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Deutscher Altphilologenverband [Editor]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 29.1986

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Nr. 4
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Aufsätze
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Beil, Adolf: Die Heimkehr des Odysseus
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https://doi.org/10.11588/diglit.35877#0114

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rung jeglicher Mitteilung über Odysseus' Gegenwart mit physischer Gewalt. Es geht
hier darum, diese Mitteilung an Pene/ope zu verhindern, von der nach allem, was
Odysseus gesehen, gehört und erfahren hat, ganz sicher kein Beitrag zu seiner Ver-
nichtung erwartet werden kann. So meint denn das Wort schwerlich die physi-
sche Vernichtung, wie sie etwa von den Freiern drohen könnte, und Odysseus scheint
etwas anderes verhindern zu wollen. Was aber? Zunächst will er natürlich verhindern,
daß die Amme seiner Frau mitteilt, sie habe ihn, Odysseus, an seiner Narbe erkannt.
Warum aber will er diese Mitteilung so unbedingt, selbst mit Gewalt seiner alten Am-
me gegenüber, verhindern? Später wird er sich doch selbst mit Hilfe dieser Narbe sei-
nem Vater zu erkennen geben (24, 328 - 333)1 Inwiefern könnte diese Mitteilung für
ihn eine Vernichtung oder dergleichen bedeuten, da doch von beiden Frauen ein Zu-
sammenwirken mit den Freiern keinesfalls zu erwarten ist? Und Eurykleia weiß doch
nun ohnehin, wer der Fremde in Wirklichkeit ist. Was also will Odysseus tatsächlich?
Offenbar immer dasselbe, nämlich, seiner Frau weder sagen noch durch jemanden an-
deren sagen lassen, daß er Odysseus ist, noch auch - in diesem Falle - an einem Zei-
chen, nämlich der Narbe, erkannt werden. Das also will er nicht; was aber will er?
Was will ein Mann wie Odysseus, der nach zwanzig Jahren zu seiner Frau heimkehrt,
die er einer Göttin, ewiger Jugend und endlosem Genuß vorgezogen hat, weil er sein
Ich nicht mit einem Nicht-Ich vertauschen wollte? Nicht nur seinen Helden hat der
Dichter nur langsam - in zwanzig Jahren - Einsicht über sich selbst gewinnen lassen,
sondern auch seine Hörer und Leser über seinen Helden. Erkannt werden will er si-
cher, aber woran und wie?

(Fortsetzung folgt)

ADOLF BEIL, Heideweg 189, 4700 Hamm

Anmerkungen:
1 Dieses Thema war bekanntlich schon oft der Gegenstand von Untersuchungen. Auf ihre sy-
stematische Nennung und Zusammenstellung wird hier verzichtet; sie finden sich in den Dar-
stellungen, auf die im folgenden Bezug genommen wird, zitiert.
2 Der Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.), Richtlinien für die gymnasiale
Oberstufe - Griechisch, Köln 1981, $. 26.
3 ebenda, $. 30.
4 In: Egon Römisch (Hg.), Griechisch in der Schule, Frankfurt a.M. 1972, S. 156 - 165.
5 Den Entschluß des Odysseus behandeln Richard Harder, Odysseus und Kalypso, in: Kleine
Schriften, München 1960, S. 148 - 163, bes. S. 162: ,,Aus eigenem Willen entscheidet sich
der Held für das Leiden ... Die Ehe mit Kalypso wäre eine paradiesische Einsamkeit zu zweit.
Stattdessen verharrt Odysseus bei dem was er hat und ist, und wählt es nochmals neu: seine
eigene Ehe, die Heimat und Herrschaft und die volle, schicksalgegebene Menschenexistenz
in sich enthält. ...", und H.D. Schmidt, Kalypso-Episode (Homer Od. 5, 43 ff.) — Aspekte zu
einer Behandlung in Oll, in: AU XII 5 (1969), S. 37 - 61, bes. S. 54.
6 Wilhelm Mattes, Odysseus bei den Phäaken, Würzburg 1958, S. 142 und 163. Diesem Buch
ist die vorliegende Darstellung, soweit sie die Phäakis betrifft, z.T. verpflichtet.
7 Vgl. die gesamte Untersuchung von W. Mattes.
8 Vgl. dazu die ausführliche Interpretation des Gleichnisses bei W. Mattes, S. 115 - 122.
9 So auch Helmut Vester, Das 19. Buch der Odyssee, Gymn. 75 (1968), S. 431.

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