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Kunstwart und Kulturwart — 32,4.1919

DOI Heft:
Heft 23 (1. Septemberheft 1919)
DOI Artikel:
Volkshochschulfragen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14424#0220

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kennen und zu befriedigen haben. Hierzu ist zu sagen: den eigentlichen
Anspruch der Massen kann eine kleine gesellschaftliche Hilfsorganisation wie
die Volkshochschule nicht befriedigen. Denn, ob unverjährbar oder nicht,
ob vor Gott und Schicksal berechtigt oder nicht, dieser Anspruch geht auf
eine Bildung von solcher Fülle und Breite, daß nur eine Neuorganisation
des gesamten Bildungwesens ihn erfüllen kann. Wenn man aber von
einem solchen Anspruch ausgeht, sollte man völlige Klarheit darüber schaffen,
daß man Notstandarbeit leistet, nicht Endgültiges und voll Befriedigendes.
— Andere sagen, die Demokratie brauche einsichtige Wähler. Ieder sei jetzt
berufen, am Ganzen mitzuwirken und mitzuarbeiten, darum müsse jedem
die Möglichkeit gegeben werden, selbst die Fragen zu beurteilen, über die
nach demokratischer Weise entschieden werden soll. Auch dieses Ziel, so müssen
wir antworten, wird nicht so erreicht werden. Es ist an sich möglich,
über die politischen, wirtschaftlichen, kulturpolitischen Fragen so zu sprecheu,
Laß der Lernende nicht in eine bestimmte Richtung gedrängt wird, aber es
rst überaus schwer, und nicht jede Stadt von hunderttausend Einwohnern
wird auch nur einen Lehrsähigen finden, der diese schwere Kunst meistert.
Wird aber in willenlenkender Weise politische Volksbildung getrieben, so
wird das ganze Werk bald zerschellen am Mißtrauen der Lernbegierigen.
Das sollte man nie vergessen. Nnd selbst wenn es gelingt, den Lernenden
mehrere Anschauungen bekannt zu machen — und rein technisch wird es
bei dem dialektischen Wesen so vieler heutiger Wissenschaftbetriebe manchem
sicherlich gelingen —, ist damit für die Selbständigkeit der Lernenden viel
gewonnen? Diese „Selbständigkeit" wird dann hauptsächlich darin bestehen,
daß er die Einwände kennt, die man gegen irgend ein Wollen, ein
Programm, einen Plan erheben kann. Das ist ja ein Lieblingwunsch sehr
vieler: die Einwände kennen zu lernen, also: nicht erst durch cine Frage sich
selbst durchdenken zu müssen. Man braucht dann vielleicht die Sache
gar nicht erst kennenzulernen, man fühlt sich ihr trotzdem überlegen und
scheint möglicherweise auch Andern so, weil man ja die Gegengründe vor-
Lubringeu weiß. Diese Art von „Selbständigkeit" verbreitet sich heute immer
mehr. Will die Volkshochschule ihr helfen? Dann würde sie zum Nnter--
gang unserer geistigen Kultur beitragen. Später davon, wie sie vielleicht
zu dem beitragen könnte, was Menschen unserer Gesinnung unter Selb--
ständigkeil verstehen.

-^ehr verbreitet ist der Gedanke, Volkshochschulen müßten eigentlich inter-
^natmäßig eingerichtet werden, wie dies in Dänemark und anderen Län-
dern ja vielfach der Fall ist. Irgendwo auf dem Lande in einem einfachen
Wohnsitz sollten Lernende und Lehrende fünf oder sechs Monate fern aller
sonstigen Arbeit gemeinsam verbringen, sowohl durch geordnete Vorlesungen
und Äbungen, wie durch ständige persönliche Fühlung werde man bei solchem
Betrieb erst die eigentlichen Ziele einer Volkshochschule erreicheu. Diese
Internate sind nun in Dänemark usw. zuallermeist eingerichtet für die
Landbevölkerung, und zwar für die jugendliche. Nur in einigen Fällen sind
sie auch für städtische Bildungbeflissene gegründet worden. Nichtsdesto-
weniger werden bei uns vielfach für die städtischen Volkshochschulhörer
mit Nachdruck Internate gefordert. Sehen wir ab von den Geldschwierig-
keiten, von der Schwierigkeit, geeignete Lehrer zu finden, von der
bedenklichen Einseitigkeit, die solchen Betrieben anhaften dürfte, —
wir dürsen davon absehen, denn sie sind trotz alledem zweifellos gute

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