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Kunstwart und Kulturwart — 32,4.1919

DOI Heft:
Heft 24 (2. Septemberheft 1919)
DOI Artikel:
Volkshochschulfragen, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.14424#0265

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zu erledigeu. Von den Vortragenden sollte überdies möglichst jeder eine
Sprechstunde abhalten. Lehrer-Konferenzen zum Austausch der Erfahrungen
und zur Instruktion der Berater sind vollends nicht zu entbehren. In einem
entwickelten Stadium der Volkshochschule wird man vielleicht „enzyklopädisch--
propädeutische" Vorlesungen einrichten, etwa eine zwölfstündige: „Was die
Volkshochschule bietet", Äbersicht über Hauptinhalt, Methoden und An-
wendungen, Erfordernisse und Eharakter der Fächer, aus denen an der
Volkshochschule Vorlesungen gehalten werden. Eine solche orientierende
Vorlesung könnte von sechs und mehr Vortragenden bestritten werden.

Wir sind mit dem Problem des Aufbaus jedoch uicht fertig. Die Hörer
sind nicht nur verschieden voneinander; es ist auch andres noch zu bedenken;
viele von ihnen sind nicht zum erfolgreichen „Hören" einer durchschnitt-
nchen Vorlesung befähigt. ^Für sie ist die Unterstufe einzurichten. Sie
besteht grundsätzlich aus „Abungen". Hier wird „lesen gelernt", denn
Lesenkönnen heißt nicht nur Buchstaben und Sätze beherrschen, sondern sich-
geistig-in-Bewegung-setzen-können. Es ist die erste Stufe der Lust, die „wir"
an geistiger Arbeit empsinden, die Vorbedingung aller Befähigungen, die
wir als geistige Arbeiter haben. Hier werden Denkübungen veranstaltet, z. B.
fehlerhafte Gedankengänge gemeinsam verbessert, Sprichwörter erörtert, kleine
Diskussionen abgehalten, logische Operationen durchgeführt. Die Anleitung
zum schriftlichen Festhalten und zum mündlichen Wiedergeben des Ge-
sehenen, Erlebten, Gehörten, Gewollten, Gedachten gehört hierher. Ebenso
die Methodik der Selbstbildung, die Anleitung zum Auffinden von Büchern
und Schriften, von Auskünften. Zeitunglesen wird hier „geübt". And außer
diesen „allgemeinen" Äbungen enthält die Unterstufe die speziellen Vor-
übnngen für einzelne „Fächer": Anfanggründe der Mathematik, Äbungen
im Sammeln (sür die naturwissenschaftlich Interessierten), Äbungen im
Sehen und Zeichenunterricht sür die Interessierten an bildender Kunst,
Äbungen im Hören und Musikunterricht für die an Musik, Sprechübungen
und Vorlesungen für die an Dichtung Interessierten. Das sind einzelne
Vorschläge, denen Dntzende von weiteren angereiht werden könnten. Nur
ein einziger sei noch eingehender dargelegt. Neben den Naturwissenschaften
werden das Hanptthema der Volkshochschule die Sozialwissenschaften sein
müssen. Denn vielleicht das stärkste Motiv der Bildungsuchenden ist in un-
serem Zeitalter: der Trieb, die eigene Stellung im Gesellschaftganzen zu
uberblicken, heimisch zu werden in dem wirren Getriebe der Zeit; daß „tvir"
diese Stellung kennen, daß wir nicht nur blinde Erlebende eines Schick-
sals sind, sondern Mitwisser, vielleicht sogar Mitgestalter, ist eine der
Hauptquellen unserer Lust, eine der Hauptstützen unserer Befähigungen.
In der Nnterstufe wäre Soziologisches etwa so zu bringen: die Teilnehmer
erzählen ihre Selbstbiographie nnd der Kursleiter analysiert diese mit Hilfe
der Müller-Lyerschen Kategorien. Sie erzählen von Struktur und Erlebnis-
gestalt ihrer Berufe und ber Kursleiter knüpft daran Bemerkungen aüT der
Berufslehre. Kursleiter und Teilnehmer besuchen gemenisam Zivil- und
Strafprozeßverhandlungen und besprechen deren Inhalte.

Die „Nnterstufe" ist mit vollem Ernst zu behandeln. Sie sollte obliga-
torisch gemacht werden können, wenn nicht von der Beratunginstanz, dann
von den Dozenten. Ieder Dozent sollte das Recht haben, seine Hörer
persönlich auf ihre Teilnahmefähigkeit zu prüfen und eventuell in die
Änterstufe zu verweisen.

Ohne Unterstufe ist ein sachgemäßer Aufbau von Kursen, von Vor-
 
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