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Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0247

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246

2. Nürnbergs verschiedene (Er-)Fassungen

Lokatgeschichtsschreibung, welche die literarischen Stadtbilder vor allem auf
ihren dokumentarischen Wert hin durchleuchten wollte und meist nur wenig
historisch verwertbare und nachprüfbare Detailinformationen fand. Ebenso
kritisch urteilte auch die Literaturwissenschaft, die den literarischen Formzu-
sammenhang der Texte in den Mittelpunkt rückte. Sie betonte die literarhisto-
rische Tradition, durch die das Städtelob der Renaissance bis an die Epideiktik
der Spätantike anknüpfe, und konzentrierte sich daher vor allem auf die Her-
leitung der Motive, Topoi und Tropen? Auf der Suche nach formalen Konstan-
ten quer durch alle Zeiten und Texte schuf sie damit die Fama des Genres als
hochartifizielle, negativ gewendet als epigonale Gattung. In seiner einschlägi-
gen Monographie zum Städtelob erklärte etwa der Philologe William Hammer
programmatisch, dass sich in 1000 Jahren kaum etwas geändert habe?
Mit der oben für das Beispiel Nürnberg bereits knapp skizzierten, kaum
systematisierbaren Vielfalt der Zeugnisse, wie sie die folgenden Kapitel prä-
sentieren, lässt sich Hammers Urteil nur schwer in Einklang bringen. Trotz-
dem vermittelten philologische Stellungnahmen wie die Hammers auch den
historisch ausgerichteten Studien zu diesem Quellenkomplex ein tief sitzendes
Misstrauen. Verunsichert fragte die Geschichtswissenschaft nach dem generel-
len »Quellenwert dieser poetischen Gattung für die Stadtgeschichte«? Noch im
Jahr 2000 stellte etwa Klaus Arnold in seinem insgesamt fünf Punkte umfas-
senden Bewertungskatalog für den über das Städtelob forschenden Historiker
daher die skeptischen Fragen, ob das analysierte Werk ȟber die angestreb-
te panegyrische Wirkung und normative Tendenz hinaus [...] zum wenigsten
doch einen Teil der Wirklichkeit« einer Stadt vermittle, ob es sich »von literari-
schen Allgemeinplätzen zu lösen und die Einzigartigkeit einer Stadt und ihres
Wesens zu erfassen« vermöge und ob somit überhaupt »etwas vom >Selbstver-
ständnis< des Gemeinwesens oder der städtischen Gesellschaft« darin gespie-
gelt sei? Der Frühneuzeithistoriker Helmut Zedelmaier beginnt seine Überle-
gungen zur Stadtbeschreibung am Beispiel der fränkischen Reichsstädte sogar
bereits mit der enttäuschenden Anmerkung: »Texte setzen sich vor allem aus

3 Vgl. dazu den Forschungsüberblick ebd., S. 17-25.
4 Vgl. WiLHAM HAMMER, Latin and German Encomia of Cities, Chicago 1937, S. 3.
5 KLAus ARNOLD, Städtelob und Stadtbeschreibung im späteren Mittelalter und in der frühen
Neuzeit, in: Städtische Geschichtsschreibung im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit, hg.
von PETER JoHANEK, Köln, Weimar, Wien 2000 (Städteforschungen 47), S. 247-268, hier S. 250.
Nach Jean Lebeau, der freilich Arnolds Skepsis nicht teilt, manifestieren sich solche unhinter-
fragten Beurteilungen sogar in der langlebigen und nach wie vor virulenten Tendenz, zwei
Kategorien zu bilden - die der »Städtegedichte« und die der »Stadtbeschreibungen« - und
erstere in die Zuständigkeit der »litteraires«, die zweite aber in die der »historiens« zu ver-
weisen. Diese artifizielle Unterscheidung aber, so Lebeau, sei dafür verantwortlich, dass das
Städtelob noch immer vergleichsweise unbekannt sei, obwohl es für beide Disziplinen eine
außerordentlich reiche und wertvolle Quelle darstellen, vgl. JEAN LEBEAU, L'eloge de Nurem-
berg dans la tradition populaire et la litterature humaniste de 1447 ä 1532, in: Hommage ä
Dürer. Strasbourg et Nuremberg dans la premiere moitie du XVIe siede. Actes du Colloque de
Strasbourg (19-20 novembre 1971), Straßburg 1972 (Publications de la societe savante d'Alsace
et des regions de Test, Collection >Recherches et Documents< 12), S. 15-35, hier S. 15f.
6 ARNOLD, 2000, S. 251.
 
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