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Kunstwart und Kulturwart — 32,4.1919

DOI Heft:
Heft 23 (1. Septemberheft 1919)
DOI Artikel:
Volkshochschulfragen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14424#0222

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/Ls steht außer allem Zweifel, daß wir auf die Errichtuug von Volkshoch-
^schulen in keiner Weise genügend vorbereitet sind. Vor allem haben wir
eigentlich gar keine geeigneten Lehrer. Die Hochschulprofessoren wissen
sich oft uicht allgemeinverständlich zu machen, was ja auch für den Beruf-
gelehrten sehr schwierig ist, weil er nicht mehr gut wisseu kann, was eigent-
lich aus seinem Fach schwerverständlich ist. Oder aber: sie beherrschen zu
wenig Stoff infolge der modernen Arbeitteilung und Spezialisierung. Auch
wohnen sie nicht in den Städten, wo keine Hochschulen sind. And endlich
können sie der Volkshochschule gewöhnlich nicht genug Zeit widmen. Die
Lehrer der sogenannten höheren Schulen dürften in gewisser Hinsicht am
ehesten die Bedingungen für gute Volkshochschullehrer erfüllen, aber eben nur
in gewisser Hinsicht und nur unter bestimmten Voraussetzungen. Zu diesen
gehört, daß sie bereits in den obersten, freier zu behandelnden Klassen unter-
richtet haben müssen und daß sie nicht zum Typus der Fachgelehrten ge-
hören, sondern mit dem modernen Leben vertraut sind. Dann werden sie
vielleicht die didaktisch-pädagogischen Fähigkeiten mitbringen, die zu fordern
sind. Daß sie in andern Hinsichten vielleicht schwierigeren Stand haben wür»
den als andere, sei zugegeben. Bleiben die „Praktiker" wie Iuristen ver-
schiedener Art, Zeitungleute, Arzte usw. Ihre Rolle in der Volkshochschule
ist wichtig; es ist die von unentbehrlichen „Hilfslehrern". Aber wo ist der
Stand, der uns die eigentlichen, die B e r u f s - Volkshochschullehrer stellt?
Er ist nicht da. Er muß erst geschaffen werden. Eine Volkshochschule aber,
die nicht einen eignen, nur ihr dienenden Lehrerstand hat, läuft große Ge-
fahren. Fürs erste würden zwei bis drei Beruf-Volkshochschullehrer an einer
Anstalt genügen. Aber diese müssen da sein, sonst kann sich kein Stil bilden.
Das Schlimme ist, daß wiederum die Ausbildungsstätten für solche Beruf-
Volkshochschullehrer fehlen, denn die Rniversitäten bilden ja den Typus des
enzyklopädisch Gebildeten mit einerFachausbildung überhaupt nicht mehr aus.

«kvrir werden fortan Hunderte von Malen die gutgemeinte Wendung
H^hören: wir wollen dem Volk nun auch die edelsten Güter der Kultur,
die Werke der bildenden Kunst, der Dichtung, der Musik zugänglich
machen. And unter dieser Losung wird viel Greuelvolles vor sich gehen.
Denn an wen wird man sich wenden? An die Kunsthistoriker, die Musik-
historiker, die Literaturhistoriker. Aber je bessere Fachleute diese sind, umso
weniger werden sie das „Zugänglich-Machen" verstehen! Sind sie mittel-
mäßige Schüler oder Schülerinnen durchschnittlicher Hochschullehrer, so wird
die Sache hoffnunglos, denn dann werden sie nicht einmal in die betreffende
Sondergeschichte jemand einzuführen verstehen, geschweige denn mehr als
Phrasen über die „edelsten Güter" vorzubringen wissen. Wenn die jahrelange
Erörterung der Fragen der „Kunsterziehung" etwas gelehrt hat, so dies:
daß wir nicht wissen, wie man Kunst dem sogenannten Laien unmittelbar
zugänglich macht. Auch von tausend pädagogisch Vorgebildeten hat noch nicht
einer die Gnadengabe, dies zu können, ohne in irgendwelches „Fachliche",
in die Ode der Iahreszahlen, in die Anlagen der Biographik, der Psycho-
logik, der dogmatischen Asthetik zu geraten, die für den, der Kunst, das
heißt Leben sucht, samt und svnders Irrgärten sind, oder einfach gemütvolle
Schwärmereien vorzutragen, kurz: ohne von den Werken abzuziehen,
zu denen er hinzuführen glaubt. Nichts Lebloseres, Sinnärmeres, an Bil-
dungsgehalt Ärmeres gibt es als gerade die Kunst-, die Musik-, die
 
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