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Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0156

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2.2. Stadtchronistik als »Identitätserzählung<

155

Meisterlin besprach seine Darstellung nicht nur mit seinen engsten Freun-
den und Gönnern wie Hartmann Schedel oder Sebald Schreyer. Seine Ideen
zirkulierten vielmehr zumindest in einem kleineren Kreis patriziatsnaher Ge-
lehrter und wurden offenbar kontrovers diskutiert. Dafür hat sich - neben Meis-
terlins wiederholt geäußertem Ärger über seine »Neider« - ein weiteres, aller-
dings vereinzeltes Zeugnis erhalten: Bei dem unikal überlieferten Text mit dem
Titel Ethc/ie /vn/scr anyesÄ/H, dessen Abschrift der Nürnberger Hilfsschreiber
Nicolaus Fink im Auftrag von Hans Tücher 1487 (also vor Meist er lins zweiter
Fassung) fertig stellte, handelt es sich um das begleitende Buch zu einer Münz-
sammlung. Auf Vermittlung Stefan Fridolins, Lesemeister bei den Franziska-
nern und Prediger am Frauenkloster St. Klara, war sie in Ratsbesitz gelangt.^
Nachdem man die insgesamt 42 antiken Kaisermünzen hatte vergolden lassen,
wurden sie in der üTrei/ in einer grossen hz^eii hängend installiert.^ Fridolin,
der mit hoher Wahrscheinlichkeit als Verfasser des begleitenden Buches an-
zusprechen ist,^ suchte darin allerdings nicht Wert, Alter oder Gewicht der
Münzen zu bestimmen. Stattdessen nahm er die Münzbilder und Umschrif-
ten zum Anlass für Kurzbiographien der - seiner Anschauung nach - Porträ-
tierten und somit für einen Abriss der Geschichte der römischen Kaiserzeit.^
Wie stark ihn dabei der ihm zugetragene zoan von Nürnbergs Gründung durch
den Imperator Tiberius Nero beschäftigte, das heißt also. Meist er lins erst kurz
zuvor aufgestellte Theorie/^ zeigt seine wiederholte Auseinandersetzung mit

526 Stadtbibliothek Nürnberg, Cent. IV. 90, Titel auf dem äußeren Vorderdeckel: Eiliede det/ser an-
gesicid; Datierung auf 1487 und Vermerk des Auftraggebers im inneren Rückendeckel: Hanns
Tneder senior, ed. Hans Tuchers Buch von den Kaiserangesichten, hg. von PAUL JoACHiMSOHN,
in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 11, 1895, S. 1-86, vgl. eine
Handschriftenbeschreibung ebd., S. 2f. S. auch DERS., 1895, S. 209f., mit dem Urteil, dass Fri-
dolins Werk »neben Meisterlins Chronik vielleicht das wichtigste Zeugnis für den Betrieb der
Humanitätsstudien in Nürnberg vor Celtes und Pirckheimer« darstelle, vgl. auch HERRMANN,
1898, S. 69f. Zum Autor vgl. DiETRicH ScHMiDTKE, Art. Fridolin, Stephan, in: Verfasserlexikon,
Bd. 2, 2. Aufl. Berlin, New York 1980, Sp. 918-922, bes. Sp. 919.
527 PETZ, 1886, S. 148, zur Schreibertätigkeit des Niklas Fink vgl. ebd., S. 154, zur Vergoldung der
Münzen S. 149.
528 Vgl. dazu Hans Tücher, Buch von den Kaiserangesichten, ed. JoACHiMSOHN, 1895b, S. 11-13:
Auch wenn Fridolins Name in der Handschrift nicht genannt ist, so ergibt sich diese Ver-
mutung aus den zahlreichen inhaltlichen Parallelen und wortwörtlichen Übernahmen, die
Joachimsohn zwischen dem »Buch von den Kaiserangesichten« und Fridolins 1491 bei Anton
Koberger gedruckten »Schatzbehalters«, eines Werkes zur geistlichen Erbauung, namhaft ma-
chen konnte.
529 Unter der Passage zu einer Münze mit dem Kopf des Nero Dondcius Aenodardus hat Fridolin
seine Intention und Vorgehensweise skizziert: dod wii dauon ine uh sedreiden, dann mein /nrnemen
ist uh, uon dem ieden der daiser ze sedreiden, snnder allein die sedwa'ez oder gedreed [die Prägung,
Anm. d. Verf.], weleder daiser sic sein, anzaigen und zn erdennen geden, das man in ediieder mass ein
erdantnnss daden mnge, znm mi/nsfen der giidmass daiden, der antiiezen der adorgrosUM dorren, die
in der weit i/e gewesen sind die Got der derre daruwd erdedt dat oder erdedt lassen werden zn sodeder
grossen maedt, das er sein maedt in inen und dnred sie erzaigte, die dann woi dar inn erzaigt ist worden,
das er sie wider sied und sein direden, das ist die sandnng der eristgiandigen menseden, so lang dat
strei/ten und wüten lassen, und doed damit nicids daden sedajjen mngen J...J. Hans Tücher, Buch von
den Kaiserangesichten, ed. JoACHiMSOHN, 1895b, S. 66. Zu Fridolins Vorlagen und Quellen vgl.
Joachimsohns Einleitung ebd., S. 15-17.
530 Hans Tücher, Buch von den Kaiserangesichten, ed. JoACHiMSOHN, 1895b, S. 27.
 
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