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Kunstwart und Kulturwart — 32,4.1919

DOI Heft:
Heft 23 (1. Septemberheft 1919)
DOI Artikel:
Bölsche, Wilhelm: Alexander von Humboldt: zum 150. Geburtstag (14. September 1769)
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https://doi.org/10.11588/diglit.14424#0214

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er in späteren Iahren noch nach Sibirien reiste, rühmten Begleiter seinen
geschickten Tritt auf losen Geröllhalden. Amd etwas derart bewährte er
auch geistig. Aber etwas anderes malte er da sehr breit aus wie
zum klugen Ersatz, und auch hier ist eine Stelle, wo wir grade von ihm
wieder lernen können.

In jedem stolz erweiterten Stück Welt — so vollends dem heutigen Kos-
mosbild — liegt etwas, an dem jede Weltanschauung, wie immer sie
sei, im Sinne friedlicher Stimmungszutat profitieren kann. Etwas jenseits
von Gut und Böse, das rein auf die verstärkte Erhabenheit, die vermehrte
Größe und Weihe geht.

Ein astronomischer Sternenhimmel mit seiner Anendlichkeit flammender
Welten, bunter Firsternsonnen, dämmernder Nebel ist auf alle Fälle noch
ein Stück mehr zum andächtigen Sichdurchschauernlassen. And der ver-
tiefte Erhabenheitsschauer vor der urgewaltigen Gesetzesmacht, die das alles
sicher in ihrer Hand trägt und die Aonen der Vergangenheit, die das alles
geschaffen, dazu, — in ihm faltet sich wirklich eine Hand aus jeder Welt-
anschauung, ob sie dahinter nun ein greifbares Bild des Göttlichen oder
bloß das dunkle Auge des ewigen Geheimnisses für diese kleine Erde sucht.

Zu diesem stillen Versenken in das große Erkennen und Forschen mit
seinem wunderbaren Bilderbuch ohne Willensnot, wie der alte Schopen-
hauer sagt, — das auch die Natur zuletzt nimmt wie ein größtes Kunstwerk,
vor Sonnen und Milchstraßen steht wie vor der Sixtina, — zu dieser
Welt a n s ch auu n g jenseits aller hadernden Welträtsellösung erzieht dich
der altc Humboldt noch immer besser als irgend einer von den Iungen. Ia,
er ist auch hier sehr oft der jüngere neben so manchem Forschungsgreislein,
dessen Brille das Auge verloren hat und das wunders wie stolz ist auf sein
kleines „Nichtsbewundern".

And unter diesem Gesichtspunkt ist sogar sehr wenig veraltet in seinen
Schriften, denn es kommt grade für diese Stimmungsschau blutwenig darauf
an, ob irgend ein Lichtpünktchen da oben oder unten etwas anders zum ver-
besserten Instrument und Zollstock von heute eingestellt werden muß.

Ich will noch ein praktisches Wort beifügen, wo man Humboldt heute
findet. Es istAn Blättern gesagt worden, daß es bis heute keine Ausgabe
seiner Gesamtwerke gebe und daß es jetzt vielleicht eine deutsche Ehrenpflicht
sei, an so etwas zu denken. Für eine wissenschaftliche Ausgabe ist das
richtig, obwohl es eine Mordsarbeit wäre, vor deren Bänden mir graut
und auch vor den Kosten. Schließlich aber ist's für den Bruder Wilhelm
gemacht worden, also könnte es Alexander verlangen. Für den Volksleser
aber kommt das nicht in Betracht. Für ihn leben noch drei Humboldt-
werke, alle drei ursprünglich bei Cotta erschienen und dort auch noch in
neueren Nachdrucken erhältlich. Die „Ansichten der Natur", in der ersten
Frische der Heimkehr vom Orinoko geschrieben, in den Naturschilderungen
überhaupt nicht veraltbar, aber selbst noch in den Anmerkungen, wo hier
und da eine Ziffer nicht mehr stimmt, ein Schatz an Belehrung für jedeu
Neuling. Ich habe sie als ersten „ganz billigen tzumboldt" nach Frei-
werden des Verlagsrechts bei Reclam herausgebracht, ganz unverkürzt und
mit einer langen, bis ins einzelne erläuternden Einleitung. Dann die
deutsche Abersetzung der anfangs französisch geschriebenen Orinokoreise, von
Hauff (Warnung vor älteren, miserablen Äbersetzungen!), wirkt ebensalls
noch fast ganz in ursprünglicher Kraft, liest sich leicht und flott und erfreut
nebeu den unvergleichlichen Naturbildern besonders noch durch einen Hauch
 
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