Versucht man unbefangen, ohne durch Kommentare oder Übersetzungen festgelegt zu sein, ,,am
Satzfadenent!ang"zuübersetzen, also ohne vorherige Umstellungen der einzel-
nen Satzelemente und vor allem ohne vorherige Vorbereitungsphasen
(„Dekodierung"), erweist sich der mit Bo/os einsetzende Satz als ganz unkompliziert. Ich
habe an anderer Stelle für dieses Verfahren am Satzfaden entlang eine generell an-
wendbare „Drei-Schritt-Methode" vorgeschlagen (Latein - ein Ratespiel? AU 6/88, 29-54; vgl be-
sonders das Regelblatt auf S. 53), die auf dem Prinzip beruht, beim Übersetzen nur dann Umstel-
lungen des originalen Textes zuzulassen, wenn die Struktur der Zielsprache es erfordert. Die Grund-
regel für normale Hauptsätze lautet: 1 Schritt: Das erste Satzglied, 2 Schritt: das Prädikat (bzw
der erste Prädikatsteil); 3. Schritt: die übrigen Glieder in ihrer authentischen Reihenfolge Wendet
man diese Regel auf den Satz an, ergibt sich folgende Übersetzung:
(1) Die Boier / (2) ü b e r I i e ß / (3) er auf ihre Bitten hin den Häduern, weil sie für ihre herausra-
gende Tapferkeit bekannt waren, damit sie sie in ihrem Gebiet ansiedeltenü
Außer dem Prädikat muß nichts umgestellt werden Die Unterschiede zur traditionellen Überset-
zung: Bo/os ist ein s e I b s t ä n d i g e s Satzglied und direktes Objekt zum Hauptverb, concec/ere
mit Akk.- und Dat.-Objekt hat die normale Bedeutung „überlassen" und nicht die bei Caesar kaum
nachweisbare Bedeutung „erlauben" bei einem uf-Satz (dazu weiter unten). Der quoc/-Satz ist mit
dem Hauptverb zu verbinden (daher Indikativ), und der uf-Satz ist nicht Objekt zu concessd, son-
dern ein finaler Adverbialsatz. Daß in dem ut-Satz die wiederholte Beziehung nicht noch einmal
durch eos verstärkt wird, entspricht wegen dem noch nachklingenden Objekt des ganzen Satzes
Bo/'os lateinischem Sprachgebrauch (RH § 196, 2b, vgl. b. G I 14,6. Bofos ist ja auch logische Ergän-
zung zu pefenb'buj).
Gestützt wird diese Übersetzung durch die Textstruktur des vorangehenden Abschnitts. Das
Kapitel 28 zählt die Maßnahmen auf, mit denen Caesar nach dem Sieg bei Bibracte bevölkerungs-
politisch und organisatorisch Ordnung schafft. Eine textgrammatische Analyse zeigt eine bemer-
kenswerte Homogenität: Alle wesentlichen Sätze - ohne die eingeschobenen Begründungen - be-
ginnen syntaktisch mit dem Objekt, inhaltlich mit der Erwähnung von Volksstämmen oder anderen
Menschengruppen: reducfos - re/fquos B/e/veb'os, Tu/fngos, Bafobnqos - A//obrog/'bus - /psos - und
schließlich: Bo/'os. Dem entsprechen die am Satzende stehenden Verben, die den direkten Zugriff
des Subjekts Caesar auf die anfangs aufgezählten Menschen widerspiegeln: babu/'f - accep/'f - /ussff
- /mperaw'f - /uss/f - und schließlich: concess/'f Eine Zusammenstellung der wesentlichen Punkte in
verkürzter Form kann verdeutlichen, wie Reihenfolge und Kontextbeziehungen den Verstehenspro-
zeß lenken:
