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Deutscher Altphilologenverband [Editor]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 37.1994

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Nr. 1
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Aktuelle Themen
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Fritsch, Andreas: Altsprachliches im neuen Evangelischen Gesangbuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.33059#0013

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Sie werden anerkennen, daß hier ein Buch gelungen ist, das trotz mancher Kompromisse zu den
reichsten und schönsten der Gesangbuchgeschichte zählt. Es gehört nach wie vor in jedes Haus."
Die Wurzeln der Kirche, der Heiligen Schrift, der gottesdienstlichen Lieder und Bräuche liegen im
Altertum, und so zeigt auch das Liedgut bei genauerem Hinsehen bis in die modernste Fassung
hinein altsprachliche Spuren, d.h Elemente aus der hebräischen, griechischen und lateinischen
Sprache. Erinnert sei daran, daß Wörter wie Amen, Halleluja, Hosianna und Namen wie Zebaoth,
Emanuel, Zion u a , die sich in vielen Liedern finden, hebräischen Ursprungs sind und daß selbst
der Name Jesus Christus eine gräzisierte und latinisierte Form hebräischer Wörter ist. Das spiegelt
sich dann auch in den häufig auftauchenden deklinierten Formen wieder: Jesu Christe, Jesu Christi,
Jesum Christum, Jesu Christo.
Die altsprachlichen Spuren weisen auf die gemeinsamen altkirchlichen Ursprünge aller christlichen
Gemeinschaften hin und verdienen daher auch unter ökumenischem Gesichtspunkt Beachtung
und Pflege. Im Gottesdienst der katholischen Kirche ist der Gebrauch des Lateinischen seit dem 2.
Vatikanischen Konzil zwar erheblich reduziert, aber keineswegs (wie oft irrtümlich behauptet wird)
beseitigt worden. Freilich hat man hier im Modernisierungseifer nicht selten das Kind mit dem Bade
ausgeschüttet. Vielleicht ergibt sich in den kommenden Jahrzehnten und in internationaler Begeg-
nung - man denke z.B an die lateinischen Lieder der Taize-Bewegung (s.u.) - wieder ein weitaus
unbefangenerer Gebrauch altkirchlicher lateinischer Originaltexte in ökumenischen Gottesdiensten.
Das neue Evangelische Gesangbuch könnte durchaus ein erster Schritt auf diesem Weg zu den
gemeinsamen Ursprüngen sein.
Das Gesangbuch beginnt dem Kirchenjahr entsprechend - nach einem übersichtlichen Lieder- und
Inhaltsverzeichnis - mit den Liedern zum Ac/venf Dieses Wort kommt von lat. advenfus (Dom/'n/):
Ankunft (des Herrn) Nach den Liedern zu Weihnachten und zur Jahreswende folgen die Lieder zu
fp/'pban/'as; hierbei handelt es sich um das griechische Wort für die Erscheinung (des Herrn). Dann
kommen die Lieder zur Pass/'on, lat. pass/'o bedeutet Leiden. Auf die Lieder für Ostern und Himmel-
fahrt folgen die Lieder zu Pd'ngsten (vom griech. Wort penfekosfe = 50 Tag nach Ostern). Der
Sonntag nach Pfingsten heißt lat. rdn/'faf/'.s, d h. (Sonntag) der Dreifaltigkeit. Erwähnt sei schließlich
noch, daß nach alter evangelischer Tradition die Sonntage vor der Passionszeit, die Sonntage der
Passionszeit und nach Ostern ihre schönen lateinischen Namen im liturgischen Kalender behalten
haben: .Sepfuages/mä, 5exages/'mä, Ysfom/'d/ - /nvokav/f, Rem/'n/szere, Oku//', täfare, Uud/'ka - Qua-
s/'modogen/'f/, MfserZkord/'as Dom/d/, 3ub//afe, Kantate, Pogate, Bxaud/ (vgl. Nr 954).
Brechen wir hier den Gang durchs Kirchenjahr ab und schauen uns das Liedgut selbst an. Hierfür
bietet uns das Gesangbuch selbst mehrere vorzügliche Schlüssel an, neben den thematischen und
alphabetischen Verzeichnissen vor allem eine „Liedgeschichte im Überblick" (Nr. 956) und eine
sorgfältig erläuterte alphabetische Liste der Dichter und Komponisten (957). Der erste von sechs
Abschnitten der Liedgeschichte führt uns von der Spätantike zum Mittelalter Hier werden u.a. die
sog. Canf/'ca aus dem Neuen Testament mit ihren lateinischen Anfangsworten angeführt: Magn/Y/'-
cat (785 6), Bened/cfus (783.6), /Vunc d/'m/'ff/s (786.10). Weiter heißt es hier: „Auf Bischof Ambro-
sius geht der abendländische lateinische Hymnus zurück." Von Ambrosius (um 339-397) stammen
die lateinischen Vorlagen für drei Lieder: das von Martin Luther verdeutschte „Nun komm der Hei-
den Heiland" nach dem Hymnus //Ven/ redemptor genf/'um« (Nr 4), „Du Schöpfer aller Wesen",
Text von Otto Riethmüller nach dem Hymnus //Deus creafor omn/um« (485) und „Du starker Herr-
scher, wahrer Gott" nach dem Hymnus //Rector pofens verax Deus« (784.2). Die lateinischen An-
fangsworte und genauen Herkunftsangaben finden sich jeweils unter den Liedern. Eine Zusammen-
stellung aller auf lateinischen Texten des Mittelalters und der Reformations- und Humanistenzeit

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