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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 24.1981

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Holtermann, Horst: Homburger "Empfehlungen" oder untauglicher Versuch, die babylonische Sprachenverwirrung in Europa zu überwinden
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https://doi.org/10.11588/diglit.33080#0005

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jährigen, dem eine künftige vita contemplativa und damit das Erlernen des La-
teinischen auf den Leib geschnitten ist, ebenso wie er den anderen kennt, dessen
überschäumende Aktivität nach dem imitierenden Erlernen möglichst vieler
moderner Fremdsprachen ruft. Solche Unterschiede haben die Professoren und
Schulverwaltungsbeamten des Homburger Kreises leider nicht bedacht. Sie
kümmern sich nur um Fremdsprachenpolitik.
Heute und wohl auch auf der Vertreterversammlung wird nicht Zeit genug
sein, die einzelnen Argumente der Schrift zu diskutieren. Darin ist mancherlei
Bedenkenswertes enthalten, aber auch viel Seltsames, z.B. die Äußerung von
KÄSTNER (Sekretariat der KMK, Fächer: Griech., Lat.): „Meine Devise ist
die, daß der Lateinunterricht mit hohen und höchsten Ansprüchen durchge-
führt werden muß; das ist die Offerte, mit der wir Schüler und Lehrer locken
müssen. Alle Billigangebote, wie sie in den letzten 20 Jahren entwickelt worden
sind, sollen abgeschafft werden. ... Wir wissen, daß wir eine Mehrheit von
Kundigen der neuen Sprachen brauchen; wir brauchen nicht eine Mehrheit von
Kundigen in den alten Sprachen. Aber eine kleine Minderheit wollen wir uns er-
halten, von denen, die wissen, wie wertvoll und bedeutsam die alten Sprachen
sind. Darum plädiere ich gegen Billigangebote und bin für die Abschaffung des
Latinums“ (S. 38). So wird Latein zum Orchideenfach. Einige Lateiner läßt
diese sprachenteilige Gesellschaft dann als Exoten im Zoo oder im Museum aus-
stellen.
Das Verfahren zur Erstellung solcher Empfehlungen scheint mir sympto-
matisch zu sein: Erst stellt man einen Rückgang des Französischunterrichts fest
(MUNDZEK, MK Düsseldorf: „Mir liegen Zahlen vor, wonach das Französische
im Leistungskursbereich das Fach mit dem prozentual und absolut größten
Rückgang ist, und zwar in der Größenordnung von ca. 40%. Das hat einschnei-
dende Auswirkungen auf den Unterrichtsbedarf überhaupt und den Bedarf an
Lehrern. Als Folge dieser Entwicklung sind Hunderte von Lehrbefähigungen in
Französisch überflüssig geworden.“ S. 19). Dann sucht man den Feind - und fin-
det den falschen, nämlich den Lateinunterricht, das Konkurrenzfach. Denn an
den eigentlichen Gegner, an die Oberstufenreform mit ihrer Fremdsprachen-
feindlichkeit traut man sich nicht heran, die ist tabu, zumal sie ebenso wie die
Homburger Empfehlungen ihre Wurzel in der Theorie und nicht in der Praxis
hat. Nun braucht man nur noch eine neue Theorie über die Stufenfolge des
Sprachenlernens und Etiketten für die zur Verfügung stehenden Fremdsprachen
(lat., mod. = moderne FS, alt = lat. oder griech., fern = jap., chin. etc.), und
dann kommt folgendes System als Empfehlung heraus (S. 75ff.): ab 1. Klasse
Begegnungssprache/mod, ab 5. Klasse Fundamentalsprache/mod (für Exoten
auch lat), ab 7. Klasse Verkehrssprache/mod, möglichst ab 9. Klasse weitere,
dritte Verkehrssprache/mod, ab 11. Klasse Erschließungssprachen/alt oder
mod oder fern. So einfach geht das, und unsere Lehrgänge Latein II und III so-
wie Griechisch sind damit aus der Mittelstufe heräuskatapultiert.
So einfach das ist, so unredlich ist es auch. Welche Sprache welcher Schüler
wann erlernen soll oder kann, das wird gar nicht gefragt. Blinder Utilitarismus

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