1. Die Zurückgeführten behandelte er als Feinde
2 Die übrigen nahm er alle zur Kapitulation an.
3. Die Helvetier, Tulinger und Latobrigen forderte er auf zurückzukehren
4. Den Allobrogern befahl er, sie mit Getreide zu versorgen
5. Sie selbst forderte er auf, ihre Städte wieder aufzubauen.
6 D i e Boier überließ er den Häduern zur Ansiedtung.
Strukturell fällt nur der vierte Punkt heraus, keine zufällige Variante: Die Allobroger gehören nicht
zu den Besiegten, sie erscheinen nicht im Akkusativ, sondern entsprechend den „bittenden Hädu-
ern" im Dativ, das Prädikat besetzt hier nicht das Satzende. In allen anderen Fällen strenge Über-
einstimmung von Syntaxbeziehungen, Semantik, Wortfolge und den stereotypen Homoioteleuta
auf -05 und -ft: Die Besiegten am Satz-Anfang (Akkusativ-Objekt), das transitive Verb am Ende, auf-
fallend in der Sechs-Punkte-Liste das Fehlen satzverbindender Konnektoren Nichts kann die kalte
Sachlichkeit des Maßnahmenkatalogs, mit der die einzelnen Volksgruppen zu Figuren auf einem
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Satzfadenent!ang"zuübersetzen, also ohne vorherige Umstellungen der einzel-
nen Satzelemente und vor allem ohne vorherige Vorbereitungsphasen
(„Dekodierung"), erweist sich der mit Bo/os einsetzende Satz als ganz unkompliziert. Ich
habe an anderer Stelle für dieses Verfahren am Satzfaden entlang eine generell an-
wendbare „Drei-Schritt-Methode" vorgeschlagen (Latein - ein Ratespiel? AU 6/88, 29-54; vgl be-
sonders das Regelblatt auf S. 53), die auf dem Prinzip beruht, beim Übersetzen nur dann Umstel-
lungen des originalen Textes zuzulassen, wenn die Struktur der Zielsprache es erfordert. Die Grund-
regel für normale Hauptsätze lautet: 1 Schritt: Das erste Satzglied, 2 Schritt: das Prädikat (bzw
der erste Prädikatsteil); 3. Schritt: die übrigen Glieder in ihrer authentischen Reihenfolge Wendet
man diese Regel auf den Satz an, ergibt sich folgende Übersetzung:
(1) Die Boier / (2) ü b e r I i e ß / (3) er auf ihre Bitten hin den Häduern, weil sie für ihre herausra-
gende Tapferkeit bekannt waren, damit sie sie in ihrem Gebiet ansiedeltenü
Außer dem Prädikat muß nichts umgestellt werden Die Unterschiede zur traditionellen Überset-
zung: Bo/os ist ein s e I b s t ä n d i g e s Satzglied und direktes Objekt zum Hauptverb, concec/ere
mit Akk.- und Dat.-Objekt hat die normale Bedeutung „überlassen" und nicht die bei Caesar kaum
nachweisbare Bedeutung „erlauben" bei einem uf-Satz (dazu weiter unten). Der quoc/-Satz ist mit
dem Hauptverb zu verbinden (daher Indikativ), und der uf-Satz ist nicht Objekt zu concessd, son-
dern ein finaler Adverbialsatz. Daß in dem ut-Satz die wiederholte Beziehung nicht noch einmal
durch eos verstärkt wird, entspricht wegen dem noch nachklingenden Objekt des ganzen Satzes
Bo/'os lateinischem Sprachgebrauch (RH § 196, 2b, vgl. b. G I 14,6. Bofos ist ja auch logische Ergän-
zung zu pefenb'buj).
Gestützt wird diese Übersetzung durch die Textstruktur des vorangehenden Abschnitts. Das
Kapitel 28 zählt die Maßnahmen auf, mit denen Caesar nach dem Sieg bei Bibracte bevölkerungs-
politisch und organisatorisch Ordnung schafft. Eine textgrammatische Analyse zeigt eine bemer-
kenswerte Homogenität: Alle wesentlichen Sätze - ohne die eingeschobenen Begründungen - be-
ginnen syntaktisch mit dem Objekt, inhaltlich mit der Erwähnung von Volksstämmen oder anderen
Menschengruppen: reducfos - re/fquos B/e/veb'os, Tu/fngos, Bafobnqos - A//obrog/'bus - /psos - und
schließlich: Bo/'os. Dem entsprechen die am Satzende stehenden Verben, die den direkten Zugriff
des Subjekts Caesar auf die anfangs aufgezählten Menschen widerspiegeln: babu/'f - accep/'f - /ussff
- /mperaw'f - /uss/f - und schließlich: concess/'f Eine Zusammenstellung der wesentlichen Punkte in
verkürzter Form kann verdeutlichen, wie Reihenfolge und Kontextbeziehungen den Verstehenspro-
zeß lenken:
1. Die Zurückgeführten behandelte er als Feinde
2 Die übrigen nahm er alle zur Kapitulation an.
3. Die Helvetier, Tulinger und Latobrigen forderte er auf zurückzukehren
4. Den Allobrogern befahl er, sie mit Getreide zu versorgen
5. Sie selbst forderte er auf, ihre Städte wieder aufzubauen.
6 D i e Boier überließ er den Häduern zur Ansiedtung.
Strukturell fällt nur der vierte Punkt heraus, keine zufällige Variante: Die Allobroger gehören nicht
zu den Besiegten, sie erscheinen nicht im Akkusativ, sondern entsprechend den „bittenden Hädu-
ern" im Dativ, das Prädikat besetzt hier nicht das Satzende. In allen anderen Fällen strenge Über-
einstimmung von Syntaxbeziehungen, Semantik, Wortfolge und den stereotypen Homoioteleuta
auf -05 und -ft: Die Besiegten am Satz-Anfang (Akkusativ-Objekt), das transitive Verb am Ende, auf-
fallend in der Sechs-Punkte-Liste das Fehlen satzverbindender Konnektoren Nichts kann die kalte
Sachlichkeit des Maßnahmenkatalogs, mit der die einzelnen Volksgruppen zu Figuren auf einem
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