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Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0399

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398

3. Goldene Zeit oder Krisenzeit?

Wohlfahrtsstaates ergänzen, wie sie das Heer an Lobrednern unisono verewig-
te. Den Anfang machte Rosenplüt in seinem Lobspruch von 1447, indem er
gleich an erster Stelle seiner Reimrede die so genannten fünf Almosen aufzählt,
die bedeutendsten Nürnberger Sozialeinrichtungen - darunter ein Altersheim
für verarmte Handwerker, zwei Findel- und Waisenhäuser oder die allwö-
chentliche ArmenspeisungA In der des Celtis handelt ein gesamtes
Kapitel & pzeMz&MS cf dcmoszms urHs cf fcproszs.^ Es setzt ein mit dem Super-
lativ, nur schwer ließe sich eine Stadt in der Christenheit finden, die sich so
sehr wie Nürnberg den Werken der c%nf%s widme. Für die von ihm gewählten
Beispiele zu seinem Urteil orientierte sich Celtis offensichtlich an Rosenplüts
Vorbild. Breit erzählt er die schon in dessen Reimrede genannte Speisung der
Aussätzigen in der Passionswoche aus, in der er neben der Tugend der Barm-
herzigkeit auch die Demut der städtischen Eliten herauszustreichen versteht.
An den Tischen nämlich - so könne sich der Leser selbst durch Augenschein
überzeugen - würden vornehme Patrizierfrauen servieren, wohlverdiente
Bürger seien als Mundschenk und Zuschneider tätigt Auch Helius Eobanus
Hessus würdigte den Komplex der Sozialfürsorge in seinem neulateinischen
Gedicht. Wie Celtis zählt er die vielen Spitäler in der Stadt einzeln auf, zusätz-
lich versucht er auch eine räumliche Beschreibung ihrer Gebäude, Anlagen und
Funktionen zu geben. So etwa schildert er ausführlich die Lage des prächtigen
Heilig-Geist-Spitals mitten in der Stadt, das sich über die Pegnitz hinweg auf
Brückenbogen spanne, oder berichtet von den unterschiedlichen Trakten und
Flügeln des Sebastian-Spitals für die Pestkranken vor den Toren der StadtA
Am Schluss seiner Darstellung verweist er auf die Pflicht der städtischen Ge-
sellschaft, keinen Stand zu vernachlässigen, so untauglich er auch sein möge:
Lfstjue miffus ud ümfifis) onfo / Ncgffgcnfur f..
Insgesamt, so lässt sich aus diesen Beispielen resümieren, trachteten die Au-
toren danach, die städtische Gemeinde in allen Schichten als vorbildlich versorgt
und gesellschaftlich fest integriert darzustellen.^ Für einen innerstädtischen

34 Hans Rosenplüt, Reimpaarsprüche und Lieder, ed. REICHEL, 1990, Nr. 20, V. 16-79. Vgl. dazu
allgemein die am Beispiel Nürnberger Stiftungen des Spätmittelalters entwickelten Über-
legungen von MARTiAL STAUB, Memoria im Dienst von Gemeinwohl und Öffentlichkeit. Stif-
tungspraxis und kultureller Wandel in Nürnberg um 1500, in: Memoria als Kultur, hg. von
OTTO GERHARD OEXLE, Göttingen 1995, S. 285-334.
35 Conrad Celtis, NoräwNrga, ed. WERMiNGHOFF, 1921, S. 175-181. Diese Episode schien Coch-
laeus so anschaulich, dass er sie wörtlich in seine Nürnbergbeschreibung übernahm, vgl. Jo-
hannes Cochlaeus, BrrNs GcrwMnk' Descn'ph'o, ed. LANGOSCH, 1960, S. 86-88. Die von ihm unter
der Kategorie HrfMS worah's der Nürnberger subsumierte Wohltätigkeit ist nach Cochlaeus
aber auch um ihre Frömmigkeit zu ergänzen, als deren Maßstab er die in Nürnbergs Kirchen
ungewöhnlich hohe Zahl an Kerzenspenden anführt, ebd., S. 86.
36 Conrad Celtis, NoräwNrga, ed. WERMiNGHOFF, 1921, S. 179.
37 Helius Eobanus Hessus, Hrfs Non'Nrga diMstrata, ed. VREDEVELD, 1990, S. 183-266, V. 933f. und
V. 975-986.
38 Ebd., V. 1015f.
39 In ihrer Studie über Frankfurt am Main im 16. Jahrhundert kommt Anja Johann zu dem
parallelen Ergebnis, dass die durch den Rat und seine Funktionsträger forcierten Prozesse der
»Verobrigkeitlichung« und Sozialdisziplinierung vom Konsens der »bürgerlichen« Schichten
getragen worden seien, vgl. ANJA JOHANN, Kontrolle mit Konsens. Sozialdisziplinierung in
 
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