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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

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Heft 3 (1. Novemberheft 1912)
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Rath, Willy: Intendantendämmerung?
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Schumann, Wolfgang: Franz Nabl: ein neuer österreichischer Dichter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0214

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Darnrt allein ist es jedoch nicht getan. Wenn die größten Großstädte
(allwo der Wettbewerb manches regelt) vorläufig aus dem Spiel blei--
ben können, so erscheint es doch als klare Pflicht der Städte mit einem
bis zu drei lebensfähigen Theatern, diese ohne Ausnahme in städti-
schen Betrieb zu nehmen und keinem Privattheater die Existenz zu
ermöglichen. Die Erfüllung dieser Pflicht wird sich in manchen Fällen
sogar materiell, in allen aber ideell bezahlt machen. (Materiell durch
die Vereinfachung des Betriebs und durch den Wegfall des verteuern--
den Wettbewerbs.) Die kleinen „wilden" Sensation-, Lhebruch--
schwank- und Operettentheater vom „Residenztheater"- und „Lust-
spielhaus"-Typus haben kein Anrecht wus ein unabhängiges und so gut
wie unkontrolliertes Dasein. Die Städte können und müssen alsdann an
ihren Bühnen auch die dringlichsten sozialen Forderungen der Bühnen-
künstler erfüllen: mindestens zehnmonatige Spielzeit (oder — Gehalts-
zeit), Beseitigung der Scheingagen und der Hungergagen, kostenlose
Lieferung <ruch der modernen Bühnengewänder für die weiblichen
Darstellerinnen, und das bedeutet: Abstellung eines entehrenden Miß-
standes.

Auf solchen Grundlagen und mit vertraglich gesicherter Selbstän-
digkeit werden unsre künstlerischen „Intendanten" erfolgreich arbeiten
können, ohne lauter Genies sein zu müssen. Wo bisher der alte
Schlendrian herrschte, wird die Wandlung zum Besseren, Vorneh-
meren gewiß nicht frei von Schwierigkeiten sein. Konslikte zwischen
der Stadt und dem Intendanten sind möglich, besonders so lange
der Rechte nicht gesunden sein sollte. Aber: die Sache will's! Und
das Zusammenarbeiten wird hie und da erleichtert werden, wenn die
städtische „Theaterkommission" sorgfältiger, um nicht zu sagen: miuder
grotesk zusammengesetzt wird.

Warum sollten wir wenigstens eine merkliche Annäherung an dies
goldene Zeitalter nicht erleben? Wenn Staat, Künstler, Presse richtig
wollen, ist die gegenwärtige „Intendantendämmerung" — Morgen-
dämmerung. Milly Nath

Franz Nabl

ein neuer österreichischer Dichter

s ist schon ein paar Iahre her, daß Franz Nabl mit seinem ersten
R^^Romane kam, Hans Iäckels erstes Liebesjahr*. Aber es ist kaum zu
^^^verwundern, daß man nicht sogleich allgemein erkannte, wieviel in
dem neuen Mann an dichterischer Kraft steckte. Ienes Buch war nicht
kraftlos, doch auch bei weitem nicht reif. Das sexuelle Leben des vier-
oder fünfundzwanzigjährigen Hans Iäckel war hier beinahe virtuos ge-
schildert, und die Virtuosität zeigte, wie ruhig, in welcher Entfernung
der Verfasser diese unklaren, verdrückten Erlebnisse eines spät Reifenden
gesehen hatte. Aber die Schilderung, so zielsicher und seelisch reich-
haltig sie war, endete mit einem sehr gewaltsam und künstlerisch roh
herbeigeführten Knalleffekt; überdies, ohne daß aus dem peinlichen
Kreisen verworrener Gedanken und Äriebe irgendein Weg zu festeren

* Verlag Egon Fleischel L Co., Berlin, ebenso: ödhof, zwei Bände
(geb. l2 M.); Narrentanz, Novellen, ein Band.

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Kunstwart XXVI, 3
 
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