Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0102

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2.2. Stadtchronistik als »Identitätserzählung<

101

Karriere einschlugen, begegnen Lorenz (1.)^' und sein Cousin Sixt Tücher^ in
den einflussreichen Positionen der Pröpste von St. Lorenz, einer Stellung, die
nach Wilhelm Graf einer Bischofswürde gleichzusetzen sei.^
Zwei der oben genannten Familienmitglieder nennt Christoph Scheurl ex-
plizit in der Vorrede seines TMc/ier&Mc/ies: Sixt und Anton (II.) Tücher.^ Sixt,
ein Cousin seiner Mutter, war nicht nur sein väterlicher Freund, sondern muss
auch als einflussreichster Mann für sein gesellschaftliches wie berufliches Fort-
kommen gelten.^ In den zahlreichen Briefen an ihn ließ Christoph Scheurl au-
ßerdem auch Sixts Bruder, den Vordersten Losunger Anton (II.) Tücher, geflis-
sentlich grüßen.^ ihm verdankte er seine Berufung in den Dienst der Stadt, für
die er bis zu seinem Lebensende als Jurist und vielgereister Diplomat wirken
sollte.^
Gerade die Rolle von Anton (II.) - nach Christoph Scheurl ein u%#er de/?
- für Nürnbergs Politik und Reputation um 1500 ist kaum zu
überschätzen. So verdankt die Stadt seiner Regierungszeit viele repräsentati-
ve Kunstwerke, die durchaus als Symbol und Ausdruck städtischen Selbstbe-
wusstseins verstanden werden konnten. Von Amts wegen war Anton (II.) etwa
das dedtMm - die Reichskleinodien mit den Krönungsinsignien der römischen
Könige und Kaiser und den ihnen zugehörigen Herren- und Heiligenreliquien
- anvertraut, dessen Einholung nach Nürnberg er 1424 als elfjähriger Knabe,
im Engelskostüm auf dem Wagen sitzend, miterlebt hattet Seitdem waren
die Kleinodien im breiteren Bewusstsein durch die alljährlichen Heiltums-
weisungen auf dem Nürnberger Hauptmarkt und der an sie angeschlossenen
Handelsmesse präsent, die ein immer größeres Publikum anzogenV" 1510
zeichnete Anton (II.) für den an Dürer erteilten Auftrag verantwortlich, zwei
Gemälde mit Kaiser Karl dem Großen und Sigmund für die Heiltumskammer
des Schopperschen Hauses am Hauptmarkt zu malen, wohin die Reliquien all-
jährlich vor ihrer Weisung gebracht wurden.
Dürer wurde von Anton (II.) darüber hinaus mit zahlreichen weiteren Auf-
gaben betraut: So beauftragte er ihn mit einem Gutachten für die Instandhal-
tung des Schönen Brunnens auf dem Hauptmarkt, also des Monuments aus

221 Zum Leben Lorenz (I.) Tuchers (Ältere Linie, 1447-1503) vgl. ebd., S. 65-67.
222 Zu Sixt Tuchers Leben (Ältere Linie, 1459-1507) vgl. ebd., S. 67f.
223 GRAF, 1930, S. 10.
224 Das Große Tucherbuch auf CD-ROM, 2004, fol. 23r, vgl. Zitat in Artm. 334.
225 Zur Beziehung zwischen Christoph (II.) Scheurl und Sixt Tücher vgl. GRAF, 1930, S. 25-28.
226 Vgl. ebd., S. 25.
227 Vgl. ebd., S. 51.
228 Vgl. Das Große Tucherbuch auf CD-ROM, 2004, fol. 82v. Der Begriff des uaderiandis lässt sich
neuhochdeutsch am ehesten mit »Vaterstadt« oder »Heimatstadt« wiedergeben; er bezog sich
um 1500 jedoch nicht auf »Deutschland« oder »das deutsche Reich«. GROTE, 1961, S. 53, zitiert
- wenn auch leider ohne Quellenangabe - einen Nachruf aus der Feder Christoph Scheurls,
in dem er seinen Oheim Anton (II.) ebenfalls als »Vater des Vaterlands« rühmte, um mit dem
Bild fortzufahren: wenn er ^wesend war, schien der Rat ein Wiüih zn sein - Und dieweil er an/* den
hainen sfnnd so war das Gemeinwesen sicher gesnnd nnd wohlmeinend.
229 Vgl. GROTE, 1961, S. 44.
230 Vgl. Julia ScHNELBÖGL, 1962a, S. 78-159.
 
Annotationen