SEIDENSTICKER seinen Aufsatz überschreibt, deutet bereits die besondere Unmittelbarkeit des Zu-
gangs zu diesem Dichter an Zahlreich sind auch demzufolge die Beispiele der „Catull-Rezeption in
der deutschsprachigen Lyrik der Gegenwart", die der Autor zu verschiedenen Themen zusammen-
gestellt hat und die „schon aufgrund ihrer Kürze für die Verwendung im Unterricht besonders ge-
eignet sind". - Unterschiedliche Allegorisierungen des „Ikarus-Mythos in der zeitgenössischen Lyrik"
beobachtet M. WEGLAGE. „Bilder vom Sturz" lautet der Titel seines Beitrages: „Jandl sah in dem an-
tiken Knaben den Idealisten und Vorkämpfer der Literatur, Ausländer den Gottsucher und religiö-
sen Menschen, Rühmkorf ... den verhinderten Himmelfahrer und Idealisten, Zahl den politischen
Kämpfer" Beispiele weiterer Autoren ergänzen dieses Bild. - „Seltene Schützen im Sandmeer": Mit
diesem Zitat überschreibt P. HABERMEHL seine „Anmerkungen zu Arno Schmidts erster Erzählung,
.Enthymesis oder W.l E.H.'". Aus dem „Weg in die Wüste" einer antiken Forschungsexpedition wird
für einen der Teilnehmer ein „Weg ins Wunderbare", Schmidt schreibt eine „utopisch-
märchenhafte Fluchtphantasie" in der Art von E. T. A Hoffmanns „Goldenem Topf". - Seinen ein-
drucksvollen Abschluß findet das Heft mit dem Beitrag von UTE SCHMIDT-BERGER: „Die deutsche An-
tigone: Sophie Scholl". Dabei geht es nicht so sehr um die - bisher nicht nachgewiesene - Beeinflus-
sung Sophie Schölls durch den Antigone-Mythos, sondern um die „Schwesterlichkeit" beider Frau-
engestalten, die auch heute von jungen Menschen nachvollzogen werden kann. „Die Gestalt der
Sophie Scholl gewinnt Tiefendimension, wenn hinter ihr Antigone erscheint Und umgekehrt ge-
winnt Antigone Nähe, sieht man sie im Zusammenhang mit Sophie Scholl".
HARTMUT SCHULZ, Berlin
„Die Rhetorik im öffentlichen Leben unserer Zeit" untersucht C. J. CLASSEN in der Zeitschrift Anre-
gung (40, 1994, 10-23 und 75-81). Konzipiert als abschließender Beitrag zu einer Ringvorlesung
über die Bedeutung der Rhetorik für verschiedene wissenschaftliche Disziplinen in Geschichte und
Gegenwart wird gezeigt, welche Macht das überlegt gewählte und geschickt vorgetragene Wort
auszuüben vermag, und speziell, wie schon die Jugendlichen auf die damit gegebenen Möglichkei-
ten und Gefahren hingewiesen werden können. - Mit dem Horazwort „du/ce ef decorum esf pro
pafda mod", das ehedem auf einem Denkmal an der Münchener Universität für die gefallenen Stu-
denten des Ersten Weltkriegs stand, beginnt N. HOLZBERG seinen Vortrag über „Horaz - Dichter im
Spannungsfeld zwischen Welt und Ich" (Heft 1, 24-37). Holzberg versucht, das Werk des Horaz als
Ganzes in den Blick zu nehmen, wobei er die beiden Lebensbereiche des poetischen Ich, den des
Staatsbürgers und den des individuellen Künstlers, als zwei Seiten eines Spannungsfeldes ansieht,
die keinesfalls getrennt werden dürfen. - M. FALTENBACHER zeigt in seinen „Anmerkungen zur Cena
Trimalchionis des Petron" (S. 38-49), daß es dort eben nicht um eine Neureichensatire und somit
auch nicht um Sozialkritik geht. Er begreift die Cena als musikalische Posse nach den Vorbildern der
Atellana und des Mimus. Die ironisch-distanzierten Kommentare des Ich-Erzählers sichern die fin-
gierte epische Realität und täuschen nicht darüber hinweg, daß der Autor Trimalchio und seinen
Kreis mit großer Sympathie und ohne moralische Entrüstung oder gar Belehrung betrachtet. - Auf
S 50 sind die Texte der Reifeprüfung Latein (Sallust, ep ad Caes de re publica I 7,2) und Griechisch
(Hippokrates, Die Umwelt 1) in Italien 1993 abgedruckt. - Die Aufgaben der Abiturprüfung im Lei-
stungsfach Griechisch an den Gymnasien in Bayern 1993 (Aischin. 1,4-7) finden sich in Heft 2,132-
139). - F MAIER empfiehlt (S. 82-88) als antirömisches Dokument su; generfs und Pflichttext in ei-
nem Imperialismus-Projekt den berühmten Mithridatesbrief: „Kritik am Imperium Romanum: Die
Stimme des Ostens. Überlegungen zum Mithridates-Brief des Sallust (Hist. 4,69)". - Aus einem LK
zu Vergils Aeneis erwachsen ist der Bericht von R. HENNEBÖHL und M. PYKA: „Was geschah in der
