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Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0418

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3.3. Innere Konfliktherde

417

lung des Nürnberger Patriziats«. Nach Dünnebeil gewann er seine Relevanz
daraus, »dass auch Nichtmitglieder von der Zusammensetzung ihrer Gruppe
informiert waren. Exklusivität - die von den Gesellschaften der städtischen
Oberschicht angestrebt wurde - konnte nur entstehen, wenn diese von der Öf-
fentlichkeit auch zur Kenntnis genommen und anerkannt wurde.«"'' Wie auch
bei kirchlichen Prozessionen,"^ beim Adventuszeremoniell für hohe Gäste oder
aber bei den auf Teilnehmer patrizischer Herkunft limitierten Turnierveranstal-
tungen, als »Gesellenstechen« bekannt/" konnte hier einem breiten Publikum
die soziale Sonderstellung und Überlegenheit ihrer Gruppe visualisiert wer-
den (auch im Alltag waren diese freilich bereits durch die - nicht zuletzt auch
in den städtischen Enkomia, etwa bei Celtis oder Cochlaeus, thematisierten -
strikten Kleider- und Luxusordnungen permanent präsent"^).
Dass diese klare Hierarchie und Exklusivität der Führungsgruppe auch
>von untern akzeptiert wurde, zeigt etwa die Reaktion des Hans Sachs, die er
dem Sprecher-Ich in seinem Spruch über das »Gesellenstechen« von 1538 in
den Mund legt: Wer gestochen Muf ? / Sind es /remM edeHenf ? So fragt das
Ich seinen Gastgeber und Dialogpartner Wolff Rüllen nach der ausführlichen
Beschreibung des Turniergeschehens. Die naiv inszenierte Frage gibt Rüllen
- von Beruf eingeführt als Händler, genauer als Grossist, der Kramwaren an
Kleinsthändler wie das Sprecher-Ich weiter verkauft, und damit als Angehöri-
ger der Mittelschicht gekennzeichnet - zu einer stolzgeschwellten Erwiderung:
Er tmhforf md [mir, Anm. d. Verf.] gar Mn; / Es sind i?ieg &nrgers-sdn, / Die iia&en
fiinn uerspreeden / Znsam ein gcsciicnsfecden.' "
Neben dieser öffentlichen Demonstration der führenden Gruppe in der All-
gemeinheit ist schließlich nach Dünnebeil zugleich eine gesellschaftliche Ver-

115 SoNjA DÜNNEBEIL, Umzug und Tanz als Formen der >bewegten< Repräsentation, in: Ge-
schlechtergesellschaften, Zunft-Trinkstuben und Bruderschaften in spätmittelalterlichen und
frühneuzeitlichen Städten, hg. von GERHARD FouQUET, MATTHIAS STEINBRINK und GABRIEL ZEi-
LiNGER, Ostfildern 2003 (Stadt in der Geschichte 30), S. 129-145, hier S. 134; ROLLER, 1965,
S. 16, und ANDREA LÖTHER, Städtische Prozessionen zwischen repräsentativer Öffentlichkeit,
Teilhabe und Publikum, in: Das Öffentliche und Private in der Vormoderne, hg. von GERT
MELviLLE und PETER voN Moos, Köln, Weimar, Wien 1998 (Norm und Struktur 10), S. 435-459,
hier S. 444.
116 Vgl. zur Funktion der Nürnberger Prozessionen an Fronleichnam und anlässlich der Feiertage
der Nürnberger Heiligen Sebald und Deocarus für die Herrschaftsrepräsentation ausführlich
ANDREA LÖTHER, Prozessionen in spätmittelalterlichen Städten. Politische Partizipation, obrig-
keitliche Inszenierung, städtische Einheit, Köln, Weimar, Wien 1999 (Norm und Struktur 12),
hier S. 50-172, bes. das Fazit auf S. 172.
117 Nach RoGGE, 2003, S. 114, gehörten die Ausrichtung von Turnieren, an denen Adlige teilnah-
men, und das Veranstalten von eigenen Gesellenstechen ebenfalls in das gängige Repertoire
der städtischen Führungsschichten als Medien, die ihre besondere Lebensform und kulturelle
Überlegenheit demonstrierten.
118 Conrad Celtis, Non'wNrga, ed. WERMiNGHOFF, 1921, S. 187-189, und Johannes Cochlaeus, BrrNs
Geri?M?i;'e Descn'püo, ed. LANGOSCH, S. 86: Wie Celtis berichtet Cochlaeus über die Institution
der deMores, bviisgressores also Übertreter der Ordnungen »denunzieren«. Zu-
ständig für die Überprüfung solcher Meldungen und die Bestrafung der »Täter« seien die
für worcs, ÜMgMa A uesfÜMS zuständigen cciisorcs des Rugamtes. Als ihre Aufgabe umschreibt
Cochlaeus, das Volk in mo&sfM WMMM zu halten.
119 Hans Sachs, Das Gesellenstechen, ed. Hans Sachs, Bd. 8, S. 745-749, hier S. 748, V. 5-10.
 
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