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Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0428

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3.3. Innere Konfliktherde

427

Entscheidend machte Muffel in den Augen seiner Standesgenossen jedoch zum
Außenseiter, dass sein Verhalten die oligarchische Herrschaftsstruktur bedroh-
te. Niklas Muffel, so Fouquet, hatte seine herausragende Position innerhalb des
Patriziats und des Inneren Rates nicht ausschließlich ererbt, sondern in einer
langen Amterkarriere hart erarbeitet. Seinen Stolz auf diese Leistungen teilte er
noch zwei Monate vor seinem Tod trotz aller Demutsbezeugungen in seinem
Gedenkbuch mit. Doch die das Egalitätsprinzip durchbrechende Anerkennung
seiner privilegierten Stellung, die er von seinen Ratskollegen forderte, sprengte
die herkömmlichen Solidaritäten.
Trotz aller feinen inneren Hierarchien der Ungleichheit wurde also die Ideo-
logie der Gleichheit innerhalb der Oligarchie häufig mit rücksichtsloser Brutali-
tät gegenüber denjenigen Gruppenmitgliedern verteidigt, die (tatsächlich oder
vermeintlich) die oligarchische Macht durch die Herrschaft eines einzelnen zu
ersetzen suchten.^" Bezeichnend ist die Beurteilung des Falls in einer Notiz des
Nürnberger Rates, Muffel sei durch seinen /zocmzd gHzi/boti worden.""' Er habe
sich also als einzelner überhoben und sei darüber gestürzt. Niklas Muffel selbst
erkannte dies kurz vor seinem Tod ebenfalls. Wie er in seinem »Gedenkbuch«
schreibt, habe er der Welt mehr als Gott gedient - &wzz/ /zzzti zc/t ucrdzcn/, das zizzr
uz/ Uzde zrn rat izct/1 zuzd uazn/sc/za/f tragen.^
Die Fälle Scheurl und Tetzel zeigen, wie die Pläne einzelner privilegierter
Mitbürger gegen die Interessen der gesamten Stadt und ihres Regiments ver-
stoßen konnten. Die Causa Muffel demonstriert, wie der Aufstiegswille eines
einzelnen mit den Gruppeninteressen des Nürnberger Patriziats kollidierte
und dementsprechend hart sanktioniert wurde. Doch ist dieses Streben nach
sozialem Aufstieg, dessen Scheitern sich in den drei Fällen manifestiert, als
Ausnahme oder aber als strukturelles Problem zu verstehen? Zur Diskussion
dieser Frage sei im Folgenden nochmals auf ein Zeugnis verwiesen, das im
Kapitel 2.2.12. bereits kurz beschrieben wurde: auf Rixners Turnierbuch von
1526.

Rat, der sächsische Kurfürst Friedrich habe ihm ein Fass Wein geschenkt, mit der Frage, ob
er es annehmen dürfe. Tücher unterschlug nach Groebner in seiner Anfrage, dass er - wie in
seinem Haushaltsbuch vermerkt - seit mehreren Jahren regelmäßig solche Geschenke vom
Kurfürsten erhalten hatte, zit. nach GROEBNER, 1994, S. 308, Anm. 101. Ebenfalls zu diesem
konkreten Vorfall wie auch zur ambivalenten Wahrnehmung von Korruption im spätmittel-
alterlichen Nürnberg allgemein vgl. auch DERS., Ökonomie ohne Haus. Zum Wirtschaften ar-
mer Leute in Nürnberg am Ende des 15. Jahrhunderts, Göttingen 1993 (Veröffentlichungen
des Max-Planck-Instituts für Geschichte 108), S. 172-177.
160 FouQUET, 1996, S. 499. MoNNET, 2000, S. 56, bezeichnet dies als eine Form von Egalitarismus
innerhalb der Eliten.
161 Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 15a (Akten der A-Lade), S 1 Lade 6, Nr. 1,
zit. nach FouQUET, 1996, S. 499.
162 Niklas Muffel, Gedenkbuch, ed. CDS11, XV S. 742-751, hier S. 749. Zum Memorial vgl. knapp
ScHMiD, 2006, S. 81-83.
 
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