Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Krüger, Thomas [Hrsg.]; Stephan, Hans-Georg [Hrsg.]; Korbel, Günther [Bearb.]; Korbel, Günther [Bearb.]; Raddatz, Klaus [Bearb.]; Raddatz, Klaus [Gefeierte Pers.]
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Heft 16): Beiträge zur Archäologie Nordwestdeutschlands und Mitteleuropas — Hildesheim: Verlag August Lax, 1980

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.65795#0103
Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
tung des Nydam-Fundes als ein oder mehrere Beuteopfer entgegenkommt und das Bild eines
ständig wiederkehrenden „friedlichen” Opferrituals unwahrscheinlich werden läßt. Manche
Schwerter mit besonders tiefen Scharten hätten durch deren ausgebogene Metallränder über-
haupt nicht mehr in eine Scheide gepaßt. Folglich wird es sich bei den Scharten in der Haupt-
sache um die Spuren des letzten Gefechts handeln und nicht um die Summe von Beschädi-
gungen aus mehreren vorangegangenen Kämpfen. Vermutlich hat man nach siegreich über-
standenem Kampf die Scharten im Rahmen der Möglichkeiten wieder beseitigt. Dies mag ein
Grund dafür sein, daß auch in Grabfunden mit guten Erhaltungsbedingungen normalerweise
keine Kampfspuren an Schwertern beobachtet werden.
Über die Schwertscharten erhält man einige Hinweise auf das mögliche Schicksal des Besit-
zers bzw. Benutzers der Waffe in deren letztem Kampf. Zeigt das Schwert trotz guten Erhal-
tungszustands keine Scharten, so mag der Besitzer, sofern er überhaupt am Gefecht teil-
nahm, bereits relativ früh durch Fernwaffen ausgeschaltet worden oder im Nahkampf an sei-
nem ersten oder zweiten Gegner gescheitert sein. Sind dagegen viele Hiebspuren vorhanden,
so ist damit zu rechnen, daß der letzte Benutzer der Waffe nicht nur relativ lange, sondern
vermutlich auch mit mehreren Gegnern gekämpft hat, wissen wir doch aus den Berichten der
Isländer-Sagas und von heutigen Sportgefechten, daß normalerweise sehr bald ein Treffer er-
folgt, der bei der Art und Effektivität der Nydam-Schwerter vermutlich rasch das Gefecht
beendete. Sollte die Interpretation der tiefen schrägen Scharten in Griffnähe als Parierspuren
richtig sein, so erhielte man darüber hinaus mit der gebotenen Vorsicht Anhaltspunkte zur
fechterischen Beurteilung des Kämpfers. So hat es bei den in Abb. 1 gezeigten Schwertern den
Anschein, als sei der Besitzer der linken Waffe ein recht offensiver Fechter gewesen, der seine
Gegner ständig zum Parieren gezwungen hat, während das Schwert rechts daneben von einem
Mann geführt worden zu sein scheint, der sich in erster Linie verteidigen mußte. Über die Be-
rechtigung zu solchen Mutmaßungen wird man jedoch erst urteilen können, wenn entspre-
chende Versuche mit nachgebauten Waffen durchgeführt worden sind. Weitere Überlegun-
gen hinsichtlich des Zustandekommens solcher Scharten finden sich bei GEBÜHR (1977).
Lassen sich in der Art und Häufigkeit der Scharten Unterschiede zwischen den eingangs be-
zeichneten Schwerttypen feststellen? In Abb. 3 ist die Verteilung der Scharten bei acht gut er-
haltenen Schwertern des Nydamfundes dargestellt. Oben sind rapierähnliche Stücke zu se-
hen, unten Spathen mit parallelen Schneiden. Man gewinnt den Eindruck, als seien die spitz
zulaufenden Klingen (oben) weniger zum Schlagen (und Parieren) benutzt worden als die un-
ten gezeigten „breiten” Waffen. Die beiden Spathen von Abb. 1 u. 3 mit ihren vielen Hieb-
und Parierspuren unterstützen diese Vermutung. Dies ist nicht nur ein weiteres Argument für
eine funktionale und gegen eine rituelle Deutung der Scharten (denn warum sollte man den ei-
nen Waffentyp weniger „vernichten” als den anderen?), sondern auch eine Bestätigung der
eingangs zitierten These von K. RADDATZ, der den unterschiedlichen Schwerttypen eine
differenzierte Fechtweise zuweisen möchte. Bei der Betrachtung von Abb. 3 fällt darüber hin-
aus auf, daß insgesamt die Hiebspuren die Parierspuren an Zahl überwiegen. Dies kann zwei
Ursachen haben: 1. Mitunter ist von beiden Gegnern gleichzeitig zugeschlagen worden (mög-
licherweise auch in der Absicht, besonders kräftige Hiebe zu parieren), und 2. man schlug
auch gegen Lanzenblätter.

77
 
Annotationen