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Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0229

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228

2. Nürnbergs verschiedene (Er-)Fassungen

eignis erstaunlich gering.'^ Auffällig schweigsam blieb vor allem der mit gro-
ßem Abstand produktivste und zugleich berühmteste Nürnberger Dichter des
16. Jahrhunderts, Hans Sachs. Uber 6000 Werke - Spruchgedichte, Meisterlie-
der, Fastnachtsspiele, Dramen, Prosatexte - sind aus seiner Feder überliefert.
Die exakte Datierung auf den Tag genau, die er selbst in seinen privaten Sam-
melhandschriften unter den Texten vermerkte, zeigt, dass er beinahe täglich
dichtete.'^'
Doch trotz dieses gewaltigen Oeuvres nehmen lediglich drei seiner Spruch-
gedichte explizit auf die Kriegsereignisse 1552 Bezug. '^ Nur ein einziges the-
matisiert die Konsequenzen für Nürnberg: Der C/agspruec/i der sM NMivn&erg
oh der MMpdhchon schzoerden pdegrung anno 1552^ entstand am

342 Auf das gänzliche Fehlen von politischen Ereignisdichtungen zur Belagerung Nürnbergs 1552
- gerade im Vergleich zu den reichen Reaktionen auf die parallelen Ereignisse in Magdeburg -
macht schon Rettelbach aufmerksam, vgl. JOHANNES RETTELBACH, Die belagerte Stadt - Mög-
lichkeiten literarischer Reaktion und literarischer Gestaltung im 15. und 16. Jahrhundert, in:
Die Wahrnehmung und Darstellung von Kriegen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit,
hg. von Horst Brunner, Wiesbaden 2000 (Imagines Medii Aevi 6), S. 73-94, hier S. 87. Ein Zu-
sammenhang zur reichsstädtischen Zensur, so Rettelbach, ist nicht anzuzweifeln: Entweder
kam es gar nicht erst zur Abfassung von Spott- und Abwehrtexten, oder es gelang, solche
Texte gänzlich zu unterdrücken oder zu vernichten. Für die zweite These spricht, dass die
Verkündigung des Friedensvertrag mit Albrecht Alcibiades die explizite Klausel enthielt, dass
sich die Stadtbürger jeglicher üblen Nachrede gegen den Markgrafen zu enthalten hätten,
vgl. dazu JOHANNES VoiGT, Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach, Berlin
1852, S. 315. Ähnliche Klauseln sind jedoch auch für frühere Verträge belegt. Für die größten-
teils unedierten Nürnberger Chroniken dieser Zeit ist dieser Befund freilich noch zu überprü-
fen, vgl. etwa die Kommentare in der Chronik des Anton Kreutzer, zit. nach HiLLE, 2006, S. 17,
über den Markgräflerkrieg 1552, den der Autor für verheerender als die Türkenzüge hält: war;
der TaA a;n zip/ei M reied Mud TMfscMaM w;7i aMgre%?M, da WMS JederwaM apfscM eüü Mud Mdg,
da ader [im Markgräflerkrieg, Anm. d. Verf.] s;'d;i jedermar; ZM, lest den Meder; [Albrecht Alcibia-
des, Anm. d. Verf.] Mdcr; ;'r; Terdseidaad w:wtw;.
343 Zu den Datierungen vgl. BRUNNER u. a., 2002, S. 602.
344 Das umfangreiche gespreed der gdder wider den aM/rMeriscdea/Mersfea margra^Aidrecdf aad aader
Jaersfea aad stet Derdsediaads (400 Verse, ed. Hans Sachs, Werke 23, ed. voN KELLER, GoETZE,
1895, S. 34—45), von Sachs auf den 27. Juni 1554 datiert, nennt zwar in der Einleitung des
Spruches als Anlass für die Dichtung die Absage Albrechts von Brandenburg an die Bischöfe
von Bamberg und Würzburg sowie an die Reichsstadt Nürnberg (ebd., S. 34, V. 7-9). Doch das
Traumgesicht, das sich an diese Erläuterungen anschließt, spricht nicht über einzelne Gegner
des Markgrafen, sondern stellt als Geschädigte das gesamte Dudscdiaai dar (vgl. dazu die
programmatischen Schlussverse S. 45, V. 28f.: A:;/d;?s rw :;M/n'd wider waAs / im D;':;ts;Mar;t.
Das wünschet Hans Sa As). Gegenstand der Dichtung sind keine konkreten historischen Infor-
mationen. Stattdessen diskutiert und inszeniert Sachs die moralische Schuldfrage als Götter-
versammlung auf dem Olymp. Jupiter, der sich von Merkur den Stand des Kriegs zwischen
dem pi:diirsfig;'n Marie (ebd., S. 37, V. 17) - das heißt, Albrecht - und Herkules berichten lässt,
erfährt von der Feigheit und Willkür, die Mars über die deutschen Lande gebracht habe (ebd.,
S. 38, V. 17, bis S. 39, V. 9. Beraten von Minerva und der Allegorie der Justicia fasst er den Ent-
schluss, M; k':;r;'r;g doMersfrai /AM/*Er&M (ebd., S. 44, V. 16f.) zu schicken und der Tyrannei des
Mars ein Ende zu machen. Bevor es dazu kommt, erwacht das Sprecher-Ich jedoch aus seinem
Traum. Zu Sachsens zweitem Spruchgedicht über die Zerstörung der Plassenburg vgl. unten
bei S. 231, Anm. 362.
345 Hans Sachs, Werke, Bd. 22, hg. von ADELBERT voN KELLER und EDMUND GoETZE, Tübingen 1894
(Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart 201), S. 541-550.
 
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