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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 37.1994

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Nr. 3
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Buchbesprechungen
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[Rezension von: Alexander Zaicev, Das griechische Wunder. Die Entstehung der griechischen Zivilisation]
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https://doi.org/10.11588/diglit.33059#0123

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Za/cev, A/exander; Das gn'ech/'sche Wunder. D/'e Entstehung der gdecd/'jscden Z/'vf7/'sat/'on. Konstanz.
dn/s/er5dätJS/edag/(on^anz 7995. 270 5., 50,00 DM. (75B/V 5-57940-457-5)
Geistige Bewegungen erfaßten die zivilisierte Welt des ersten Jahrtausends von Griechenland bis
China. Doch nur in Griechenland - der Autor läßt den Beginn dieser Bewegung mit der geometri-
schen Kunst einsetzen - führten sie zu einem radikalen Umbruch, der alle Kultursphären betraf.
Dies seit Ernest Renan so genannte „griechische Wunder" zu erklären unternimmt Alexander
Zaicev, Professor für Klassische Philologie an der Universität St. Petersburg, im vorliegenden Buch.
Es ist offenbar die Übersetzung eines russischen Werkes; leider fehlen hierzu die bibliographischen
Angaben einschließlich des Entstehungsjahres.
Für Zaicev waren vor allem folgende Umstände maßgebend:
1. soziale Erschütterungen, die von der Verbreitung des Eisens ausgingen Leider führt dies Zaicev
kaum weiter aus, vielleicht, weil es für ihn ein altbekannter Topos marxistischer Geschichtsschrei-
bung ist.
2. die Struktur der Polis, die dem Bürger eine institutionalisierte Teilnahme an den Regierungsge-
schäften ermöglichte und in der Elemente der Stammesdemokratte bewahrt geblieben seien, die
die Einwanderer aus ihrer indogermanischen Urheimat mitgebracht hätten.
3. die Zerstörung der strengen Verhaltensnormen für das Individuum, die mit dem Zusammenbruch
der mykenischen Welt begonnen und sich im Verlauf der Polisrevolution, die die Herrschaft des
Geburtsadels und die Stammesgemeinschaft beendet habe, und während der Kolonisationszeit
fortgesetzt habe - nach Zaicevs Auffassung die wichtigste Bedingung des kulturellen Aufschwungs.
4. ein optimistisches Weltgefühl, das heißt, die Überzeugung, daß der Mensch das für ihn denkbare
Glück durch eigene Anstrengung erreichen kann, also eine positive Einstellung zu den konkreten
Mühen des Alltags.
5. das Streben nach Wettbewerb und öffentlicher Anerkennung, der vielbesprochene agonale Cha-
rakter der griechischen Kultur, der vor allem auf Gebieten spürbar gewesen sei, die keinerlei direkte
praktische Bedeutung haben: Die Aristokratie strebte nach sportlichen Auszeichnungen; die neuen
herrschenden Bürgerschichten hätten dies auf das Gebiet des Intellekts und der schöpferischen
Imagination übertragen. Begünstigend habe dabei die Struktur der Polis gewirkt mit ihrem be-
grenzten Territorium und der verhältnismäßig geringen Zahl von Bürgern, die sich wohl meist per-
sönlich gekannt hätten: da werde sich öffentliche Anerkennung schon bei den ersten Erfolgen
schöpferischer Tätigkeit eines jungen Menschen bemerkbar gemacht haben.
Im folgenden zeigt Zaicev, wie sich dies Streben nach öffentlicher Anerkennung vor allem auf dem
Gebiet der Wissenschaften, aber auch der Literatur ausgewirkt habe.
Besonderes Interesse erregt gewiß, worin sich das Vorgehen eines russischen Wissenschaftlers, der
sich in der abgelaufenen Epoche in relativer Isolation befunden hat - Zaicevs Kenntnis westlicher
wissenschaftlicher Literatur ist freilich beeindruckend - , von dem eines westlichen unterscheidet.
Mir ist vor allem dreierlei aufgefallen:
1. Zaicev ist sehr stark an Bedingungen und ihren Konsequenzen interessiert (was sich bereits im
Thema niederschlägt), am Warum historischer Prozesse und nicht nur am Was.
2. Wohl damit zusammen hängt ein häufig deduktiver Charakter seiner Argumentation: eine These
wird anschließend durch Belege erhärtet. Dabei ist diese Beweisführung häufig kumulativ: die Bele-
ge sollen durch ihre Fülle wirken, ihre jeweilige spezifische historische Situation scheint mir dabei
manchmal etwas zu kurz zu kommen. Allerdings liefert diese Fülle auch immer wieder etwas, was
auch im Unterricht der Konkretion und der Anschaulichkeit dienen kann.
3. Zaicev argumentiert mit vielem, was bei uns zu Nachbardisziplinen gehört und Klassischen Philo-
logen nicht unbedingt geläufig ist, der Vor- und Frühgeschichte, der Vorderasiatischen Altertums-

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