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gangs zu diesem Dichter an Zahlreich sind auch demzufolge die Beispiele der „Catull-Rezeption in
der deutschsprachigen Lyrik der Gegenwart", die der Autor zu verschiedenen Themen zusammen-
gestellt hat und die „schon aufgrund ihrer Kürze für die Verwendung im Unterricht besonders ge-
eignet sind". - Unterschiedliche Allegorisierungen des „Ikarus-Mythos in der zeitgenössischen Lyrik"
beobachtet M. WEGLAGE. „Bilder vom Sturz" lautet der Titel seines Beitrages: „Jandl sah in dem an-
tiken Knaben den Idealisten und Vorkämpfer der Literatur, Ausländer den Gottsucher und religiö-
sen Menschen, Rühmkorf ... den verhinderten Himmelfahrer und Idealisten, Zahl den politischen
Kämpfer" Beispiele weiterer Autoren ergänzen dieses Bild. - „Seltene Schützen im Sandmeer": Mit
diesem Zitat überschreibt P. HABERMEHL seine „Anmerkungen zu Arno Schmidts erster Erzählung,
.Enthymesis oder W.l E.H.'". Aus dem „Weg in die Wüste" einer antiken Forschungsexpedition wird
für einen der Teilnehmer ein „Weg ins Wunderbare", Schmidt schreibt eine „utopisch-
märchenhafte Fluchtphantasie" in der Art von E. T. A Hoffmanns „Goldenem Topf". - Seinen ein-
drucksvollen Abschluß findet das Heft mit dem Beitrag von UTE SCHMIDT-BERGER: „Die deutsche An-
tigone: Sophie Scholl". Dabei geht es nicht so sehr um die - bisher nicht nachgewiesene - Beeinflus-
sung Sophie Schölls durch den Antigone-Mythos, sondern um die „Schwesterlichkeit" beider Frau-
engestalten, die auch heute von jungen Menschen nachvollzogen werden kann. „Die Gestalt der
Sophie Scholl gewinnt Tiefendimension, wenn hinter ihr Antigone erscheint Und umgekehrt ge-
winnt Antigone Nähe, sieht man sie im Zusammenhang mit Sophie Scholl".
HARTMUT SCHULZ, Berlin
„Die Rhetorik im öffentlichen Leben unserer Zeit" untersucht C. J. CLASSEN in der Zeitschrift Anre-
gung (40, 1994, 10-23 und 75-81). Konzipiert als abschließender Beitrag zu einer Ringvorlesung
über die Bedeutung der Rhetorik für verschiedene wissenschaftliche Disziplinen in Geschichte und
Gegenwart wird gezeigt, welche Macht das überlegt gewählte und geschickt vorgetragene Wort
auszuüben vermag, und speziell, wie schon die Jugendlichen auf die damit gegebenen Möglichkei-
ten und Gefahren hingewiesen werden können. - Mit dem Horazwort „du/ce ef decorum esf pro
pafda mod", das ehedem auf einem Denkmal an der Münchener Universität für die gefallenen Stu-
denten des Ersten Weltkriegs stand, beginnt N. HOLZBERG seinen Vortrag über „Horaz - Dichter im
Spannungsfeld zwischen Welt und Ich" (Heft 1, 24-37). Holzberg versucht, das Werk des Horaz als
Ganzes in den Blick zu nehmen, wobei er die beiden Lebensbereiche des poetischen Ich, den des
Staatsbürgers und den des individuellen Künstlers, als zwei Seiten eines Spannungsfeldes ansieht,
die keinesfalls getrennt werden dürfen. - M. FALTENBACHER zeigt in seinen „Anmerkungen zur Cena
Trimalchionis des Petron" (S. 38-49), daß es dort eben nicht um eine Neureichensatire und somit
auch nicht um Sozialkritik geht. Er begreift die Cena als musikalische Posse nach den Vorbildern der
Atellana und des Mimus. Die ironisch-distanzierten Kommentare des Ich-Erzählers sichern die fin-
gierte epische Realität und täuschen nicht darüber hinweg, daß der Autor Trimalchio und seinen
Kreis mit großer Sympathie und ohne moralische Entrüstung oder gar Belehrung betrachtet. - Auf
S 50 sind die Texte der Reifeprüfung Latein (Sallust, ep ad Caes de re publica I 7,2) und Griechisch
(Hippokrates, Die Umwelt 1) in Italien 1993 abgedruckt. - Die Aufgaben der Abiturprüfung im Lei-
stungsfach Griechisch an den Gymnasien in Bayern 1993 (Aischin. 1,4-7) finden sich in Heft 2,132-
139). - F MAIER empfiehlt (S. 82-88) als antirömisches Dokument su; generfs und Pflichttext in ei-
nem Imperialismus-Projekt den berühmten Mithridatesbrief: „Kritik am Imperium Romanum: Die
Stimme des Ostens. Überlegungen zum Mithridates-Brief des Sallust (Hist. 4,69)". - Aus einem LK
zu Vergils Aeneis erwachsen ist der Bericht von R. HENNEBÖHL und M. PYKA: „Was geschah in der
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