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Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0235

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2. Nürnbergs verschiedene (Er-)Fassungen

Stadt auch ihre Gegner vor Angriffen auf ihren Leumund in Schutz nahm, weil
sie diplomatische Verwicklungen fürchtete. ^
Frappierend häufig findet sich der Fall, dass Dichtungen, obwohl sie dem
Rat oder der Stadtgemeinde gewidmet wurden, nicht auf die Gunst der Ob-
rigkeit stießen. Als Beispiel sei Hans Peck genannt, der in den Schlussstrophen
seines Liedes über den Placker Schüttensam seine Verbundenheit mit der Stadt
Nürnberg zum Ausdruck brachte: Das üed /lat uns Hanns Pedrgedzc/ü / das abends
also spate; / das üed, das er gedieht hat, / schenbt er ahn weisen rate. // Linz rat nnd
anch einer ganzer genzein; / si woiien an einander gehorsam sein, / so wirt nns woi
getingenDiese Zeilen zeigen das ausgeprägte Bedürfnis und das Bemühen
der Reimpublizisten, sich der Zustimmung der städtischen Obrigkeit zu ver-
sichern. Doch trotz dieser expliziten Widmung ließ der Rat Pecks Lied ver-
bieten.^
Ebenso vergalt die städtische Obrigkeit auch Hans Schneiders ebenfalls
oben bereits genannten Spruch über den Landshuter Erbfolgekrieg, obwohl
Schneider darin nicht nur offensiv die Nürnberger Partei vertrat und die städ-
tischen Truppen lobte, sondern zugleich auch den Nürnberger Rat mehrfach
als meine hezvezi ansprach. Seine Reimrede wollte er ihnen und der bazsczdzchezi
stat zno eren verstanden wissen.^ Auch wenn die Dichter also offensiv um die
Akzeptanz durch den Rat warben und dementsprechend auch den Inhalt ih-
rer Texte wählten,^ hielt die Obrigkeit diese Form der Meinungsbildung für
inopportun. Anstatt sie als positive »Imagepflege« zu befürworten, bevorzugte
der Rat also eine Politik der strikten Informationskontrolle und -Steuerung be-
ziehungsweise des taktischen Verschweigens.
Seine rigiden Maßnahmen zeigen jedenfalls klar die politische Sprengkraft,
die die Stadt diesen Texten zutraute. Doch wer war das Publikum, das die Lie-
der und Reimreden erreichten? Kellermann umreißt es vage als eine größe-
re, zunächst nicht institutionalisierte »okkasionelle Öffentlichkeit«.^ Bernd
Thum spricht von einer spezifisch »dynamischen Form von >Öffentlichkeit<, die
sich aus wechselnden Gruppen der von den gesellschaftlichen und politischen
Ereignissen jeweils betroffenen, rechtlich-politisch-sozial Handlungsfähigen

374 Vgl. als Beispiel den Eintrag in den Ratsverlässen zum 13. September 1519: Sied dei den pned-
irnedern Mud so dp irned uaii daden, dnred den Heinried Panrn lassen er/aren, od pnderi ein sedmaed-
sedri/f, die aidgnossen deire^eni, derdaiden lassen desneden nnd er/ären nnd alles derwider dringen.
Am 30. September folgt: Den uon Znried sedreiden nnd piiien, ain Rai des ansgegangen sedmaediieds
daiden wider die aidgenossen zn enisednidigen. Ed. HAMPE, 1928, S. 260. In einem Eintrag zum
13. März 1522, der Streitschriften zur Reformation verbietet, findet sich gleichzeitig die Anord-
nung: dei derzog Georgen uon Saedsen ein enisednidigMng ze inn. Ed. ebd., S. 261.
375 Lil. 2, Nr. 223, Str. 21, V. 2, bis Str. 23, V. 3. Vgl. KELLERMANN, 2000, S. 247.
376 Vgl. oben S. 197, Anm. 102.
377 Lil. 2, Nr. 235, V. 323-326: zno eren aim /rMmen weisen rai / das Hans Scdneider gesproeden dai, / der
daiseriieden siai zno eren / zno Nnrmderg meinen /mmen derren.
378 Uber Peck und Schneider hinaus finden sich noch mehrere Beispiele für Widmungen an den
Rat oder die Gemeinde, ganz ausgeprägt etwa im Text von Hans Kugler, den er an den weisen
rai / zno Nnornderg in der siai adressiert und in dem er sich selbst als ir sia'ier diener bezeichnet,
vgl. Lü. 2, Nr. 127, S. 12, Str. 25.
379 Vgl. KELLERMANN, 2000, S. 364.
 
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