Sinne, welche die
Kunsteindrücke vermitteln, sind in
verschiedener Vollkommenheit und
Richtung veranlagt. Doch habe ich
noch keinen Menschen von Gemüt
und Phantasie (denn Gemüt und
Phantasie sind die Vorbedingungen,
aber auch die einzigen Vorbedingun-
gen des Kunstgenusses) gekannt, wel-
cher nicht an irgendeinem Leil der
Kunstwelt echte unmittelbare Freude
empfunden hätte. And darauf
kommt es allein an. Ieder suche
sich an dem himmlischen Fest die-
jenige Speise aus, die seine Seele
entzückt...

Es gilt, sich entschlossen auf die
seelenverwandten Lieblinge zurückzu-
zishen und mit ihnen in traulichem
Amgang zu verkehren; mit einem

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