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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 29.1986

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Nr. 2
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Aufsätze
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Quack, Helmut: Nachlese zum Humboldt-Jahr
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https://doi.org/10.11588/diglit.35877#0041

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Aufsätze

Nachiese zum Humbo!dt-jahr
Man wird kaum einen anderen Menschen nennen können, der so sehr Gestatt und
Schicksat der altsprachlichen Bildung in Deutschland bestimmt hat wie Wilhelm von
Humboldt. Wenn anläßlich des 150. Todestages die Öffentlichkeit sich veranlaßt fühlt,
die Lebensleistung dieses Mannes zu würdigen, dann kann man auch erwarten zu er-
fahren, wie sich der Stellenwert altsprachlicher Bildung in den Köpfen von Publizisten
heute abzeichnet.
Nehmen wir zunächst ein Regionalblatt^. Dort lesen wir zur Humboldtschen Bildungs-
reform: ... d/ese Konzeption ... das /dea/ des steh etnsam mtt seinen geistigen Prob/emen
beschäftigenden Ge/ehrten ... ist <m 20. Jahrhundert brüchig geworden. An ihre Stehe
ist vor abem der Anspruch der Gesebschaft ... getreten, in mögbehst kurzer Zeit v/e/e
W/ssenschaft/er auszubi/den, die zudem zu Teamarbeit befähigt sein soben. ... Weicher
Professor könnte es sich noch /eisten, die Studenten 'zum Nachdenken, nicht zum Ler-
nen anzu/eiten' ... Pme umfassende Bbdung, die nach Humbo/dts Auffassung auf der
Kenntnis der a/ten Sprachen und des mit ihnen verbundenen Denkens beruhte, ist nicht
mehr das Zie/ von Schu/e und Universität. Die Anforderungen an die Menschen der
Wissenschaft in der industrieben Weit von heute sind ganz andere, a/s Pfumbo/dt auch
nur ahnen konnte.
So billig kann man sich das machen. Dieser Artikel geht einfach an den biographi-
schen und historischen Fakten vorbei. So etwa, daß Humboldt als erster in Preußen
mit Teamarbeit ernst machte und seine Mitarbeiter energisch dazu erzogt. Oder daß
Humboldt seine Bitdungspläne gegen die gleichen Argumente durchsetzen mußte, die
hier als Erkenntnisse des 20. Jahrhunderts ausgegeben werden. Nur daß im damaligen
Jargon die Produkte des pädagogischen Fließbandprozesses noch als ,,fromme und
nützliche Unterthanen" bezeichnet werden. Aber vielleicht sollte man nicht in einem
regionalen 2-Spaltenartike) ein Ringen mit den Ideen Humboldts suchen.
Greifen wir zum renommierten überregionalen Blatt^. Wir werden nicht enttäuscht.
Gut und umfassend informiert entwirft der Verfasser mit unterkühlter Sympathie ein
Lebensbild, das diesem in keine Rubriken einzuzwängenden Geist gerecht wird. Den-
noch fällt auf, einen wie geringen Raum in diesem ganzseitigen Artikel die strahlende
Mitte in Humboldts Leben findet. Die altsprachliche Bildung bleibt hinter folgender
Passage verborgen: Das Frfo/gsgehe/mn/s... /fegt... /n der Gescb/ossenbe/t se/ner Vor-
stebungen vom Menschen und se/ner Bbdung. Pr se/bst mußte noch m/ter/eben, w/e
se/n Refbrmansatz verbogen und verfä/scht wurde, web man se/ne Bbdungstheor/e
n/cht mehr naebvobzog und - auch aus Furcht vor /hrer emanz/pator/schen Kraft - p/at-
tere Prz/ebungs/dea/e an /hre Stebe treten /ieß. Der Verfasser möchte also in vornehmer
Zurückhaltung auf bildungspolitische Auseinandersetzungen verzichten.
Was finden wir nun in einem Blatt, das der Gymnasiatpädagogik verpflichtet ist?^ Hier
wird der Verfasser die Bildungstheorie Humboldts weder ignorieren noch ihr auswei-
chen können. Es ist eine weitausholende Darstellung, die der Verfasser mit dem ana-
phorisch benutzten Adjektiv „ideal" gliedert.

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