Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 32,4.1919

DOI Heft:
Heft 24 (2. Septemberheft 1919)
DOI Artikel:
Volkshochschulfragen, 2
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14424#0268

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
steht zunächst fest: nicht durch systematisches Nacheiuauder wie in jenem
„Bürgerkunde"--Kursus. Das führt unweigerlich zur Häufung nützlicher Ein-
zelkenntnisse ohne Zusammenhang. Denn wer in sechs bis zwölf Stunden
eine Einführung in die Nationalökonomie bieten muß, kann die Zusammen-
hänge nicht hinzubringen. Dazu reicht die Zeit nicht. Nnd es kommt hinzu.
daß die meisten das auch gar nicht verstehen werden. Denn die Wissenschaftz
deren Zöglinge sie sind, sortiert ja gerade die „Nationalökonomie" aus
ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang, um sie so desto gründlicher zu erfor-
schen. Die Stoffgruppierung, zu der die Fachwissenschaft mit ihrer Arbeit-
teilung gelangt ist, ist für die Volkshochschule ungeeignet; die Schwierigkeit,
geeignete Lehrkräste für Sozialwissenschaftliches zu finden, wird darum stets
im Vordergrund stehen. Einige Möglichkeiten seien indes angedeutet. Zur
Behandlung eignen sich gesellschaftliche Dinge, an denen mehrere Beziehun-
gen auszeigbar sind. Nehmen wir an, ein Stadtschulrat ließe sich gewinnen
zu einer zwölfstündigen Vorlesung „Erfahrungen eines Stadtschulrats".
s. Stunde: Seminarzeit (Warum gibt es Seminare? Wesen der Seminar-
bildung im Gegensatz zur Gymnasialbildung, warum dieser Nnterschied?
Organisation des Internats, warum Internat? usw.); 2. Stunde: Iung-
lehrerzeit (Menschliche Erfahrungen, Schulorganisation, Staatsbürgerliches);
3. Stunde: Universitätzeit (Wieviel Iunglehrer studierten damals? und
heute? warum jetzt mehr? Nniversitätsorganisation. Studentenbewegung);

Stunde: Oberlehrerzeit (Wesen der höheren Schulen, Vergleich mit Volks-
schulen); 5. Stunde: Kommunalpolitische Betätigung (Städtische Parteien,
Spezialfragen); 6. Stunde: Stadtverordnetenzeit; 7. Stunde: Städtische
Lebensfragen; 8. Stunde: Schulkämpfe; 9- Stunde: Stadtschulrat (Ein ty-
pischer Tag); (0. Stunde: Stadtschulrat (Kompetenzen); ((. Stunde: Stadt-
schulrat (Die große Schulreform, ihre Ziele, ihre Grenzen); (2. Stunde: Die
neuen Forderungen. Glückt eine solche Vorlesung, so ist viel gewonnen.
Kann sie kombiniert werden mit einer ähnlichen eines Redakteurs oder Ober-
ingenieurs und einer theoretischen über Berufkunde, so wäre das ganze
eine gute Ausfüllung des ersten Iahres. Im zweiten müßte noch Eindring-
licheres geboten werden, etwa Erfahrungen eines Leiters des Gesundheit-
amtes nebst Grundzügen der Sozialhygiene, kombiniert mit hygienischen
Vorlesungen und statistischen Belehrungen; dazu etwa die Vorlesung eines
früheren Ministerpräsidenten oder hohen Beamten über Ministerien und
deren Aufgaben. Danach kann man nun schon an enzyklopädisch-systemati-
sche Vorlesungen über Verwaltung denken, wenn man sie nicht abstrakt,
theoretisch, sondern rein sachlich gliedert. Neben solchen hauptsächlich die
Verwaltung sassenden Lehrgängen lassen sich hauptsächlich wirtichaftwissen-
schaftliche ähnlich aufbauen und daneben rechts- und staatswissenschaftliche.
Die letzte Stufe jener Folge hat ganze Lebensordnungen zum uatürlichen
Inhalt: vergleichende Völkersoziologie, Ntopistik. Hierauf ist auch vorher
durch Heranziehen erdachter oder fremder Einrichtungen zum Vergleich
schon vorbereitet worden.

Die Stoffgruppierung nach dem sozialwissenschaftlichen Sachgebiet scheint
mir weitaus wünschenswerter als die nach dem Ort- oder Landgebiet. Wenn
heute mehrfach „Heimat- und Volkskunde" oder „Deutschkunde" als „ge-
botener Rahmen" für die Volkshochschule bezeichnet wird, so verkennt man
damit zunächst wohl das Bedürfnis der Vorzugshörer einer Volkshochschule
und weiterhin ihre kulturpolitische Aufgabe. Zweifellos sind Heimat, Volks-
tum, Deutschtum Werte, sogar sozusagen „absolute" Werte. Aber diese

257
 
Annotationen