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Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0011

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1. Einleitung

offenbar nicht Adolf Hitlers pseudosakrale »Weihestätte der Bewegung«/ Viel-
mehr scheint die Bezeichnung als »shrine city« »Alt-Nürnberg«, dem »Schatz-
kästlein« des deutschen Reiches zu gelten, Begriffe, die im Zusammenhang mit
der seit dem Deutschen Sängerfest 1861 nachweisbaren Nationalisierung des
Nürnberg-Bildes geprägt worden waren/ Mit dem Titel »Des deutschen Rei-
ches Schatzkästlein« hatte sich die Stadt seit 1904 im offiziellen Reiseführer des
Fremdenverkehrsvereins auflagenstark vermarktet; zu national-konservativen
Massenveranstaltungen wie dem 8. Deutschen Sängerbund-Fest 1912 druckte
man Sonderausgaben/
Plakativ repräsentiert »Des deutschen Reiches Schatzkästlein« daher den
»Nürnberg-Mythos«/ er steht für eine Kette von Vereinnahmungen des reichs-
städtischen, mittelalterlichen Nürnberg für nationale und nationalistische Zie-
le und Legitimationen, die in der Instrumentalisierung durch das NS-Regime
lediglich ihren negativen Kulminationspunkt finden sollten. Bevor sich also
der Fokus der vorliegenden Studie im Kapitel 1.3 auf das »Thema Stadt« in
der spätmittelalterlichen Wahrnehmung verengt, sollen in einem zwei Kapitel
umfassenden Exkurs zuerst einige Seitenblicke auf die Mittelalterrezeption im
neuzeitlichen Nürnberg beziehungsweise auf die Nürnberg-Rezeption im na-
tionalistischen Deutschland geworfen werden. Zugespitzt am Beispiel zweier
Filmproduktionen der NS-Zeit soll erstens deutlich werden, aus welchen Grün-
den der Mythos entstand und welche Funktionen er zu erfüllen hatte, zweitens,
welche spezifischen inhaltlichen und narrativen Ausformungen er erfuhr.

3 SIEGFRIED ZELNHEFER, Bauen als Vorgriff auf den Sieg. Zur Geschichte des Reichsparteitags-
geländes, in: Kulissen der Gewalt. Das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, hg. von DEMS.
und RuDOLF KÄs, München 1992, S. 31-48, hier S. 40.
4 Zur Begriffsgeschichte von »Des deutschen Reiches Schatzkästlein« vgl. CHARLOTTE BÜHL,
Art. Schatzkästlein, in: Stadtlexikon Nürnberg, 2. verb. Aufl. Nürnberg 2000, S. 927, und HER-
BERT MAAS, Der Name Nürnberg in Sprichwörtern, Redensarten und Bezeichnungen, in: Mittei-
lungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 79,1992, S. 1-59, hier S. 7-9. Der bislang
früheste bekannte Beleg des Beinamens stammt aus einem Gedicht von Helene von Förster
über die Sehenswürdigkeiten der Stadt von 1893 im Programmheft des Damen-Ausschusses
anlässlich der 65. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Arzte. Ein ent-
sprechendes Lemma »Alt-Nürnberg« im Stadtlexikon fehlt; zur Verwendung des Begriffs in
wissenschaftlichen Titeln um 1900 vgl. LuDwiG RösEL (Hg.), Alt-Nürnberg. Geschichte einer
deutschen Reichs- und Volksgeschichte, Nürnberg 1895. S. auch Gedicht von Wilhelm Beckh.
(sic!) im offiziellen Stadtführer des Nürnberger Fremdenverkehrsvereins, das mit den Wor-
ten beginnt: »Alt-Nürnberg, Burg und Mauerkranz...«, vgl. Nürnberg, des Deutschen Reiches
Schatzkästlein. Offizieller Führer des Fremdenverkehrsvereins, 5. Aufl. durchgesehen und
erg. von Archivrat Dr. ERNST MuMMENHOFF, Nürnberg o.)., S. 2, ebenso abgedruckt in August
Hagen, Norika das sind Novellen aus alter Zeit. Nach einer Handschrift des 16. Jahrhunderts,
mit einer Einleitung neu hg. von LuDwiG FEUERLEIN, Nürnberg 1920 (Erstdruck 1829), S. 5.
5 Nürnberg, des Deutschen Reiches Schatzkästlein. Offizieller Führer des Fremdenverkehrsver-
eins, o. O. o. J. 1. Aufl. ca. 1906, mind. 12. Aufl. nachweisbar, Sonderausgabe zum 8. Deutschen
Sängerbund-Fest vom 27. bis 31.7.1912 unter dem Titel: Führer durch die Feststadt Nürnberg -
des Deutschen Reiches Schatzkästlein, Nürnberg 1912. Vgl. auch weitere breitenwirksame Wer-
ke wie PAUL JOHANNES REE, Nürnberg des deutschen Reiches Schatzkästlein, Bielefel, Leipzig o.
J. (1933) (Deutschland-Bildheft 187); EBERHARD LuTZE, Nürnberg. Des Deutschen Reiches Schatz-
kästlein, o. O. o. J. (ca. 1935 oder 1938) (Deutsche Kunst-Sonderhefte).
6 Er ist als eigenes Lemma im Nürnberger Stadtlexikon nachzuschlagen: HELMUT BEER,
Art. Nürnberg-Mythos, in: Stadtlexikon Nürnberg, 2. verb. Aufl. Nürnberg 2000, S. 770.
 
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