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Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0179

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2. Nürnbergs verschiedene (Er-)Fassungen

Turnierschilderurig und Wiederentdeckung der Meisterlin-Chronik sowie der
beiden genannten inhaltlichen Indizien spricht für diese These auch die Uber-
lieferungslage. In gleich drei Handschriften, die Meisterlins Text tradieren, ist
auch Rixners Turnierschilderung enthalten. Dabei handelt es sich erstens um
Joachim Tetzeis Handschrift von 1541, zweitens um die auf die verlorene Vor-
lage aus Tüchers Besitz zurückgehende anonyme Abschrift von 1540/50 sowie
- am frühesten - um Hallers Codex mit der Sigle M aus dem Jahr 1526A'
Dem letztgenannten Textzeugen kommt nach Ansicht der Forschung eine
zentrale Bedeutung für die weitere Entwicklung der Nürnberger Annalistik zu:
Er enthält nämlich die drei Fiktionen, die nach Kurras ab dieser Zeit zu den
»unerläßlichen Bestandteilen jeder Nürnberger Chronik« gehören, das heißt,
erstens die Ursprungserzählung Nürnbergs aus der römischen Antike nach
Meisterlins Chronik - im Codex M geschrieben von der Hand Christoph (II.)
Scheurls -, zweitens die Statuierung als Reichsstadt auf Grund der Babenber-
ger Fehde nach der Weltchronik von Platterberger und Truchsess, drittens Ge-
org Rixners sagenhaftes Turnier von 1198.^ Der Besitzer der Handschrift M,
Bartholomäus Haller, - so hat jüngst Bertold Haller von Hallerstein erwiesen -
war ein maßgeblicher Förderer von Rixners Werk, der offenbar Einfluss auf die
Darstellung nehmen konnte und damit zugleich als eigentlicher Profiteur der
Nürnberg-Episoden im Turnierbuch zu gelten hatA ' Doch trotz der Bedeutung
von Rixners Fiktionen für die fortan in Nürnberg entstehende Historiographie,
die nach Bertold Haller von Hallerstein noch bis in die Ahnenforschung des
20. Jahrhunderts fortwirken sollten/^ soll diesen Fragen an dieser Stelle nicht
weiter nachgegangen werden: Denn als ein Werk, das die Stadt zum Thema
hat, wäre Rixners Turnierbuch grob missverstanden. Die darin geschilderten
Turniere sind vielmehr weder als städtische Ereignisse zu bezeichnen noch prä-
sentieren sie städtische Identität. Man kann sie sogar umgekehrt als Darstel-
lungen deuten, die die Gruppenidentität der »Nürnberger« und den Bürger-
verbund unterschwellig aufbrachen und in Frage stellten. Inwieweit Rixners
Berücksichtung der Nürnberger Geschlechter in seinem Turnierbuch also als
der ehrgeizige Versuch verstanden werden kann, das Patriziat aus der Gruppe
der Bürger zu lösen und stattdessen den Reihen des Niederadels einzuschrei-
ben, soll daher Gegenstand des Kapitels 3.3.5. sein. Hier hingegen folgt nach
der Historiographie nun die Behandlung der Stadt Nürnberg im Genre der
politischen Dichtung.

661 Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Hs. 3994a, vgl. SCHNEIDER, 1993, S. 314.
662 KuRRAs, 1983, S. XI.
663 Vgl. dazu Kap. 3.3.5.
664 Vgl. BERTOLD HALLER VON HALLERSTEiN, Das Turnier, in: Auf den Spuren eines Adelsgeschlech-
tes. Die Notthaffte im Egerland und in Bayern, hg. von KAREL HALLA und HARTMANN VON
MAucHENHEiM-BECHTOLSHEiM, Marktredwitz 2006, S. 237-262, hier S. 244.
 
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